Euer Ergebener

Fortuna-Punkte: Was wir aus Testspielen lernen können…

Da tobt der F95-Mob: Die glorreiche Fortuna schlägt in einem Testspiel das Team von Borussia Mönchengladbach klar mit 2:0! Revanche für das Pokal-Aus im Oktober! Rache für all die Schmach, die uns das ostholländische Gladpack angetan hat! Wir sind erstligareif! Übernächstes Jahr Europapokal! Wirklich? Nun beruhigen wir uns wieder und analysieren dieses merkwürdige Spiel unter Ausschluss der Öffentlichkeit in der zugedeckelten Arena mal in Ruhe. Grundlage bildet der äußerst sachkundig und unaufgeregte Live-Stream von der Partie auf Sportstadt.tv. Also das komplette Gegenteil des Live-Streams, den zwei BVB-Knallchargen vom Test der Dortmunder gegen unsere Jungs im Trainingslager ablieferten. Wenn „Reporter“ schon eigene Spieler bei deren – teils ultrablöden – Spitznamen zu nennen belieben…

Da ging es übrigens umgekehrt aus: Die Schwatzgeleben siegten mit 2:0. Und dann war da noch das 1:3 gegen Standard Lüttich, dem Verein, dem die Fortuna den wundervollen Benito Raman abzukaufen gedenkt. Drei Testspiele, drei verschiedene Ergebnisse … und die Frage: Was lehrt uns das? Sagen wir so: Die reinen Ergebnisse bringen keinerlei Erkenntnisgewinn, auch wenn die fanatischen Fans das gern so hätten – im Fall des Sieges gegen BMG zumindest. Will man als Freund der rotweißen Diva irgendetwas aus diesen Testspielen lernen, führt kein Weg daran vorbei, sich alle drei Partien in voller Länge anzuschauen. Wie ja auch erst die Analyse eines Ligaspiels gelingt, wenn man sich mehr reinzieht als die – oft merkwürdig zusammengestellten – Ausschnitte in den handelsüblichen TV-Sendungen.

Alles ausprobieren

Und weil ja nun bekannt ist, dass Testspiele vor allem dazu dienen, Kicker, Systeme und Spielanlagen auszuprobieren, ist es wenig sinnvoll, sie ergebnisorientiert auszuwerten. Betrachten wir auf dem Hintergrund dieser Weisheit zunächst die F95-Spieler, die eingesetzt wurden, und deren Leistungen. In dieser Hinsicht brachte tatsächlich das Ding gegen die Rauten jede Menge neues Wissen. Zum Beispiel in Sachen Harvard Nielsen. Der Norweger scheint langsam in Düsseldorf anzukommen und bot – solange er auf dem Rasen stand – eine kluge Leistung, besonders im Zusammenspiel mit der Doppel-6 und den beiden Sturmkollegen. Dieses Duo, Rouwen Hennings und Benito Raman, wird langsam zum Liebespaar à la Rösler und Beister seinerzeit. Folgerichtig legten die beiden sich gegenseitig die Dinger zu den beiden Toren auf. Darüber, dass Marcel Sobottka und Florian Neuhaus ebenfalls ein Paar zum Verlieben ergeben, muss man kaum noch reden. Die aktuellen Probleme finden sich bekanntlich dahinter.

Nun hat Raphael Wolf gegen BMG einen frühen Elfer auf eine Art und Weise abgewehrt, dass man Gänsehaut bekommen konnte. Aber was machen die Ersatzkeeper? Da Michael Rensing immer noch nicht wieder voll da und Tim Wiesner leider etwas langwieriger verletzt ist, haben die Coaches nun – nicht ganz unerwartet – den ollen Haudegen Thorsten Stuckmann zur Ersten geholt. Apropos: In den Testspiele gegen die Dortmunder und gegen Lüttich stand Wiesner in der Kiste und zeigte beide Male eine prima Leistung. Die Erkenntnis auf dieser Position lautet also: Sind Rensing, Wolf und Wiesner allesamt gesund, haben wir drei Supertormänner im Kader.

Die Nachrücker

Bevor wie jetzt aber alle Mannschaftsteile durchgehen und feststellen, was eh klar ist, wenden wir uns doch mal den Akteuren zu, die bei den Freundschaftsspielen ran dürfen, sonst aber nie oder selten für die Erste antreten. Da ist die arme Socke Gökhan Gül, den alle Experten schon als geborenen Ersatzmann für die gesperrten Kaan Ayhan und Andre Hoffmann gesehen haben. Der hat sich in der Partie gegen Lüttich so derbe schwer verletzt, dass er nicht nur gegen Aue fehlen wird, sondern vermutlich einige Wochen bis Monate. Jetzt wird guter Rat nicht billig, und Friedhelm Funkel beschloss früh, dass Adam Bodzek den zweiten Innenverteidiger neben Robin Bormuth geben soll.

Mehr Optionen hat er aber auch nicht, denn die anderen Jungs, die in Defensivabteilung geführt werden, sind entweder gesperrt, verletzt oder als IV nicht zu gebrauchen. Oder doch? Dass Anderson „Andy“ Lucoqui zweimal ran durfte, lässt eine zweite Denkrichtung zu: dass nämlich im äußersten Notfall Niko Gießelmann oder sogar Lukas Schmitz nach innen rücken und Lucoqui als Außenverteidiger agiert. Seine Auftritte waren ordentlich, aber leider wird der junge Mann manchmal immer noch ein bisschen hektisch.

Gewinner und Verlierer

Und dann ist da noch der Fall Kiesewetter. Der gute Jerome war ab Saisonbeginn ein wenig in der Versenkung verschwunden und wird nun nach und nach wieder hervorgeholt. Von allen Auswechselspielern, die gegen Gladbach in der zweiten Hälfte kamen, gab er die überzeugendste Vorstellung ab. Wobei sich der geneigte Fortuna-Freund aber auch fragen darf, auf welcher Position genau er eine Option wäre. Bekanntlich kann der Herr Kiesewetter rechts wie links und ist dem offensiven Mittelfeld zuzuordnen. Nur ist das Team genau da eigentlich mit ausreichend vielen Alternativen bestückt, die da wären: Käpt’n Oliver Fink (ein Muss wenn fit!), Davor Lovren und Takashi Usami. Außerdem lauern dort auch die Youngster Taylan Duman und Kianz Froese. Letzter machte in der halben Stunde gegen BMG als Ersatz für Sobottka eine ziemlich gute Figur.

Verlierer der ganzen Testerei dürfte – trotz seines schönen Treffers gegen Lüttich – Emir Kujovic sein. Es bleibt unklar, was der schwedische Hüne wirklich gut kann. Ist er als Knipser und Kopfballmonster gedacht (das wäre ihm grundsätzlich zuzutrauen), dann müsste das ganze Offensivsystem auf ihn zugeschnitten werden. Und dafür ist er einfach oft zu hüftsteif und insgesamt nicht torgefährlich genug.

Viererkette eher als Dreierkette

Über die drei Testspiele betrachtet scheint sich die Viererkette als Standard gegenüber dieser neumodischen Dreier-Fünfer-Sache durchzusetzen. Ob und wie erfolgreich man beide Systeme spielen kann, hängt ja nicht nur vom Spielplan ab, sondern vom zur Verfügung stehenden Material. Mit Jean Zimmer gibt es einen tollen Rotweißkicker, der besonders stark rechts vor der Dreierkette agiert. Ein gleich starkes Pendant auf links müsste theoretisch Schmitz sein, der diesen Anspruch aber nicht immer einlöst. Überhaupt entwickelt sich Zimmer immer mehr zu einem Schlüsselspieler für den Offensivansatz. Das hat viel damit zu tun, dass er mit Raman genauso fein harmoniert wie der mit Hennings.

Beim Mittelfeld stellt sich von Fall zu Fall die Frage, ob Bodzek den defensiven Part in der diesem Mannschaftsteil geben muss, oder ob es ausreicht, hier abwechselnd Sobottka und Neuhaus mehr oder weniger abwehrend auftreten und dafür dann ein weiterer Offensiver das Mittelfeld bereichern soll. In diesem Fall – und dann würde es wohl am ehesten Käpt’n Fink sein – ist nämlich eine Taktik besonders erfolgversprechend, mit der die Fortuna in der Hinrunde ein paar Mal erheblich geglänzt hat: aggressives Forechecking, heutzutage „Pressing“ genannt. Das gefiel in der ersten Halbzeit gegen die Rauten sehr, weil zwei der kühnsten Pressing-Künstler (Hennings und Raman) hier zeigten, was geht.

Es riecht nach Aufstieg

Auch wenn alle drei Testspielgegner, allesamt Erstligisten mit Europapokal-Erfahrungen aus jüngster Zeit, nicht mit dem jeweiligen A+-Kader antraten, lässt sich doch sagen, dass die Fortuna nie aussah wie ein Team, das eine Liga tiefer kickt. Aber das haben wir ja auch schon so im Pokalspiel gegen BMG erlebt. Am überzeugendsten von allen sechs Halbzeiten in den Freundschaftsspielen war sicher Hälfte Eins gegen Gladbach, die aus F95-Sicht (bis auf den Fehler von Bormuth, der zum Elfer führte) überlegen geführt wurde. Wenn die Mannschaft – in welcher Zusammensetzung und mit welchem System und Spielplan auch immer – so in der Rückrunde antritt, dann riecht alles nach Aufstieg.


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3 Gedanken zu „Fortuna-Punkte: Was wir aus Testspielen lernen können…

  • Er hat „Jehova“ gesagt! 🙂

    Ansonsten, lieber Rainer, hat dein Computer wohl das eine oder ander Wort verschluckt, an anderer Stelle dafür ein Wort zuviel eingefügt.

    Antwort
  • Stuckmann wurde explizit für die Zwote geholt, nachdem diese die Saison bis dahin keinen zweiten Torwart hatte. Diese Position hatte bis dahin Okoye von der U19 übernommen, wenn Wiesner wegen der Verletzung von Rensing auswärts im Kader der Profis stand. Bei Heimspielen (bis auf eine Ausnahme) spiekte er trotzdem für die Zwote. Der gesetzte Torwart ist immer der dritte Torwart der Ersten. Zurzeit also Wiesner. Schijns ist der reguläre zweite Torwart der Zwoten. Aufgrund der momentanen Verletztensituation ist das alles durcheinander geraten. Stuckmann ist außerdem zurzeit nicht einsatzfähig, und gegen MG saß Okoye auf der Bank.

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    • Korrektur: Stuckmann ist doch einsatzfähig und vorübergehend bei der Ersten:-). Da hatte der Chefred die besseren Infos!

      Antwort

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