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Koblenz vs F95: Warum ist es am Rhein so schön?


Eigentlich hätte der unauffällige und schwitzende Schiri Cortus die Partie schon so um die 13. Minute herum abpfeifen können. Was hätte das für ein feines Sommerfest geben können im schönen Stadion Oberwerth im schönen Koblenz am schönen Rhein! Gut 7.000 Fans der glorreichen Fortunen hätten den kaum 500 verhuschten Anhänger von Rot-Weiß zuprosten und sich gegenseitig in den Armen liegen können. Im Schatten natürlich, denn unter der zur Mosel wandernden Sonne gab’s brütende Hitze auf die Hirne. Dass der Mensch was trinken muss, weiß jeder – außer den Veranstaltungsverantwortlichen in Koblenz. Sonst wären die nicht der irrigen Annahme verfallen, ein Bierwagen mit 5 Stück Personal hinter dem Gästeblock würde reichen, um im Umfeld des galoppierenden Klimawandels den Durst von 1.500 erhitzten Düsseldorfern zu stillen.

Überhaupt fiel das ganze organisatorische Drum und Dran dieses Spaziergangs unter die Rubrik „absurdes Theater“. Man kann nur hoffen, dass die TuS Rot-Weiß Koblenz bei ihrem Versuch, eine Art Fan-Trennung zu zelebrieren, lediglich die ja oft ziemlich skurrilen Anforderungen des DFB zu erfüllen. Wenn ein frisch gebackener Erstligist mit einem harten Kern von mindestens 4.000 treuen Anhängern bei einem Oberligisten mit einem Zuschauerschnitt von 250 aufläuft, dann kann jeder Depp sich ausrechnen, dass sich Tausende Düsseldorfer Karten für die Heimbereiche anschaffen, wo doch die offiziellen Tickets für den Gästeblock ratzfatz weg waren. Dann vollmundig zu verkünden, Gäste in fortunistischen Fan-Klamotten kämen in die Heimblöcke nicht rein, grenzt an offene Lächerlichkeit.

Macht auf das Tor

Und natürlich war dieses herrliche altmodische Stadion im Süden der Stadt unter felsigen Hügeln nicht ausverkauft. Dann stand man im Gästekäfig bis zur Halbzeit sardinenförmig, bis dann ein begabter Schlosser ohne Gewaltanwendung das Tor zur Kurve öffnete, wohin sich dann ein Teil der Fortuna-Menge ergoss und sogar teilweise Schatten fand. Immerhin waren die Cops durch die Hitze so sediert, dass sie angesichts dieser Illegalität nicht auf dumme Gedanken kamen. Vor, zum und nach dem Anpfiff zeigte der Mob aus Düsseldorf, angeführt von den Ultras, eine eindrucksvolle Kulisse mit zig Schwenkfahnen für jedermann, den großen Schwenkern, einer wirklich breiten Auswahl an Zaunfahnen und einer kleinen Pyroshow mit rot-weißem Qualm. Dass die Mitgereisten sich angesichts der Hitze überhaupt zum Mitsingen animieren ließen, grenzt an ein Wunder. Der Kapo entschied sich dann auch für eher einfache Gassenhauer, die keine größeren intellektuelle Ressourcen erforderten.

Wie gesagt: Dodi hatte zur 12. Minute schon seine zweite Bude gemacht. Beim 1:0 grölten die Düsseldorfer vor Erleichterung, beim 2:0 freuten sie sich immer noch körperlich, aber nach dem 3:0 war der Fisch dann geschuppt, und die restlichen Treffer nahmen die Menschen in Rot und Weiß (und neuerdings in Blau) mit einem zufriedenen Grinsen entgegen. Dazwischen wirbelte Friedhelm Funkels neuer Offensivchor, dass die Koblenzer Amateure bisweilen keine Ahnung hatten, wo denn der verdammte Ball überhaupt war. Auch wenn es den Gastgebern wehtun mag: Eigentlich fiel unseren Jungs das 5:0 leichter als das 13:0 im Vorbereitungsspiel vorige Wochen gegen den VfL Benrath.

Fast schon eine Raute

Dabei war die Startaufstellung nicht ganz überraschungsfrei – vor allem die taktische Anordnung, die man wahlweise als 4-3-3 sehen konnte oder als 4-4-2. Denn tatsächlich spielte die Fortuna mit zwei waschechten Außenstürmern (Dodi Lukebakio und Benito Raman) UND zwei echten Spitzen (Marvin Ducksch und Rouwen Hennings bzw. Kenan Karaman), während die Außenverteidiger (Jean Zimmer und Nico Gießelmann) vergleichsweise defensiv agierten, aber gelegentlich das Mittelfeld nach vorne verschoben. Man könnte sogar sagen, Funkel habe mit Raute spielen lassen. Vordere und hintere Spitze bildeten Käpt’n Marcel Sobottka und der tolle Kevin Stöger, die äußeren Ecken bildeten dann eben Zimmer und Gießelmann. Wenn aber die offensiven Fünf wirbelten, dann wirbelten sie alles um sich herum schwindlig. Da wird gekreuzt und doppelgepasst, dass es eine Lust ist, und notfalls wird der Ball in die zweite Reihe gelegt, um einem Kollegen eine Fernschusschance zu geben.

Natürlich waren die Unterschiede im individuellen Talent und im jeweiligen Ausbildungstand sowie der körperlichen Fitness eklatant, aber, wir wissen, diese Unterschiede muss man auch erstmal in Ergebnisse umsetzen. Da tun sich Serienmeister und Pokalverteidiger ja manchmal sehr schwer. Fragt sich nur, ob es in der ersten Bundesliga irgendeinen Gegner gibt, gegen den das F95-Team so offensiv antreten würde. Das gezeigte System lässt sich aber auch leicht und mit (fast) demselben Personal in einer deutlich defensiveres umstellen, bei Bedarf auch im laufenden Spiel. Kaan Ayhan und Andre Hofmann sind die Bank vor dem Keeper (siehe unten), die Außenverteidiger bleiben weiter hinten, um dem Gegner die Räume zu klauen, Sobottka gibt einen Abwehrhelfer vor der Viererkette, und wenn dann Alfredo Morales statt Stöger kommt, dann lässt sich prima verteidigen. Es müsste dann noch eine der beiden Spitzen gegen einen weiteren Mittelfeldmann gewechselt oder – falls Karaman vorne spielte – einer der Stürmer zurückbeordert werden. So ungefähr…

Hochflexibel, hochmodern

Das Dolle ist ja, dass der vom Gestaltungsteam aus Robert Palikuca, Uwe Klein und Goran Vucic hervorragend zusammengestellte Kader dem Trainerteam eine enorme Fülle Varianten erlaubt. Allein, dass mit Ducksch ein zweiter Knipser am Start ist, erhöht den Wert von Hennings, der jetzt sein wühlendes Lieblingsspiel aufziehen kann, ohne dass er dann als Spitze fehlt. Und – um auch die Zwote mit ihrem Sieg in Gladbach nicht unerwähnt zu lassen – wenn man Taylan Duman bei der Vorbereitung in Benrath gesehen und von seinem Auftritt bei BMG II gehört hat, dann sieht man sofort weitere Systemversionen. Und dann stehen da noch Taka Usami, Davor Lovren und Aymen Barkok – alles Leute, mit der die Rolle des Mittelfelds in die eine oder andere Richtung geschoben werden kann – das ist hochflexibel, das ist hochmodern. So viel Spielfreude, so viel Spaß am Ball und beim Zusammenspiel mit den Kollegen hat man bei einer Fortuna-Truppe lange nicht gesehen. Gut, dass Raman und Dodi in dieser Hinsicht poseteff Bekloppte sind, ist ja nichts Neues. Dass aber Stöger, Hennings und Ducksch da freudestrahlend mithalten, kommt ein bisschen überraschend.

Nun hat Dodi die ersten beiden Treffer erzielt, darunter ein fröhlicher Schlenzer aus vollen Lauf ins hintere, obere Eck, da musste Ducksch auch ran und netzte in der 32. Minute eine prima Flanke von Gießelmann humorlos ein. Als ob’s nicht schon gereicht hätte, spielten die Herren in Blau die gesamte Koblenz-Abwehr samt Tormann aus, und Stöger musste zum 4:0 nur noch einschieben. Dass nach der Halbzeitpause in Richtung Sommerkick abdriftete, war zu erwarten und auch nicht weiter schlimm. Man hatte Spaß, man war dabei, und wäre man schneller ans Getränk gekommen, wär’s ein perfekter Nachmittag geworden. Und die perfekte Revanche für die legendäre Schlammschlacht von Koblenz von vor acht Jahren – der Pfad des Matsches war dieses Mal trocken, ja, nachgerade staubig, was über alles gerechnet angenehmer war als Schuhe voller Pampe.

[Fotos: Friedie Schacht]


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2 Gedanken zu „Koblenz vs F95: Warum ist es am Rhein so schön?

  • Das Tor zur Freiheit auf der Tribüne zur Baustelle wurde schon vor Beginn des Spiels geöffnet. Die wurde von mehreren Hundert Fans auch friedlich angenommen.

    Antwort
    • Danke für den Hinweis! Aber trotzdem: Es war ein F95-Fan, der das Tor aufgemacht hat – es gibt Fotos davon ;–))) Vermutlich wusste niemand, wo der Schlüssel war…

      Antwort

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