F95 vs Aue 2:1 – Wie man ein schwieriges Spiel drehen kann
Ein historischer Moment: Während sich die Akteure in der Kabine bei Tee und Glühwein aufwärmten, hoppelte Nana Ampomah im Spielteilnehmer-Outfit unter der Regie des Konditionstrainers über den Rasen. „Er wird doch nicht…?“ raunte es auf den Rängen, denn einen Spieler einfach so in der Pause auszuwechseln, ist bekanntlich Funkels Ding nicht, und nur die Älteren konnten sich an Vergleichbares erinnern. Und dann ging die Diskussion los, wen Nana ersetzen würde. Klar war, dass es einen Systemwechsel geben würde, denn in der ersten Halbzeit agierte die glorreiche Fortuna weitgehend konzept- und/oder hilflos.
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Das sah dann so aus, dass Kasim Adams auf Andre Hoffmann querpasste, der wieder zurück auf Adams, und nochmal, und dann passte einer der beiden auf seinen Außenverteidiger, der sich festlief und die Pille bestenfalls an einen der Innenverteidiger zurückgab. Und wenn’s so richtig doll offensiv lief, dann spielten AV und Außenstürmer bisschen Doppelpass, was mit einer mehr oder meistens weniger gelungenen Flanke endete. Marcel Sobottka langweilte sich schrecklich, und Alfredo Morales hatte viel Zeit, in Ruhe über sein Leben nachzudenken. Währenddessen grätschte Käpt’n Fink ein wenig rum, und Rouwen Hennings wartete auf den Ball wie auf einen Bus.
Halloween-Horror in Minute 11
Das war nach der 11. Minute, die den Halloween-Horror für die Düsseldorfer vorwegnahm. Ein Auer flankte von relativ nah an der Grundlinie in das, was Fußballsprecher heute ja „Box“ nennen, die F95er standen alle falsch, Florian Kastenmeier verlässt seinen, ähem, Kasten um Schlimmeres zu verhindern, wischt die Flanke über Kopf nach rechts und legt sie damit einem anderen Auer vor die Gräten. Bumms – die Weißen liegen 0:1 im Rückstand und sind von da an für fast eine halbe Stunde völlig aus dem Leim. Das hatten sie sich ganz anders vorgestellt: Den Gegner mit Geduld zurechtlegen, müde spielen, auf Lücken warten, echte Chancen erarbeiten und dann zuschlagen.
Hatte sich was mit Zuschlagen! Die erste Chance war ein Alleinding von Erik Thommy, dem mit Abstand besten Fortunen am gestrigen Eiskaltabend, dann mal ein scharfer Schuss von Kownacki, ein ebenso scharfe Flanke, die beinahe ein Eigentor provoziert hätte, aber sonst sah’s aus wie Hallenhandball zwischen einer starken Defensive und einer ideenlosen Offensive. Und, ja, es gab massenhaft Fehler und erste Pfiffe gegen die eigene Mannschaft von den Rängen. Und das bei knapp 20.000 Zuschauern, was auf einen geringen Anteil Eventies schließen ließ.
Apropos: Insgesamt fühlten sich die äußeren Bedingungen der Partie mehr nach Drittliga-Tristesse an. Selbst die Akustik der unermüdlichen Support-Versuche der Ultras hörte sich im zu gerade einmal 40 Prozent gefüllten Stadion irgendwie anders an, und man hatte viel freien Blick auf die bunten Sitzschalen in den Oberrängen. Auffällig allerdings, dass die Sitzer später auf eine Weise beim Anfeuern abgingen, wie man sie von (fast) ausverkauften Begegnungen nicht kennt, bei denen eben doch jede Menge Leute vorbeischauen, die mal die Bayern sehen oder in Ruhe ein Bundesligaspiel konsumieren wollen. Man darf aber auch nicht verhehlen, dass der Support in der Schwachphase der Mannschaft über die Blöcke der Ultras kaum hinauskam.
Blankes Entsetzen, erste Pfiffe
Kein Wunder, denn in der großen Depressionsphase der Fortunen herrschte teilweise blankes Entsetzen unter den Liebhabern der schönen Göttin. Das sich noch nicht einmal an irgendetwas wirklich festmachen ließ; ja, man konnte noch nicht mal richtig auf irgendwen schimpfen und so ganz doll wütend sein. Am ehesten neigte sich die Stimmung auf der Süd in Richtung „Tja, so ist das eben mit der Fortuna.“ Die allerdings etwa ab der 35. Minute wieder in die Partie zurückfand. Dann waren die geneigten Besucher schon bereit, sich eine Pause vom teils öden Kick zu nehmen als Thommy in der 45. Minute in den gegnerischen Strafraum einzudringen bemüht war, woran ihn ein Auer durch Kreuzen seines Laufweges hindern wollte. Der Wismut-Kumpel streifte den Unterschenkel des guten Erik mit dem Knie, sodass dieser stürzte. Klarer Elfer.
Rouwen Hennings machte daraus völlig frei von jeglichem Humor den Ausgleich. Nicht dass sich danach irgendeine Form von Erleichterung im eckigen Rund breitgemacht hätte. Wen würde Nana also ersetzen, was würde sich nach der Pause ändern? Die Expertenecke im 41er einigte sich darauf, dass der Mann aus Ghana anstelle von Kownacki außen spielen und der in die Mitte als zweite Spitze rücken sollte. Folglich müsse Käpt’n Fink raus (der im Übrigen nicht zu 100 Prozent fit wirkte und zudem eine gelbe Karte gesehen hatte). So kam es tatsächlich, und wenn dieses schwierige Spiel einen Erkenntnisgewinn mit sich bringt, dann den: Der für teuer Geld erworbene, überaus sympathische Pole ist auf außen verschenkt. Punkt.
Nana erinnert an Dodi
Natürlich werden die Coaches – die man übrigens wesentlich öfter als sonst in Beratungsgesprächen sah – nicht gegen jeden Gegner mit Doppelspitze spielen (können), aber Rotationen vom guten Rouwen und dem netten Dawid bieten auch eine Menge Optionen. Außerdem konnte Mijnherr Ampomah eindrucksvoll beweisen, dass er ein mit allen Wassern gewaschener Flügelflitzer ist, der aber auch erfolgreich nach innen ziehen und jederzeit drei Gegenspieler austricksen kann. Ja, Nana erinnert an Dodi, auch wenn sich beide von den Körperdimensionen her überhaupt nicht ähneln und man bei Ampomah noch nicht sagen kann, ob er auch mal eine Bude beisteuern wird.
Sofort nach dem Wiederanpfiff begann der fortunistische Dauerdruck. Da muss man die Herren von Wismut Aue aber auch mal loben, zumal sie ähnlich spielten wie die Fortuna der Saison 18/19. Die Defensive stand jederzeit dicht, und im schnellen Konterspiel waren die Erzgebirgler brandgefährlich. Erstaunlich vor allem, dass die Veilchen ihre Konzentration so lange auf so hohem Niveau halten konnten. Unschön dagegen das dümmliche Zeitspiel bis zum zweiten Gegentor und das zugehörige dauernde Hinfallen, Wälzen und Reklamieren – ey, Aue, das habt ihr nicht nötig.
Kochen nach Standardrezept
Ja, auch in den zweiten 45 Minuten wurde nach dem oben erwähnten Standardrezept gekocht, aber unter deutlich stärkerer Einbindung von Sobottka. Auch Morales wurde plötzlich sichtbar. Nur hatten die Weißroten nun zwei echte Außenstürmer auf dem Platz, von denen der eine (Thommy) mit maximalem Engagement und erheblicher Schläue kickte und nicht selten die Süd animierte, jetzt aber mal bitte mehr Alarm zu machen. Nana, das muss man auch sagen, neigt – wie weiland Dodi Lukebakio – dazu, sich in Dribblings gegen drei oder gar vier Gegner zu begeben, aus denen selbst Spieler einer höheren Talentgruppe selten erfolgreich rauskommen. Aber: Im Gegensatz zu Kownacki auf derselben Position band er eben auch ständig mindestens zwei Auer. Der aber wirbelte nun zwischen Mittelfeld und ganz vorne, traute sich Fernschüsse zu und war oft im Getümmel anspielbar. Schussglück hatte er nicht, aber in dieser Position wird er seine Tore machen und beweisen, dass er kein Fehleinkauf war.
Reden wir noch einmal von Hennings. Der hatte in der 57. Minute ein Tor des Monats auf dem Schlappen. Fortuna kam nach einem der wenigen Angriffsversuche der Veilchen zu einem guten Konter, den der Aue-Keeper nur dadurch unterbrechen konnte, dass er weit aus seinem Sechzehner kam und die Pille wegköpfte – genau auf des Rouwens Quanten. Reaktionsschnell nahm er das Ei und chippte es in Richtung des leeren Tores. Leider, leider, leider landete das Ding nicht in der Hütte, sondern oben auf dem Tornetz. Dann gab es Chancen für F95 in 5-Minuten-Abständen – viele davon als Resultat von Standards, aber ein paar feine Fernknaller waren auch dabei. Befreien konnten sich die Auer nur gelegentlich, aber zum Glück leistete sich Adams keinen Zappler mehr wie in der 20. Minute, und auch Hoffmann verschuldete keinen weitere Treffer.
Bloß keine Verlängerung!
Ab der 70. ging das Stöhnen durchs Stadion: Bloß keine Verlängerung! Bloß kein Elferknallen! „Weißt du, wann ich dann zuhause bin?“ fragte einer und grummelte was von Um-5-Uhr-Aufstehn. 20:45 ist aber auch eine dermaßen asoziale Anstoßzeit für ein Spiel mitten in der Woche! Fans, die beispielsweise mit dem ÖPNV aus Solingen angereist waren, mussten angesichts selbst des regulären Abpfiffs gegen 22:40 mit mehr als einer Stunde Fahrtzeit rechnen, was bei Verlängerung und Elfmeterschießen dafür gesorgt hätte, dass die frühestens gegen halb eins auf der heimischen Couch angekommen wären. Dies und die unverschämten Preise, die der TSV Fortuna Düsseldorf aufgerufen hatten, sorgten halt für eine schmale Kulisse von etwas über 20.000, wobei erstaunlich viele Wismut-Aue-Fans die weite Reise angetreten hatten.
Die Eiseskälte dieses Abends und die nahende Ballschlacht gegen den Äff-Zeh aus dem Domdorf taten ein Übriges. Oder wie es ein langjähriger, treuer Allesfahrer ausdrückte: „Die Eventies müssen sich für Sonntag schonen.“ Apropos: Ultras-Kapo Marvin bat die versammelte Mannschaft nach dem Spiel an den Zaun, um eine rasante Motivationsrede zu halten. Die Kicker lauschten aufmerksam, nickten gelegentlich und zeigten deutlich, dass ihnen die Bedeutung eines Erstligaspiels gegen den Retortenclub aus dem ehemaligen Garnisonspuff der Römer absolut bewusst ist.
Dem dritten Tor näher…
Vorher aber gelang dann eben doch der nun absolut verdiente Siegtreffer, den aber keine Spitze, kein Außenstürmer, kein Mittelfeldmann oder Außenverteidiger erzielte, sondern Kasim „Zappelphilipp“ Adams! Es war die 75. Minute, die Wismut-Mannen waren mental ausgelaugt und nicht mehr ganz auf der Höhe, was zu einem Tumult im Strafraum führte. Und zwar witzigerweise nach einer Ecke, die Niko Gießelmann nach einem einstudierten Verfahren auf die Birne von Kownacki am kurzen Pfosten servierte, der nach hinten köpfte, wo sich drei Fortunen tummelten. Aus dem Gedränge kam die Pille zurück Richtung Elferpunkt, wo Adams zuschlug und die Lücke zwischen den Beinen und Körpern fand.
Um ehrlich zu sein: Die Führung beruhigte erfahrene Fortuna-Fans kein bisschen, denn irgendwie poppte überall das Halloween-Gespenst des späten, unnötigen Ausgleichs auf. Ja, das wäre fortuna-like gewesen, wenn ein Auer – sammerma – in der 93. Minute die Kugel noch auf F95-Seite eingelocht hätte. Und tatsächlich rissen sich die Erzgebirgler heftig zusammen und begannen das Anrennen. Die Fortuna-Trainer hatten aber schon reagiert und Sobottka für Adam Bodzek herausgenommen, um die Defensive zu stärken, was über alles gesehen auch gelang. Ohne der Mannschaft von Wismut Aue und ihrem Trainer wehtun zu wollen: Spätestens ab der 80. Minute war Rotweiß dem dritten Treffer immer näher als die Violetten dem Ausgleich. Dass in der 84. Jean Zimmer für Thommy kam, war wohl eher ein Spiel mit der Uhr, weil sich die Methodik der Fortunen dadurch nicht im Geringsten änderte.
So also überstand die Mannschaft der Fußballprofis des TSV Fortuna Düsseldorf die zweite Hauptrunde im DFB-Pokal und steht unter den letzten 16 Teilnehmern. Im Klartext: Noch drei Siege, und das Finale in Berlin ist erreicht. Wäre ja auch praktisch, weil man als Auswärtsfahrer gleich eine ganze Woche Berlin-Besuch einplanen könnte, denn das Endspiel findet genau eine Woche nach dem letzten Spiel der Saison bei Union Berlin in der Alten Försterei statt. Es soll Leute geben, die Reise und Unterkunft schon gebucht haben…
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