Transferfenster 2025. Oder: Die Wochen der Spekulatiusbäcker
Meinung · Jedes Jahr dasselbe. Jedes Jahr haben es die Fußballredakteure der lokalen Medien schwer, der Kündigung wegen Arbeitsmangels zu entgehen. Denn die lokale Profimannschaft spielt ja nicht, das Zittern vorm Abstieg ist vorbei, das Bangen um den Aufstieg ebenfalls. ASber, der Fußballgott hatte schon vor Jahren Mitleid mit dieser Spezies und erfand das Transferfenster. Und können die tendenziell Arbeitslosen wieder ihre Existenz durch Spekulatiusbacken rechtfertigen. [Lesezeit ca. 4 min]
Seien wir gerecht: Am fröhlichen Spekulantentum sind natürlich nicht nur lokale Sportredakteure beteiligt; der berühmt-berüchtigte transfermarkt.de featured eine eigene Gerüchtespalte, und Sky News betreibt im linearen Fernsehen sogar eine tägliche Transfershow, bei der Berichterstatter mit dicken Mikrofonen ganz allein vor den Hauptquartieren der Clubs herumlungern und passende Gerüchte plappern. Das ist so witzig wie blöde.
Dass sich aber Menschen für diesen Blödsinn interessieren, ist ein ganz, ganz schlechtes Zeichen, weil es beweist, dass Fußballfreund:innen sich an die beschissenen Begleitumstände des modernen Fußballs gewöhnt haben, dass sie den öffentlichen Menschenhandel ganz normal finden.
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Worum geht’s beim Transferfenster? Holen wir aus: In den meisten ernstzunehmenden Fußballligen sind Profis Angestellte, das Verhältnis zum Club ist durch einen Anstellungsvertrag geregelt. Festgelegt werden in aller Regel nicht nur das Gehalt und die Prämien, sondern auch die Laufzeit – die Verträge sind in aller Regel befristet, enden also, wenn sich die beiden Seiten nicht auf eine Verlängerung einigen. In diesem Fall kann der betreffende Profi zu einem anderen Verein wechseln, der bereit ist, ihn vertraglich zur Mitarbeit im Kader verpflichtet. Der Spieler wechselt in diesem Fall ablösefrei.

Allerdings nur innerhalb des Transferfensters, also eines durch die Verbände festgelegten Zeitraums. In der Winterpause ist dies meistens die Phase vom 1. bis zum 31. Januar, das Sommer-Transferfenster öffnet in der Regel am 1. Juli und schließt am 31. August. Festgelegt wird das von der FIFA; die UEFA übernimmt das, die allermeisten nationalen Verbände ebenfalls. Für Kicker, die keinen gültigen Vertrag haben, gilt in Deutschland, dass sie innerhalb einer Saison nur bis zum Deadline-Tag des Winter-Transferfensters zu einem neuen Verein gehen dürfen.
In aller Regel aber findet ein Profi spätestens nach dem Ende seines Vertrages einen neuen Club – dann wechselt er ablösefrei. Will oder soll er aber trotz eines noch bestehenden Vertragsverhältnisses für einen anderen Verein antreten, muss der aufnehmende Club dem abgebende eine frei verhandelbare Ablösesumme zahlen. Wobei es inzwischen Usus ist, dass die Vereine die geforderte Ablösesumme im Vorhinein festlegen.
Um maximalen Gewinn aus einem Spieler zu schlagen, schließen die Vereine mit Kickern, von denen sie sich einen deutlich steigenden Marktwert versprechen, sehr langfristige Verträge. Die durchschnittliche Laufzeit liegt seit einiger Zeit bei zwei Jahren, etwas weniger Verträge lauten über drei Jahre. Es hat sich eingebürgert, mit Kickern, deren Karriereende absehbar ist, nur noch Ein-Jahres-Verträge abzuschließen. Jungen Talenten aus dem U15- bis U19-Bereich empfehlen Berater inzwischen nicht selten, in ihrem ersten Profivertrag einer Laufzeit von maximal ein oder zwei Jahren zuzustimmen, um die Karriereplanung flexibel zu halten.
Hat nun ein Verein einen sehr vielversprechenden Mann im Kader, der auch schon Erfahrung gesammelt hat, stattet man den nicht selten mit einem Vertrag über vier, fünf oder mehr Jahre ab. Um aber nicht an den Club gefesselt zu sein, lassen die Berater inzwischen gern eine Ausstiegsklausel in den Vertrag schreiben. Die besagt, dass der Club einem Wechsel des betreffenden Spielers zu einem anderen Club auch während der Vertragslaufzeit erlaubt … wenn der aufnehmende Verein bereit ist, eine im Spielervertrag festgelegte Ablösesumme zu zahlen. Genau das ist im Fall von Ísak Jóhannesson passiert.
So geht Spekulatiusbacken
Das alles sollte man wissen, will man verstehen, wie die Spekulatiusbäcker im Transferfenster vorgehen. Sie lassen sich von einem passenden KI-Modell ein paar Listen aufstellen. Zunächst wird ermittelt, auf welchen Positionen der Verein, über den sie berichten, Personalmangel hat. Als nächstes lassen sie sich Aufstellungen aller zum Mangel passenden Spieler erstellen, die ablösefrei wechseln könnten oder vereinslos sind. Dann eine Liste mit den Kickern, für die eine Ablöse zu zahlen ist … die für den Verein, über den sie zu schreiben haben, erschwinglich ist.
Und, schwupps, haben sie das Ausgangsmaterial für ihre Spekulationen. Und dann tun sie so, als säßen sie in einem Infonetzwerk, durch das sie angeblich erfahren, auf welche Spieler der Verein ein Auge geworfen oder angeblich schon gesprochen hat. Wunderbar! Damit kann man zwischen Saisonende und dem 31. August gut und gerne drei, vier Artikel pro Wochen füllen.
In Wahrheit aber sind die fußballgottverfluchten Beraterkonzern Hauptakteure in diesem spekulativen Spiel. Die betrachten ihre Klienten heutzutage wie der Anleger die Wertpapiere. Denn sie kassieren bei jedem Transfer eines von ihnen „betreuten“ Spielers erhebliche Provisionen – die liegen zwischen mindestens 15% der Ablösesumme und der kommenden Gehälter und Prämien bis zu Anteilen am Kicker, die auch noch nach dem nächsten und übernächsten Wechsel Kohle bringen.
Weil die sogenannten „Berater“ heutzutage vor allem Marketing-Fuzzis sind, bedienen sie sich aller Mittel der Kommunikation, auch und besonders der Medienarbeit. Ganz konkret werden viele Wechselgerüchte von interessierten Beraterfirmen absichtlich lanciert, um den für sie profitabelsten Wechsel zu provozieren.
Wir Freund:innen des Fußballs und Fans unseres Vereins können es einfach nicht lassen, im Sinne der Profiteure mitzuspielen, Gerüchte zu kommentieren und weiterzugeben, Wunschspieler zu nennen und – ganz wie die Spochtrepochter – darüber zu spekulieren, ob dieser oder jener Kicker eventuell vielleicht oder warum nicht zur glorreichen Fortuna stößt.
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