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Neue Finanzkrise bei der Fortuna? Versuch einer Diagnose.

Wer erst 2009 im Zuge des Zweitligaaufstiegs oder gar erst zu Fortunas Höhenflug in Liga 1 dazukam, wird kaum wissen, was wirklich dazu geführt hatte, dass die launische Diva ab 2002 in der damals viertklassigen Oberliga gegen Clubs wie Borussia Freialdenhoven, SV Adler Osterfeld und GC Düren kicken musste. Denn eigentlich hatten die Verantwortlichen um Kunstkönner Helge Achenbach und Lichtgestalt Heinz Hessling etwas ganz anderes vor als sie im Jahr 1999 die Vereinsseele gegen ein Linsengericht verkauften die Fernsehrechte für ein Darlehen über 15 Millionen Deutschmark an die Firma Sportwelt des deutschen Medienunternehmers Michael Kölmel verpfändeten. Mit der schnell verdienten Kohle wollten sie durch Ankauf von Topkickern die Fortuna rasch zurück in die Erste Bundesliga bringen, dort etablieren, um demnächst auch wieder im Europapokal zu reüssieren. Was tatsächlich geschah, beschreibt Michael Ryberg von der NRZ so: „Insgesamt 15 Millionen Darlehensmärker von Sportrechteverwerter Michael Kölmel versandeten binnen zwei Spielzeiten – ohne jeden positiven Effekt.“

Was nach dem Fensterwurf der Sportwelt-Milliönchen kam, haben auch nur die älteren Fortuna-Fans quasi am eigenen Leib erfahren. Es waren gar nicht so sehr die Jahre im Amateurbereich, während derer man schon mal vor knapp 2.500 Zuschauer gegen Ratingen im Paul-Janes-Stadion antrat, die wehtaten, sondern die schiere Aussichtslosigkeit, irgendwann mit den Folgen des Kölmel-Darlehens fertig zu werden. Nach mehr als sechs Jahren zäher, teils völlig erfolgloser Verhandlungen gelang dann den Verantwortlichen eine Einigung, die zwar Zinszahlungen bis 2023 beinhaltet, aber immerhin dafür sorgte, dass Fortuna seine Marken- und TV-Rechte wieder selbst vermarkten kann. Dies und eine vom aktuellen kommissarischen Vorstandsvorsitzenden Paul Jäger initiierte Finanzpolitik der ruhigen Hand, brachte den Verein vom Flinger Broich erstmals nach 1999 wieder in eine wirtschaftlich positive Fahrspur.

Der Zuschauerboom der schönen Jahre
Auch ohne überdimensionale Investitionen in Spielertransfers – wie sie aktuell vom Red-Bull-Projekt in Leipzig getätigt werden – gelang es ab der Jahreswende 2007/2008 den Herren Wolf Werner als Sportmanager und Norbert Meier als Trainer einen Kader zu formen, der schon am Ende der Saison fast den Aufstieg in die Zweite Liga erreichte. Der gelang dann im Mai 2009 aus der neuen Dritten Liga. Schon während der Spielzeit erreichten die Zuschauerzahlen unerwartete Höhen; wer auf die Stehplätze wollte, musste froh sein, ein Ticket zu ergattern. Dabei hatte es in der Dritten Liga noch eine Fan-Initiative namens 25.000+ zur Partie gegen Union Berlin am 19.04.2009 gegeben, die mehr als 30.000 Menschen in die Arena lockte. Dass dann der Schnitt nach dem Aufstieg in die Erste Bundesliga am Ende der Saison 2011/2012 stiegen würde, hatte man erwartet, dass am Ende aber eine Zahl größer als 48.000 in der Statistik stehen würde, überraschte dann doch die Auguren. Weil es schon in der Aufstiegssaison oft schwierig war, die gewünschte Eintrittskarte zu bekommen – besonders zu Auswärts- und Pokalspielen – und die Zahl der Dauerkarten begrenzt war, traten in kurzer Zeit Tausende Anhänger in den Verein ein. Statt knapp 3.000 Mitglieder konnte die Fortuna nun mit deutlich über 20.000 Beitragszahlern rechnen.

Beides schlug sich natürlich auf der Einnahmeseite nieder. Viel größer war dann aber der Ertrag aus den Fernsehrechten, der dritten Säule bei der Finanzierung des Lizenzspielerbetriebs eines Fußballvereins. Die vierte Säule stellen Einnahmen aus Sponsorengeldern dar, die fünfte Quelle bildet das Merchandising. Bis zum Aufstieg in die Zweite Liga tröpfelten alle diese Quellen relativ spärlich. Und hätte der verstorbene Oberbürgermeister Joachim Erwin in den Jahren 2005 bis 2007 nicht städtische Unternehmen dazu gezwungen die Fortuna zu sponsern, wäre an eine Existenz oberhalb von Liga Drei kaum zu denken gewesen. Und auf dem Gebiet, auf dem gerade „ärmere“ Vereine die Einnahmen zur Existenzsicherung generieren, herrscht bei F95 schon seit 2013 Ebbe, bei den Transfererlösen.

Sportlicher Misserfolg bringt drastisch sinkende Erträge
Nach dem unglücklichen Abstieg aus der Ersten Fußballbundesliga im Frühjahr 2013 schwamm der Verein geradezu in Geld. Denn zu den enormen Einnahmen aus dem Ticketverkauf und aus Mitgliedsbeiträgen kamen noch die Erlöse aus den TV-Geldern, die von der DFL nach einem festen Schlüssel an die Teams der oberen beiden Ligen verteilt. Die Verteilung wird anhand eines Schlüssels berechnet, der die jeweils letzten fünf Spielzeiten berücksichtigt. Rund um Auf- und Abstieg sieht das für die Fortuna so aus:

Saison 2010/11: ca. 4,0 Mio Euro
Saison 2011/12: ca. 5,6 Mio Euro
Saison 2012/13: ca. 13,7 Mio Euro
Saison 2013/14: ca. 7,8 Mio Euro
Saison 2014/15: ca. 8,9 Mio Euro
Saison 2015/16: ca. 7,3 Mio Euro (Prognose)

Weil es bei den Zuschauereinnahmen und auch bei den Sponsorengeldern in Relation zur Erstligasaison erheblich Einbußen gab, sind die Erlöse im Vergleich um gut 40 Prozent zurückgegangen. Ein größeres Polster konnte sich die Fortuna nicht anfressen, weil man im April so schlau war, das Kölmel-Darlehen komplett zu tilgen. Und trotzdem lag das Budget für die Lizenzspielerabteilung in der Saison 2013/2014 mehr als doppelt so hoch wie in der letzten Zweitligasaison. Dies hauptsächlich ausgelöst durch Spielerkäufe.

Droht eine neue Finanzkrise?
Und plötzlich zeigen sich milde Parallelen zur Situation in der Achenbach-Hessling-Ära: Das verfügbare Geld wurde in den vergangenen drei Jahren ganz offensichtlich nicht sinnvoll oder zumindest nicht erfolgssteigernd eingesetzt – eher im Gegenteil. Nun wird niemand, der bei klarem Verstand ist, den seit 2013 agierenden Vorständen und Aufsichtsräten mutwilliges Verschleudern von Kohle vorwerfen. Dass aber gerade auf den Gebieten Trainer- und Spielerverpflichtungen massive Fehler gemacht wurden, steht außer Frage. So war spätestens nach dem Ausscheiden von Peter Frymuth als Vorstandsvorsitzendem im Oktober 2013 kein Gesamtkonzept für den Verein zu erkennen und schon gar kein sportliches. Hielt die Verpflichtungspolitik von Wolf Werner über Jahre die Waage zwischen sportlichem Anspruch und finanziellen Möglichkeiten, kaufte der Kurzzeit-Sportvorstand Helmut Schulte Kicker nach dem Zufallsprinzip und ließ dann auch noch Trainer Oliver Reck als Sündenbock über die Klinge springen.

Ein Aufsichtsrat ohne jegliche sportliche Kompetenz, der wider jeden gesunden Menschenverstand den bis dahin erfolgreichen Aufsichtsratsvorsitzenden Dirk Kall zum Vorstandvorsitzenden bestimmte, hatte der Planlosigkeit nichts entgegenzusetzen. Das personelle Hickhack nach dem Abstieg und der Entlassung von Trainer Norbert Meier brachte nicht nur sportlichen Misserfolg, sondern haufenweise sinnlose Ausgaben. Noch weist die Fortuna unter den Zweitligaclubs eines der Budgets im oberen Drittel auf, aber das dürfte sich spätestens zum Beginn der kommenden Saison ändern – sofern das Team es überhaupt schafft, den Abstieg zu vermeiden. Mit jeder Saison, in der die Fortuna in der Abschlusstabelle tiefer steht als zuvor, werden die Einnahmen deutlich sinken – über den Daumen gespielt dürften es bei der Summe aus Zuschauereinnahmen, TV-Geldern und Erlösen aus Sponsoring und Merchandising jeweils um mindestens 15, eher 20 Prozent gehen. Bis zum Jahr 2020 könnte der glorreiche TSV Fortuna Düsseldorf von 1895 so wieder auf dem Stand von 2007 oder schlechter angekommen sein.

Was tun?
Viele Vereine haben lernen müssen, dass es eine Milchmädchenrechnung ist, durch massive Investitionen in den Kader den wirtschaftlichen Erfolg über den sportlichen Aufstieg erkaufen zu können. Alle Clubs, die in den vergangenen 15 Jahren nach nur einer Saison wieder aus der ersten Liga abgestiegen sind, wissen davon ein Lied zu singen – das gilt momentan sehr deutlich für den SC Paderborn, Spvgg Greuther Fürth und teils auch Eintracht Braunschweig. Auch der FC St.Pauli verkraftete den Rückschlag zunächst. Aber auch Traditionsvereine, die über längere Phasen erstklassig spielten (1. FC Nürnberg, 1. FC Kaiserslautern, Karlsruher SC, Arminia Bielefeld und MSV Duisburg), gerieten nach Abstiegen in schwere wirtschaftliche Turbulenzen. Nur ein Club sticht aus dieser Liste hervor: der SC Freiburg, der nach keinem seiner Abstiege je in ernsthafte Schwierigkeiten kam.

Was aber ist das Erfolgsgeheimnis der Freiburger? Ein wesentlicher Faktor ist tatsächlich, dass der SC auch Zweitligaspielzeiten nie schlechter als auf Platz 5 abschloss, denn diese „Kontinuität“ sichert die Höhe der TV-Einnahmen, die beim Breisgauer Club Basis der Finanzierung ist. Ebenfalls kontinuierlich entwickeln sich beim SC Freiburg die Zuschauereinnahmen, die unabhängig von der Ligenzugehörigkeit nur sehr gering schwanken. Das gilt merkwürdigerweise auch für die Erlöse aus Sponsoring und Merchandising. Und weil auf der Einnahmeseite alles ungefähr gleich bleibt, ändern sich die Ausgaben auch nur in geringem Maße. Vor allem weil die Freiburger nie in einzelne teure Spieler investieren und deshalb seit fast 15 Jahren immer Überschüsse aus Spielertransfers erzielen. So werden regelmäßig Spieler aus dem eigenen Nachwuchs für ordentliche Summen verkauft, oder Kicker, die erst beim SC bekannt wurden, wechseln mit erheblichem Plus zu größeren Verein im In- und Ausland.

Wie man an den Zahlen seit 2009 sieht, stellt sich das bei der Fortuna vollkommen anders dar. Dem raschen Anwachsen der Einnahmen standen ebenso schnell wachsende Ausgaben entgegen, die nach dem Rückgang der Erlöse eigentlich hätten verringert werden müssen. Dieses – im übertragenen Sinne – „himmelhoch jauchzend, zu Tode betrübt“ sollte man aber nicht den handelnden Personen der vergangenen zwölf, vierzehn Jahre ankreiden, es ist eine fast unvermeidbare Folge der Achenbach-Hessling-Politik verstärkt durch das massive Eingreifen von OB Erwin mit dem Ziel, mit einer erfolgreichen Fortuna den Bau der Arena zu rechtfertigen.

Fragt sich, auf welchem Wege die Fortuna eine Kontinuität in wirtschaftlicher und sportlicher Hinsicht à la SC Freiburg hinbekommt. Zunächst ist klar, dass zur Beantwortung dieser Frage Konzepte erforderlich sind, nicht Köpfe. Zweitens gibt es eine Baustelle, die erheblich zur Langfristgesundung beitragen könnte, wenn sie schnell erfolgreicher wird: die Nachwuchsarbeit. Und zwar eine Nachwuchsarbeit, die nicht bloß das Ziel hat, den eigenen Profikader zu beliefern, sondern mittelfristig auf Transfererlöse setzt und so eine Finanzierungsäule aktiviert. Drittens ist es notwendig, dass Teams in Rot-Weiß antreten, die Zuschauer ziehen. Fußballfans wollen mehr als nur immer Siege ihrer Mannschaft, das ist mittlerweile eine Binse; sie wollen Teamgeist, Engagement, Identifikation, Kameradschaft, Typen, Begeisterung – alles das, was die Aufstiegsmannschaften der Fortuna 2009 und auch 2012 ausgezeichnet hat. Gerade die Anhänger der launischen Diva sind süchtig nach Emotion, wollen sich aufregen können, halten es aus, deprimiert zu sein, und können sich maßlos freuen. Und diese Gefühle muss ein Mannschaft auslösen – ein Beispiel für diesen Erfolgsfaktor liefert seit drei Jahren der SV Darmstadt 98. Heißt: Eine Mischung aus Haudegen und jungen Hüpfern, aus erfahrenen Spielern, die in der Lage sind, ihre frischen Kollegen mitzunehmen, anzuleiten und zu begeistern könnte das Rezept sein. Leihspieler, denen der Verein am Arsch vorbeigeht, gescheiterte Topspieler, die noch ein bisschen Kohle brauchen, und ewige Talente passen in ein solches Konzept nicht. Das Ziel der Kaderplanung sollte also gar nicht so sehr unmittelbar messbarer Erfolg sein, sondern der Aufbau einer Mannschaft, die begeistert.

Selbst nach einem Abstieg in die Dritte Liga könnte mit einer solchen Truppe wieder ein Zuschauerschnitt jenseits der 25.000 erreicht werden. Und danach müsste sich die Fortuna in einem Zeitraum von fünf, sechs Jahren dauerhaft im oberen Viertel der Zweitligatabelle etablieren, um die Einnahmen aus Fernsehgeldern zu stabilisieren. Denn ein realistisches Fernziel für F95 in den Jahren ab 2020 könnte sein, als Fahrstuhlmannschaft im Stile des SC Freiburg den Menschen in Düsseldorf viel Spaß zu bereiten, ohne die Seele verkaufen zu müssen.


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