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Frankfurt vs F95 7:1 – Alles muss hinterfragt werden…


Wenn eine Mannschaft eine solche Klatsche mitten in die Fresse einsteckt, dann heißt es gern, dass alles hinterfragt werden muss. Im bekanntlich recht bescheuerten Fußballdeutsch bedeutet das: Kritisieren bis der Arzt kommt – gern auch respektlos, beleidigend und übergriffig. In der Regel geht es bei dieser perversen Form des Hinterfragens darum, jemanden fertigzumachen. Dabei ist mit dem fraglichen Begriff nur gemeint, alle Aspekte einer Sache zu analysieren, sich von der vorgefassten Meinung und den eingefahrenen Denkmustern zu lösen. In diesem Sinne sind es vor allem die „Fans“, die in den sozialen Medien kurz nach solchen Spielen ihren persönlichen Frust in Scheißestürme gegen das eigene Team ummünzen.

Gern wird dann der dumpfe Blödsinn von der Arbeitsverweigerung abgelassen, Begriffe wie „mutlos“ und „blutleer“ fallen, und es wird gefordert, diesen oder jenen Spieler rauszuschmeißen oder natürlich den Trainer. Das hat mit Hinterfragen nichts zu tun. Hinterfragen sollten sich nach einem Spiel wie dem gestern Abend im Frankfurter Waldstadion zunächst einmal die Fans, die es auch sich nehmen, an einem Freitag um 20:30 einem Auswärtsspiel beizuwohnen, um – je nach Verkehrsmittel – gegen ein, zwei, drei Uhr wieder zuhause zu sein. Die Hinterfrage lautet: Warum machen wir das? Dazu später.

Die eigentliche Spielanalyse gibt es in Kurzform und in einer längeren Version. Kurz: Eintracht Frankfurt war das mit Abstand beste Team, gegen das F95 in dieser Saison bisher antreten musste, und deren Kicker hatten kollektiv einen Sahnetag in der Verlosung gezogen. Dem hatte die Truppe in Weiß nichts entgegenzusetzen, zumal mit dem 1:0 durch einen – mehr als diskussionswürdigen – Elfer der eigentlich gute Spielplan vom Tisch war. So wie einige Frankfurter am oberen Ende ihres Talentrahmens spielten, so wenig gelang das den besonders begabten F95-Kickern. Auf diese Weise entstand ein (mindestens) Zweiklassenabstand, und das Ergebnis geht völlig in Ordnung.

Bitte keine Verschwörungstheorie!

Natürlich ist der DFB in den Augen der Fans eine Fußballmafia und regt zu Verschwörungstheorien an. Aber den nach Videobeweis gegebenen Strafstoß dahingehend zu interpretieren, dass die Verbände was gegen die Fortuna hätten, ist so ähnlich, als seien die Kölner daran schuld, dass es in Düsseldorf kaum noch bezahlbaren Wohnraum gibt. Auch nach mehrfacher Betrachtung der TV-Bilder kann man bei der Meinung bleiben: Nein, das war kein strafbares Handspiel im Sinne der Regeln. Verloren hätten die Fortunen aber trotzdem. Nur: Bis zu dieser ominösen 20. Minute trotzten die Jungs dem aberwitzigen Offensivwirbel der Weltklasse-Frankfurter ziemlich gut – zweieinhalb Chancen für die Gastgeber schlugen zu Buche, und das war aus Defensivsicht an diesem unschönen Abend ein Klassewert.

Funkel hatte auf eine Fünferkette gesetzt, also nicht auf 3 + 2, denn Jean Zimmer und Matthias Zimmerman auf Außen waren nicht mit Offensivaufgaben betraut. Und das war auch gut so, weil beide ihre liebe Mühe mit den ballsicheren, dribbelstarken und kreativen Stürmern des Gegners hatten. Während Zimmermann sich recht gut in diesen Job fügte, wirkte Zimmer – der ja auch auf der für ihn ungewohnten Seite antrat – durchgehend überfordert. Und damit haben wir ein entscheidendes Zauberwort des Abends: Der einzige Kicker mit dem F95 auf der Brust, der NICHT überfordert war, war wieder einmal Michael Rensing im Tor, der hielt, was überhaupt zu halten war. Wenn man das Wort „überfordert“ steigern kann, dann war Adam Bodzek der Überforderste in der Mannschaft. Der arme Adam wusste zwischendurch nicht mehr, wo ihm der Kopf stand. Er konnte einem leidtun, und so war es zu seinem eigenen Schutz, dass er nach der Pause nicht mehr auf den Platz kam.

Sie waren überfordert

Ungewohnt überfordert erschien Kaan Ayhan, von dem man eine solche Leistung nicht gewohnt ist. Der gute Kaan hatte den bewundernswerten Mut, in einem Interview nach der Partie klarzustellen, dass er eine miserable Leistung dargeboten hatte und deshalb einen großen Teil der Schuld an dieser Klatsche trug. Chapeau, Kann – von dir könnten sich manche Hummels-Schnösel mehrere Scheiben abschneiden! Ob Marcel Sobottka überfordert war oder einfach nur einen Scheißtag hatte, lässt sich im Nachhinein nicht feststellen, dass der freundliche Marcel aber nach dem 2:0 für die Gastgeber, sich zu verstecken, kennt man so auch nicht von ihm. Über alles dürfte Marcin Kaminski der beste Fortuna der Partie gewesen sein, obwohl er an mindestens zwei Gegentoren beteiligt war. Zusammengerechnet kann man sagen, dass im Waldstadion zum ersten Mal in dieser Saison die Abwehr das Spiel verloren hat, denn bisher war es ja so, dass der Angriff die Spiele nicht gewonnen hat.

Reden wir ganz kurz über das Traumtor des Mr. J. im schwarzweißen Dress, das zum 2:0 führte. Ballannahme in der Luft, Schuss in Form eines Seitfallziehers, präzise in die Maschen – schöner geht’s kaum. Dass der nämliche Herr J. danach weitere vier Mal netzte, war der Schlüssel zur Klatsche; ohne den hätte die Fortuna auch verloren, aber vermutlich nicht in dieser Höhe. Allerdings darf man einen solchen – wie sagte man früher? – Goalgetter auch nicht einfach so zum Schuss kommen lassen. Beim 6:1 steht der Typ mit dem Rücken zum Tor und hat zwei Fortunen vor sich, die es nicht schaffen, ihn an der Körperdrehung und dem präzisen Schuss zu hindern – Gerd Müller revisited.

Hauptproblemzone Sturm

Das 3:0 zum Ende der ersten Halbzeit war angemessen, Gelegenheiten zu Gegentreffern gab es so gut wie keine. Bis auf die in der 43. Minute, in der Marvin Ducksch zum allerersten Mal so angespielt wurde, wie ein Knipser anzuspielen ist, dies als Ergebnis einer feinen Kombination. Aber weil der nette Marvin aktuell Scheiße am Schlappen hat, konnte der Keeper den gar nicht soooo schlechten Schuss abwehren. Womit wir bei der Hauptproblemzone der Fortuna in der aktuellen Phase der Saison sind: dem Sturm. Dass Benito Raman sich eine glatte 6 erspielte, geschenkt: Der ist jung, der ist kein bisschen abgezockt und leider unter Konzentrationsstörungen. Bei Ducksch wird es immer unwahrscheinlicher, dass er seine Torschützenkarriere aus der zweiten Liga diese Saison wird fortsetzen können. Dabei kann er gar nicht so viel dafür, weil er einfach viel zu wenig steile Pässe oder Flanken in schussgünstige Positionen bekommt, die er sehr wohl regelmäßig aufsucht.

Überfordert erschien auch Kevin Stöger, der auf seiner Lieblingsposition ran durfte und deutlich weniger für die Ballverteilung tat als sein Kollege Alfredo Morales. Allerdings bescheinigt die offizielle Statistik sehr gute Laufleistungen nahe der 12 Kilometer und ausgesprochen geringe Fehlpassquoten. Überhaupt spricht die Statistik im Hinblick auf das Endergebnis nur in einem Punkt eine eindeutige Sprache: Das Verhältnis der gewonnenen Zweikämpfe lag am Ende bei 60:40 für die Frankfurter. Diesen Wert muss man jedoch auch noch interpretieren. Von zehn Begegnungen eines Spielers in Ballbesitz auf Seiten der Frankfurter wurden sechs gewonnen. Das lag – wie meisten bei solchen statistischen Daten – daran, dass die F95-Kicker in solchen Situationen zu spät eingriffen.

Nicht aggressiv genug

Und wenn, dann durchweg nicht aggressiv genug. Ja, man kann eine solche Spielweise auch als fair bezeichnen, aber gerade, wenn man einer dermaßen überlegenen Offensiv gegenübersteht, muss man auch zum Foul greifen, um den Wirbel ab und an einmal zu stoppen. Nur 14 Fouls (bei 13 des Gegners) sprechen da eine eindeutige Sprache. Vielleicht hatte das Trainerteam diese Sache auch in der Halbzeitpause angesprochen. Vielleicht hatte auch jemand gebrüllt „Wir machen das jetzt wie Leverkusen bei uns!“ Jedenfalls standen die Herren in Weiß als erste wieder auf dem Rasen, und Funkel hatte einen Doppelwechslung samt Systemumstellung angeordnet. Für Bodzek und Sobottka kamen Aymen Barkok und Dodi Lukebakio. Mit Zimmermann, Ayhan, Kaminski und Zimmer gab es nun eine waschechte Viererkette, Stöger, Morales und Barkok bildeten das Dreiermittelfeld und aus der Kombi von Dodi, Raman und Ducksch wurde tatsächlich eine Dreifachoffensive.

Das hätte so auch gutgehen können, wäre nicht schon in der 50. Minute das unglückliche 4:0 gefallen. Beim Versuch, das Ei zu blocken, schiebt es Zimmer einem Frankfurter vor den Schuh, der einfach mal Rensing überlupft. Bis zu diesem Zeitpunkt hatte die Fortuna beinahe schon das Heft des Handelns in der Hand. Dodi wirbelte wie blöde auf rechts, Ducksch stand nun öfter richtig, und selbst Raman versuchte, in die Flanken zu laufen. Außerdem standen wahlweise Zimmermann, Morales, Stöger und auch Barkok in Strafraumnähe, um eventuell zweite Bälle für Fernschüsse zu nutzen. Auch das feine Tor von Dodi zum 4:1 konnte die Sache nicht mehr retten, weil eben wieder dieser Spieler J. im Gegenzug Tor Nr. 5 für seine Farben eintütete. Bezeichnenderweise als Ergebnis eines Konters, denn die Frankfurter hatten sich zurückgezogen und setzten nur noch aufs Umschaltspiel.

So fängt man sich Konter

So fielen auch das sechste und das siebte Tor. Und spätestens mit dem Treffer Nr. 6 hatten die Gastgeber den Fortunen auch noch den letzten Zahn gezogen. Die zu Beginn der Spielhälfte noch gut aussehenden Spielzüge wurden immer weniger, während der Gegner bei Bedarf ein bisschen vor sich hin kombinierte, und ab 75. Minute hofften die mitgereisten Liebhaber der glorreichen Fortuna nur noch, das Ding möge ohne weitere Schmerzen zu Ende gehen. So gab es dann auch noch Chancen für einen achten oder gar neunten Gegentreffer. Das Schlimmste blieb also sowohl den Spielern, als auch den Fans erspart.

Zurück zur Ausgangsfrage: Warum tun wir Fans uns das an? Vermutlich ist die Hoffnung das wichtigste Motiv, das Team auswärts durch Anwesenheit und Anfeuerung zu unterstützen. Und zwar nicht unbedingt oder nicht immer die Hoffnung auf den Sieg, sondern eher die Hoffnung auf das unsterbliche Erlebnis. Da ist ein 5:5 in Braunschweig natürlich viel mehr wert als ein öder 1:0-Auswärtssieg gegen irgendein langweiliges Team. Verrückt genug, aber auch solche Klatschen sind der Stoff, aus dem die ewigen Geschichten werden. Weißt du noch, heißt es dann, wie wir in Frankfurt sieben Dinger kassiert haben? Jau, und weil die Bahnstrecke bei Montabaur gesperrt war, musste der Zug einen Umweg fahren, und dann sind wir um eins in Köln gestrandet.

Der alternativlose Hintergedanke

Hinterfragen heißt verstehen, warum etwas so oder so ist. Das Fortuna-Team der Saison 2018/19 zu hinterfragen, heißt zu verstehen, dass die Qualitätssumme aller anderen Mannschaften (soweit man sie in Geld messen kann) deutlich höher ist – im Fall von Frankfurt etwa im Verhältnis 4:1, selbst bei den ebenfalls nicht reichen Vereinen wie Freiburg, Nürnberg oder Mainz liegt dieser Wert immer bei wenigstens 1,8:1. Das ist der Grund dafür, dass F95 dieses Jahr keinen Gegner vom Platz wird fegen können, und das ist der Hintergedanke dessen, was Friedhelm Funkel spielen lässt: team-betonten Fußball mit Leidenschaft. Bei allem Hinterfragen: Dieser Ansatz ist alternativlos, ob uns das gefällt oder nicht.

So wie der gute Kaan Ayhan aber seine persönliche Leistung dieser denkwürdigen Partie öffentlich hinterfragt, so muss sich jeder Spieler mit dem F95 über dem Herzen, der gestern auf dem Rasen zugange war, zumindest im Stillen die Frage stellen: War ich so gut wie es mir möglich ist? Und: Hab ich alles gegeben, was ich habe? Sowie: Woran muss ich arbeiten, welche Fehler muss ich abstellen, welche Stärken muss ich ausbauen? Es sieht so aus, als habe dieses Team den Geist, der jedem einzelnen dieses Hinterfragen ermöglicht. Das macht Hoffnung.


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