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5 Fragen an…: Tim Greiner Mai – ein halbes Jahr F95-Aufsichtsrat

Es wird im Dezember 2006 gewesen sein, dass ich Tim, den sie gern den Ameisenman nennen, als Fortuna-Fan kennengelernt habe. Auf dem Parkplatz am Wersestadion in Ahlen, wo sich F95 eine 4:1-Klatsche fing und die Ordnungshüter meinten, zwischendurch mal in den Fortuna-Block zu stürmen. Gesprächsweise kannte ich ihn schon als Mitarbeiter seines damaligen Arbeitgebers, mit dem ich seinerzeit zu tun hatte. So geht das in Düsseldorf: Jede*r ist mit jedem irgendwie über die Fortuna verbunden. Und wenn man sich erst einmal in seiner Eigenschaft als F95-Fan kennt, dann trifft man sich unvermeidlich immer wieder. Zum Beispiel auf der Süd. Über Jahre haben wir oft und gern vor dem Spiel ein Schwätzchen gehalten, wenn Tim auf dem Weg nach oben an meinem Stammplatz im Block 41 vorbeikam.

Tim mit antiker Fortuna-Mütze (Foto: privat)
Tim mit antiker Fortuna-Mütze (Foto: privat)
Zu Karneval übrigens gern in phänomenalen Kostümen – zum Beispiel als Spiderman mitsamt Spinnenmaske. Oder auch mal im Originaltrikot eines hierzulande völlig unbekannten englischen Fünft- oder Sechstligisten oder ausgestattet mit antikem Fortuna-Fan-Zubehör. Der Mann scheint Sammler zu sein – nicht nur von Whiskys; dafür ist er in der Fanszene inzwischen bekannt. Bekannt ist er vor allem aber als Gründungsmitglied einer der ersten F95-Ultra-Gruppierungen, den legendären Lost Boyz Flingern von 1999.

Unter den Vereinsmitgliedern ist er ebenfalls schon seit Jahren wohlbekannt, zumindest unter denen, die an den Jahresmitgliederversammlungen teilnehmen. Denn der Tim hat regelmäßig Anträge gestellt, deren Sinn es immer wieder war, die Identität der glorreichen Fortuna zu bewahren. Und nun haben ihn die Fortunen – im zweiten Anlauf – vor einem halben Jahr in den Aufsichtsrat gewählt. Dass in diesem entscheidenden Gremium sogenannte „Fan-Vertreter“ sitzen, hat Tradition und lässt sich bis auf die berühmte Montagsrunde der frühen Nullerjahre zurückführen – Dr. Dagmar Starke und Marcel Kronenberg gehören in diese Riege. Und nun Tim Greiner Mai, dessen Tochter den Aufstieg 2018 im Bauch von Mutter Melanie erlebt hat, also schon vorgeburtlich auf die Fortuna geprägt wurde. Ihn in unserer 5-Fragen-Reihe vorzustellen, war mir ein großes Bedürfnis.

[1] Von den Lost Boyz Flingern (LBF) in den Fortuna-Aufsichtsrat – wie fühlt sich eine solche „Karriere“ an?
Ob dies eine Karriere ist, bleibt noch abzuwarten. Aber in der Tat habe ich mich sehr gefreut, dass mich die Mitgliederversammlung so eindeutig gewählt hat. Die Stimmen kamen nicht nur aus Reihen der aktiven Fanszene, sondern aus allen Bereichen der Mitglieder. Das weiß ich sehr zu schätzen.
Bei vielen Menschen, die den Fußball lieben, gibt es einen Konsens, dass die Entwicklung im Profifußball falsch ist. Die Liste der Probleme reicht von überteuerten Tickets über irrwitzige Ablösesummen bis hin zu den Anstoßzeiten. Das DFB-Pokalfinale um 20:45 Uhr ist ein konkretes Beispiel – sind Kinder als Zuschauer nicht mehr gewünscht?
Diese Liste kann man beliebig weiterführen. Daher ist es wichtig, dass Fans in den Aufsichtsräten vertreten sind, nicht nur bei Fortuna, sondern auch bei allen anderen Vereinen. Ihre Aufgabe ist es, dass die Proficlubs nicht den Bezug zu ihren Wurzeln und ihren langjährigen Anhängern verlieren. Darüber hinaus können Fans in der Regel aber auch jede Menge Erfahrung und Kontakte einbringen.

Tim (3. v.l.) und seine Kumpanen von den Lost Boyz Flingern vor vielen, vielen Jahren (Foto: privat)
Tim (3. v.l.) und seine Kumpanen von den Lost Boyz Flingern vor vielen, vielen Jahren (Foto: privat)

Ich bin glücklich, mich dieser Aufgabe nun für drei Jahre bei meiner Fortuna widmen zu können. Natürlich hatte ich mir den Start auch anders vorgestellt. Seit meiner Wahl gab es noch kein Spiel mit Zuschauern und auch vieles andere fällt in Corona-Zeiten eher schwer. Trotzdem sind bereits viele Kontakte und Ideen entstanden. Doch am meisten wünsche ich mir, dass in der kommenden Saison die Zuschauer und damit die Freunde und die Emotionen ins Stadion zurückkehren.

[2] Apropos LBF: Wie und wann ist diese Ultra-Gruppierung eigentlich entstanden?
Unsere Gruppe gibt es bereits seit 1999. Gegründet wurde sie im Wohnzimmer meiner WG. Das war nach dem Abstieg in die Regionalliga in sportlich schweren Zeiten. Es kamen kaum noch Zuschauer ins Stadion und die Stimmung war eher bescheiden.

Tim (3. v.l.) und zwei andere Fans beim Aufstieg 2004 (Foto: privat)
Tim (3. v.l.) und zwei andere Fans beim Aufstieg 2004 (Foto: privat)

Unser primäres Ziel war es anfangs, den Support bei den Heim- und Auswärtsspielen zu bündeln und die Leute zu erreichen, die noch Bock hatten. Es ging auch um lockere Absprachen, wo man steht, wie man fährt und was man vorhat. Wir waren damals die erste Ultragruppe in Düsseldorf und haben uns schnell einen Namen gemacht – auch über die eigene Fanszene hinaus.
Ein Jahr später waren die Lost Boyz Gründungsmitglieder der Ultras Düsseldorf. An dieser Stelle nochmal nachträglich „Herzlichen Glückwunsch“ zum 20-jährigem Bestehen. Schade, dass die große Geburtstagsparty im vergangenen Jahr ausgefallen ist. Ich hoffe sehr, dass sie bald nachgeholt werden kann.

[3] Du hast dich in den letzten Jahren regelmäßig mit Anträgen auf den F95-Jahresmitgliederversammlungen engagiert – wie kam es dazu?
In erster Linie aus eigenem Interesse. Über viele Jahre war ich sowohl zu Hause als auch auswärts bei praktisch jedem Spiel dabei. Aber ich habe gemerkt, dass ich den Fußball, so wie er sich entwickelt, nicht mehr mag. Bereits seit den 90er-Jahren steht das Ausmaß der Kommerzialisierung des Fußballs bei vielen aktiven Fangruppen in der Kritik. Vieles, was damals schon skizziert wurde, bewahrheitete sich in den letzten Jahren. Als Beispiele seien hier die Anstoßzeiten und der Einfluss von Sponsoren und Investoren genannt. Passend dazu erschienen Clubs wie Hoffenheim oder Leipzig auf der Bildfläche.
Die negativen Entwicklungen bei anderen Vereinen wollte ich bei uns verhindern. Zusammen mit Freunden habe ich dann Anträge gestellt, die auch immer alle angenommen wurden. Einer davon führte zum Beschluss, dass die Trikots – soweit möglich – in den Vereinsfarben zu halten sind. Dieser Antrag wurde dann sogar von anderen Vereinen angefragt und teilweise übernommen, zum Beispiel von Dynamo Dresden oder dem KFC Uerdingen.

Tim und Oliver, der ihn zum Whisky gebracht hat (Foto: privat)
Tim und Oliver, der ihn zum Whisky gebracht hat (Foto: privat)

[4] Wie wünschst du dir den Verein TSV Fortuna Düsseldorf 1895 in 10 Jahren?
Ich wünsche mir, dass wir weiterhin ein zu 100 Prozent mitgliedergeführter Verein sind. Bei uns geht es ja gar nicht um 50+1, sondern wir wollen die 100 behalten, ohne irgendetwas abzugeben. Wenn das in 10 Jahren immer noch so ist, wäre schon viel erreicht.
Darüber hinaus habe ich natürlich auch Wünsche und Visionen. Wie wäre es damit: Im Jahr 2031 hat sich Fortuna Düsseldorf in der 1. Liga etabliert – auch dank erfolgreicher Nachwuchsarbeit – und das Fortuna-Frauenteam spielt international. Etwas mehr Nachhaltigkeit, möglicherweise sogar Klimaneutralität, würde uns sicher gut zu Gesicht stehen. Gerade mit Blick auf die Europameisterschaft 2024 in der Arena kann man da schon jetzt einiges bewegen.

[5] Du bist als großer Whisky-Kenner bekannt – wie bist du auf dieses Thema gekommen?
Durch meinen Freund Oliver Schlegel, der auch Mitglied der Lost Boyz Flingern ist. Auf einer der zahllosen Auswärtsfahrten zurück aus dem Osten der Republik kam das Gespräch irgendwann auf Whisky. Oliver ist immer mehrmals im Jahr nach Schottland gefahren. Irgendwann fing er an, mir Samples mitzubringen, das sind kleine Whisky-Proben. So begann meine Leidenschaft. Den Anfang machten drei Standard-Abfüllungen im lokalen Getränkemarkt, mittlerweile besitze ich unzählige Fassanteile bei einem kleinen Whiskyhandel (www.thecaskhound.de). Dieser wird von Fortuna-Fan Tilo Schnabel betrieben. Er war mit seiner Band „Die dicken Mädchen“ und dem Lied „Fortuna“ auf unserer CD „5 Jahre Lost Boyz Flingern“ zu hören. Irgendwie steht dann doch wieder alles mit Fortuna in Verbindung. Insgesamt habe ich jetzt um die 150 Flaschen zu Hause stehen und ca. 100 bis 150 sind in Bestellung für die nächsten 5 Jahre durch die Fassanteile. Das ist aber im Vergleich zu den richtigen Sammlern eine sehr bescheidene Anzahl.

Tim, der Whisky-Liebhaber und -Kenner (Foto: privat)
Tim, der Whisky-Liebhaber und -Kenner (Foto: privat)

Falls jemand für den Einstieg eine Empfehlung benötigt, hier drei Whiskys für den Start: Zwei Standards, die es in fast jedem Getränkemarkt gibt, sind „Laphroaig Quarter Cask“ (Rauchig) und „Glenfarclas 12 Jahre“ (süßlich). Falls reisen mal wieder möglich ist, dann schaut im Duty Free ruhig mal nach dem „Aberlour 12 Jahre Sherry Cask“ in der 1-Liter-Flasche. Das sind alles Einsteiger im Preisbereich von 25€ bis 40€.


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