Fortuna und das NLZ: Vom Talent zum Profi zum Star
Der Weg vom Talent zum Profi ist im Fußball lang und beschwerlich – das vergessen manche, wenn sie auf Spieler des eigenen Clubs eindreschen.
Bericht · Ja, doch, unser geliebter Fußball ist nicht nur Sport, sondern leider auch Geschäft. Der geschäftliche Erfolg hängt ganz wesentlich von der Finanzierung ab und die wiederum vom sportlichen Erfolg. Für den sportlichen Erfolg eines Vereins aber sorgen in erster Linie die Kicker, aber natürlich auch die Trainer und Betreuer sowie der sonstige Stab. Für Vereine wie unsere glorreiche Fortuna, die aufgrund der Historie der vergangenen gut 40 Jahre finanziell nie auf Rosen gebettet war, sind die Transfererlöse eine zunehmend wichtige Säule der Finanzierung. Das haben die Vereinsverantwortlichen vor etwa zwölf Jahren in voller Breite erkannt und eine Menge Energie in die Nachwuchsförderung gesteckt. Die Idee dahinter – die natürlich auch fast alle anderen Clubs im bezahlten Fußball hatten und haben – ist, Talente früh zu identifizieren, gezielt zu fördern, an das Profiteam heranzuführen, sie dort weiterzuentwickeln, um sie dann irgendwann für gute Ablösesummen an reichere Vereine abzugeben. Soweit das Prinzip. In der Praxis steht das Nachwuchsleistungszentrum (kurz: NLZ) am Flinger Broich im Zentrum dieses Geschäftszweigs. [Lesezeit ca. 6 min]
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Seit September 2016 leitet Frank Schaefer das NLZ, seit November 2019 in der Funktion als NLZ-Direktor. Unter seiner Ägide hat die Fortuna ein durchgehendes Konzept für die Nachwuchsarbeit geschaffen, das nun schon seit mehr als drei Jahren konsequent umgesetzt wird. Dies beinhaltet nicht nur die sportlichen Aspekte, sondern hat auch die menschliche, charakterliche Entwicklung der Spieler im Fokus. Und weil Fußball gerade Kinder und Heranwachsenden vor allem Spaß machen soll, steht der Leistungsgedanke erst ab der U17 wirklich im Mittelpunkt. Konsequenterweise nehmen F95-Teams der Altersklassen U9, U10 und U11 seit 2019 nicht mehr am Ligabetrieb und am Pokalwettbewerb teil.
Die C-Junioren (U14/U15) spielen in der Regionalliga West, die U16 in der Niederrheinliga. Die B-Junioren (U17) mit Trainer Jens Langeneke erreichten gar das Halbfinale um die Deutsche Meisterschaft. Dass Fortuna Düsseldorf in der Region überhaupt wieder eine bedeutende Rolle im Nachwuchsfußball einnimmt, hat eine Menge mit dem Bau des NLZ zu tun, das Anfang 2019 nach extrem kurzer Bauzeit eröffnet wurde – verantwortlich für die reibungslose, schnelle Umsetzung dieses wunderbaren Projekts war Sven Mühlenbeck, der schon seit so vielen Jahren für die Fortuna arbeitet und mittlerweile Direktor Organisation und Spielbetrieb ist.
Wir Fußballromantiker träumen ja immer noch vom treuen Spielen, der das Kicken bei der Fortuna lernte, alle Jugendmannschaft durchlaufen hat, um dann in der ersten Mannschaft groß rauzukommen und dann bis zum Karriereende Fortune zu bleiben. Kommt schon lange nicht mehr so vor. Selbst bei den Legenden der vergangenen zwanzig Jahren wie Lumpi Lambertz und Axel Bellinghausen verlief der rotweiße Weg nicht gradlinig. Axel kam beispielsweise mit 15 von Bayer Leverkusen, spielte bis 2002 in der U17 und U19, um dann gerade mal drei Jahre in unserer Ersten anzutreten. Nach Ausflügen zu K’lautern und Augsburg kehrte er nach sieben Jahren zurück, um bei F95 noch einmal sechs Jahre bei den Profis zu spielen. Lumpi, geboren in Dormagen, begann in Gladbach und kam nach einem einjährigen Gastspiel beim VfR Neuss zur Fortuna.
Untypisch fürs aktuelle Fußballgeschäft ist unser Riesentalent Daniel Bunk, der aus Wuppertal stammt, aber sein ganzes (kurzes) Fußballleben bei der Fortuna verbracht hat. Mit acht Jahren kam er zu F95, durchlief seitdem alle U-Mannschaften und hat seit Dezember 2020 einen Profivertrag. Mit 14 kam Shinta Appelkamp auf direktem Wege aus Japan zu F95 und ist bis heute dabei. Gegenbeispiel Elo Fernandes, der Schlaks aus der U17, der im diesjährigen Trainingslager für Aufsehen sorgte. Der kam erst im vergangenen Jahr von Fortuna Köln zu uns und wird bei der wahren Fortuna nach Kräften gefördert.
Im Prinzip ist der Weg, den Elo eingeschlagen hat, typischer als der von Bunki, denn Spieler, die sich schon im Alter von 14, 15, 16 dafür entschieden haben, nach Möglichkeit Profifußballer zu werden (oder für die ihre Eltern entsprechend entschieden haben…), suchen natürlich nach der bestmöglichen Ausbildung bei einem Verein, der ihnen auch eine Karriere in den oberen zwei Bundesligen bieten kann. Dieses Prinzip ist gerade im Fußball bei uns in der Region schon seit Jahrzehnten üblich und hat dazu geführt, dass die „großen“ Clubs, die mit der Europapokalhistorie, die Mehrfachmeister, also der Äff-Zeh, Gladbach, Schalke und Dortmund, die Talente im weiten Umkreis aufgesaugt haben.
Genau mit dieser Entscheidung in einem Alter, wo die meisten Jungs nicht mehr Feuerwehrmann oder Lokführer, aber auch noch nicht Arzt oder Jurist werden wollen, beginnt der Weg vom Talent zum Profi; einer Entscheidung, die beileibe nicht nur das Sportliche betrifft, sondern in ganz starken Maße die schulische Ausbildung. Denn mit Eintritt in die zehnte Klasse müssen die zukünftigen Berufskicker entscheiden, ob sie mit dem Zehnte-Klasse-Abschluss abgehen oder doch das Abitur anstreben wollen (was übrigens die meisten tun). Kann einer doll kicken, steht aber in der Schule oft kurz vor dem Abstieg, wird er es mit „Mittleren Reife“ bewenden lassen. Bis vor ungefähr 25, 30 war es beinahe der Normalfall, dass ein Kicker, der kein Abitur machen wollte, nach dem Schulabschluss eine Lehre begann – gern bei einem der Sponsoren. Heute ist es dagegen keine Seltenheit, dass sich ein 16-Jähiger nach der zehnten Klasse ganz auf den Fußball konzentriert.
Bis dahin wird aber schon kräftig gesiebt. Weder der DFB, noch einer der Regionalverbände hat eine belastbare Statistik, aus der sich die Quote der Jungs ergibt, die es bis in den bezahlten Fußball schaffen, also für Geld in einer der obersten vier Liegen kicken. Wobei: Natürlich wissen wir alle, dass auch in einer Verbands- oder Landesliga Geld an die Kicker fließt, nicht selten sogar in den Ligen darunter. Euer Ergebener hat mal bei ein paar Trainern im Nachwuchsbereich nachgefragt. Die Antworten lassen sich in etwas so zusammenfassen. Bis zu den U15-Mannschaften (C-Jugend) bleibt die Zahl der Spieler in etwa gleich – es gibt natürlich regelmäßig Abgänge aus verschiedenen Gründen, aber es kommen auch neue Buben dazu – je bedeutender ein Club in seiner Region ist, desto stabiler bleibt die Anzahl.
Zwischen der U15 und der U17 aber hören nicht wenige Burschen mit dem Kicken auf oder wechseln zu einem anderen Verein mit geringeren Ambitionen. Und wer als B-Jugendlicher auf regionalem oder bundesweitem Niveau spielen will, der ist dann – zumindest wünscht er sich das – auf dem Weg zum Profi … oder eben zu einem Kicker in einer Liga unterhalb der Regionalliga, wo er neben dem Beruf etwas dazuverdienen kann. Zwischen der B- und der C-Jugend wird bei allen Vereinen, die im Nachwuchsbereich und/oder bei den Senioren oben mitspielen wollen, gesiebt. Da kann es dann vorkommen, dass man einem 15-Jährigen sagt, er solle seine Zukunftspläne überdenken, für eine Profikarriere dürfte es nicht reichen. Und ab dieser Stelle wird es hart, weil spätestens jetzt jeder Jugendliche mit ernsthaften Ambitionen sein Leben voll und ganz auf den Fußball ausrichten muss.
Das sei auch diesen gnadenlosen Kritikern ins Stammbuch geschrieben, die Kicker gern mal als Graupen oder Versager betiteln und damit nicht einmal bei Jungs unter Zwanzig haltmachen. Da gehen Kerle im Alter von 15, 16 Jahren in Bezug auf ihre berufliche Zukunft all-in, da setzen sie auf den Fußball, ohne Netz und doppelten Boden. Ja, natürlich mit der Aussicht, aus dem, was sie immer schon am liebsten getan haben, einen Beruf zu machen und zwischen 20 und 30 im Idealfall das Vielfache dessen zu verdienen, was Altersgenossen mit normalen Jobs so in der Lohntüte haben. Kann schief gehen und wird schiefgehen. Die befragten Betreuer schätzten unisono, dass es von zehn ehrgeizigen B-Jugendlichen einer schafft, eine nennenswerte Profikarriere zu starten und durchzuziehen. Und wenn einer es mit – sagen wir – 19 Jahren in einen Profikader geschafft hat, heißt das noch lange nicht, dass er zum Star wird.
Ob er nicht bloß ein paar Jahre mitschwimmt, sondern sich einen Namen macht und von anderen Clubs umworben wird, hat oft mit seiner sportlichen Leistung am wenigstens zu tun. Glück spielt eine Rolle, dass er weitgehend verletzungsfrei bleibt, dass er unter den richtigen Trainern arbeitet, dass er in nationale Auswahlmannschaften berufen wird, dass ihn seine Familie, seine Freunde unterstützen, dass er Berater hat, die es gut mit ihm meinen, dass er in den Vereinen landet, bei denen er sich wohlfühlt. Das sind die Faktoren, die aus einem Profi einen erfolgreichen Profi machen. Ein Star wird dann einer, dem Besonderes gelingt, der mit seinem Club Meister wird oder Pokalsieger, der außerdem vor offenen Mikrofonen halbwegs vernünftig reden kann. Zum Star wird ein Spieler in der Ära, in der die mediale Verwurstung bei der Bewertung von Menschen die Hauptrolle spielt, nur in einem der großen Teams, denn nur dort wird er gesehen und als Star wahrgenommen.
Das ist der Weg, den ein Junge von vielleicht zehn Jahren einschlägt, ohne zu ahnen, wohin er führt, den ein Jugendlicher mit 15, 16 Jahren bewusst wählt und den er auf die eine oder andere Weise für die kommenden fünfzehn, zwanzig Jahre gehen wird. Und die Vereine? Die sind heutzutage nicht nur deswegen an Talentsichtung und Nachwuchsförderung interessiert, um ihre jeweilige erste Mannschaft zu stärken, sondern eben auch, um „Kapital“ aufzubauen, um Profis zu generieren, die sie dann an Clubs verkaufen können, wo sie dann eventuell Stars werden.
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