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Fortuna-Punkte: Röttgermann vs Rummenigge – die Gegenstimme

Meinung · Man möchte es den Tastaturkrakeelern, die aus unerfindlichen Gründen so oft und laut den Rausschmiss des F95-Vorstandsvoritzenden fordern, gern mit Edding auf die Stirn schreiben: Thomas Röttgermann ist nur einer von zwei Köpfen im deutschen Fußball, die den Plänen des Rummenigge zur Zementierung der finanziellen Ungerechtigkeit, öffentlich und vehement widersprochen haben. Der andere ist der von Andreas Rettig. Schon seit mindestens anderthalb Jahren äußert sich Röttgermann auf vielen Kanälen zum Thema und hat mit seinen Argumenten viel Gehör gefunden. Wer von den fortunistischen Tastaturrecken dem mit dem blöden Spruch antwortet, der solle mal lieber für sportlichen Erfolg sorgen, hat vom Zustand des Bundesligafußball null Ahnung. [Lesezeit ca. 4 min]

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Bekanntlich hat der gelernte Sparkassenbeamte mit der begrenzten Intelligenz dieser Tage einen sogenannten „G15-Gipfel“ angeordnet, zu dem aber nur 14 Erstligisten und der am Kühne-Tropf röchelnde HSV teilnehmen durften. Beschlossen wurde da nichts, und Beobachter sagen, es habe nicht einmal Diskussionen gegeben. Ziel der FCB’schen Machtdemonstration: Einschwören der superreichen, reichen und wohlhabenden Clubs auf den Status quo bei der Verteilung der Fernsehgelder. Nicht eingeladen waren die vier Erstligisten, die sich einem Positionspapier angeschlossen hatten, das so ziemlich genau der Argumentation von Thomas Röttgermann folgt und zur Diskussion um die Veränderung der Verteilung aufruft sowie alle Zweitligisten (bis auf den HSV), weil die das auch so finden.

Wir müssen jetzt den Schlüssel des Grauens gar nicht im Detail betrachten. Fakt ist, dass die Unterschiede in der Zuteilung der Kohle ungefähr der des Wohlstands in der Bevölkerung entspricht. Da werden die Superreichen auch immer reicher und die Armen immer ärmer. Zu den Armen zählt auch unsere innig geliebte Diva. Während die ganzen DFL-Franchises mit den in Kapitalgesellschaften ausgelagerten Spielbetriebsunternehmen mit teils abenteuerlichen Fremdinvestitionen arbeiten und – um den Investoren irgendwann satte Profite zu liefern – im Stile von Börsenspekulationen auf die Teilnahme an den europäischen Pokalwettbewerben wetten, hat sich Fortuna Düsseldorf als mitgliedergeführter und eingetragener Verein für solides Wirtschaften ohne Fremdkapital entschieden.

Finanziell betrachtet schwächt das unseren Verein – in Relation zu vielen anderen. Dass F95 in der laufenden Saison einen der höchsten Etat der zweiten Liga verballern kann, ist den zwei Jahren Mitgliedschaft in Liga Nummer 1 geschuldet. Und genau das illustriert das Prinzip der Ungleichheit: Ein Club verdient dank der ausgeschütteten TV-Gelder selbst als armes Würstchen so viel in der obersten Spielklasse, dass er allein dadurch nach einem Abstieg einen Wettbewerbsvorteil hat. Ausgenommen die Vereine, die spekuliert und außer den real zu erwartenden Einnahmen auch noch fremdes Geld verbrannt haben.

Röttgermanns Idee (die er nicht exklusiv hat) ist es, den Schlüssel, nach dem die Einnahmen aus den Broadcasting-Rechten unter den obersten 36 Vereinen verteilt werden, so zu ändern, dass die Schere zwischen den Bonzen (FCB, BVB, RBL) und den Mitschwimmern der zweiten Bundesliga nicht immer weiter aufgeht. Nein, unser VV hat keine Revolution gefordert, sondern ein Nachdenken über die Folgen der galoppierenden Ungerechtigkeit. Allein dadurch hat er sich den Zorn des zollprellenden Uhren-Freaks zugezogen, der es inzwischen sogar aufgegeben hat, sein Beharren auf dem geltenden Schlüssel irgendwie nachvollziehbar zu begründen.

Bis vor Kurzem laberten er und auch dieser BVB-Penner ja gern davon, dass der „deutsche Fußball“ international nicht mehr wettbewerbsfähig wäre, bekämen die Geldsäcke nicht noch mehr Kohle ins Gesäß geschoben. Gemeint war (und ist wohl auch immer noch), dass die Teams der anderen „großen Ligen“, also der aus England, Spanien, Italien und auch Frankreich, den Bayern, den Doofmundern und den Brausetypen nach Belieben die Superstars wegkaufen könnten und so dauerhaft in kleinstem Kreise um die CL- und UEFA-Pokale spielen würden. Denkbasis für diesen Humbug ist die Annahme, den deutschen Fußballfreund würde es in Verzweiflung stürzen, wenn die erwähnten Großkopferten regelmäßig nach den jeweiligen Gruppenphasen ausschieden. Oder: „Fußballdeutschland“ würde vor Schmerz jaulen, wenn „die Mannschaft“ (vulgo: DFB-Auswahl) bei den Turnieren frühzeitig die Heimfahrt anträte.

Wer ohne die Brille der Geldgier auf die Lage schaut, sieht etwas anderes. Das Schicksal der deutschen Nationalmannschaft geht der Nation inzwischen weiträumig am Heck vorbei. Fußballfreunde, deren Herzensvereine nicht ums „internationale Geschäft“ spielen, interessieren sich kaum noch für die Ergebnisse der Spieltage und die Tabellenstände der ersten Liga. Die TV-Quoten brechen – nicht nur corona-bedingt – auf breiter Front ein. Und die Wunschvorstellung, die von den Rummenigges dieser Welt getragen wird, man könne wahre Fans durch konsumfreudige Eventies ersetzen, erfüllt sich immer weniger. Die Jungs, die man in irgendwelchen Trikots auf der Couch sitzend irgendeinem Spiel zujubeln sieht und die dabei werbewirksam diverse Speisen und Getränke zu sich nehmen oder in der Pause über Versicherungen plaudern, finden in der Realität nicht mehr statt.

Wer erinnert sich denn noch an das letzte Mitfiebern vor der Glotze im Kreise der Kumpels? Dürfte 2014 bei der WM vermutlich zum letzten Mal gewesen sein. Und: Wer mag denn als Fußballfan überhaupt mit diesen teilnahmslosen Genussguckern über ein Spiel diskutieren, bei dem man selbst mitgelitten hat? Wem geht dieses Schreien nach Spektakel durch die Sprechpuppen nicht auf den Zwirn, wo man doch nur möchte, dass der eigene Herzensverein nicht untergeht? Wen öden diese künstlichen Leidenschaftsgesten, die vor allem Bayern-Sklaven in den Reklamespots für E-Rasierer und Schuppenshampoos zelebrieren, nicht an?

Davon weiß ein Rummenigge nichts, aber auch gar nichts. Genau wie ein Bierhoff, der meint, die Nation habe sich von „die Mannschaft“ abgewendet, weil sie nicht mehr so gewinnt. Diese Typen mit den Millioneneinnahmen sind so weit vom gemeinen Fan entfernt wie die Fortuna von der Deutschen Meisterschaft. Selbst beim BVB, der sich ja Fußballleidenschaft als Markenkern gewählt hat, wissen die Führungsvisagen doch nicht mehr im Mindesten, was die Leute im Stehblock bewegt, dass es eben nicht immer bloß um Siege um jeden Preis geht, sondern auch um das Teilen der Gefühle, die echt sind und eben nicht für TV-Spots taugen.

Unser Thomas Röttgermann weiß das, auch wenn viele Anhänger der glorreichen Fortuna ihm das nicht zutrauen. Woran das liegt? Vor allem, weil dieser TSV ein Verein ist und deshalb in den Gremien nicht (nur) irgendwelche Erfolgsknollen an ihren Karrieren basteln, sondern zum Beispiel im Aufsichtsrat mehrheitlich Personen sitzen, denen das Schicksal dieses Vereins nahegeht, die selbst aus dem Block kommen oder ihr Leben lang den Fußball mehr lieben als das Fußballgeschäft. Das ist der wahre Erfolgsgeheimnis unseres hochverehrten Herzensclubs.


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3 Gedanken zu „Fortuna-Punkte: Röttgermann vs Rummenigge – die Gegenstimme

  • Hallo Rainer,
    du hast mal wieder des Pudels Kern getroffen. Super Artikel (wie immer) Ich schaue mir auch im Fernsehen überhaupt kein Spiel mehr an. Außer unsere Diva spielt. Der Spocht geht echt vor die Hunde. Mal kann nur hoffen, dass wir irgendwann einmal wieder zum Fussball wie er sein sollte zurückkehren werden.
    Grüße
    Michael V. (Block 41)

    Antwort
  • Hallo Rainer, herzerfrischender Artikel! Genau das, was dem Fußball zurzeit leider völlig abgeht!
    Gruß Delk

    Antwort
  • Danke für die wahren Worte in diesem Artikel. Sie treffen die Lage auf den Punkt. Das Länderspiel gestern hatte ich überhaupt nicht im Kopf. Erst heute morgen durch einen Newsletter wurde ich an das Spiel erinnert. Gleiches gilt für EL und CL, mein Interesse ist vollkommen weg. Das ich mich mal dermaßen vom Fußball (mit Ausnahme der Spiele unserer Fortuna) abwende und mich dieser so viel interessiert, wie Hallen-Jojo, hätte ich niemals für möglich gehalten.

    Was Röttgermann angeht, teile ich die hier geäußerte Meinung. Man muss nur mal im 95er Forum die Hass-Treads über ihn lesen, um zu erkennen, dass es auch strohdumme „Fans“ bei der Fortuna gibt. Ähnliches gilt für Rösler und die Mannschaft. Dieses Forum ignoriere ich inzwischen ebenfalls.

    Ich bin mal gespannt, wohin die Reise des Fußballs hingeht. Auf jeden Fall reise ich nicht mit. Diese korrupte Scheiße kann eigentlich nicht immer so weitergehen. Die Zahl der „Eventies“ ala Leipzig Zuschauer ist doch auch nicht unendlich.

    Sollte unsere Erste dann irgendwann mal wieder am Flinger Broich spielen müssen, hätte das sicher auch seinen Charme.

    Antwort

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