Die ganze Wahrheit über die Fortuna-Finanzen – Stand: August 2024
Die Überschrift soll – wie bei gewissen Düsseldorfer Boulevardmedien – bloß Leser:innen anlocken. Denn der Ergebene kennt ganz sicher nicht die ganze Wahrheit über die F95-Kohle, hat aber ein paar Gedanken dazu.
Meinung · Die aktuelle Debatte entzündet sich vor allem an der Diskrepanz zwischen den Transfererlösen und den Investitionen in neue Spieler. Auf dem Papier hat die Fortuna nämlich die Verkäufe von Tzolis, Engelhardt, Tanaka, Uchino, Böckle und Niemczycki laut transfermarkt.de satte 19,35 Millionen Euro erlöst, aber laut derselben Quelle nur 6,8 Millionen Euro ausgegeben. Auf den ersten Blick hat der Verein also einen Überschuss von 12,5 Mio erwirtschaftet. Da fragt sich der:die unbedarfte Anhänger:in des geilsten Clubs der Welt natürlich: Wo ist die Kohle geblieben? [Lesezeit ca. 5 min]
Leider ist diese Frage oft geprägt von einem grundsätzlichen Unverständnis betriebswirtschaftlicher Rechnerei und eine durch die einschlägigen Fußball-Manager-Spiele erzeugte Vorstellung davon, wie das mit dem Verkaufen und Kaufen von Spielern in der Realität aussieht.
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Ein ehemaliger F95-Profi (Name tut nichts zur Sache), mit dem der Ergebene befreundet ist, hat ihm vor einiger Zeit Einblick in die Vertragswelt der Kickertransfers gewährt. Das Vertragswerk zwischen dem aufnehmenden Verein und der Fortuna aus dem Jahr 2016 umfasste annährend 80 Seiten. Okay, zwei Drittel davon war Juristenkram. Interessant aber die Modalitäten der finanziellen Abwicklung und der zugehörigen Sonderabsprachen.
Es ist kompliziert
So war es im vorliegenden Fall so, dass F95 mit dem Datum der Spielberechtigung des Profis beim neuen Verein lediglich eine Abschlagszahlung in Höhe von 20 Prozent auf die vereinbarte Ablösesumme erhielt. Der restliche Betrag sollte über die gesamte Vertragslaufzeit in Raten abgestottert werden. Außerdem erhielt der Club, von dem der besagte Kicker einst zur Fortuna kam, eine vereinbarte Prämie, und vom Honorar für die Berater, die den Vertrag ausgehandelt hatten, übernahm F95 die Hälfte. Weitere Paragrafen regelten Ab- und Aufschläge auf die Transfersumme je nach Auf- oder Abstiegen. Letztlich erzielte F95 über die Laufzeit lediglich 70 Prozent der Summe, die seinerzeit in den Medien als Ablösesumme genannt wurde.
Manchmal werden in Medienberichten weitere mögliche Vertragsabsprachen genannt, die Einfluss auf den konkreten Kapitalfluss rund um einen Transfer genannt. Es ist also kompliziert. Von der Vorstellung, ein Kicker „stünde im Schaufenster“ (eine von Journalisten gern benutzte, aber saublöde Formulierung), ein Kaufinteressent käme in den Laden und sagte: „Den nehm ich.“, um dann die Kreditkarte auf die Ladentheke zu knallen und das gute Stück käuflich zu erwerben, sollten sich Fans einfach mal lösen.
Im Klartext: Wann genau der Düsseldorfer Turn- und Sportverein Fortuna 1895 e.V. welche konkreten Summen für Tzolis, Engelhardt, Tanaka, Uchino, Böckle und Niemczycki bekommt, ist unklar.
Finde den Fehler: Menschen machen Fehler. Schreiber:innen sind Menschen, machen also Fehler. Und Schreiber ohne großes Team hinter sich – wie der Ergebene – machen natürlich auch Fehler. Deshalb unsere Bitte an alle: Wer einen Fehler im Text entdeckt, meldet ihn uns auf einem der bekannten Wege – z.B. per Mail an kontakt@fortuna-punkte.de oder über das Kontaktformular. Wir versprechen, falls wirklich etwas Falsches im Beitrag stand, bedanken wir uns nicht nur, sondern korrigieren es umgehend. Schönen Dank im Voraus!
Noch komplizierter ist es bei Leihgeschäften. Im einfachsten Fall bekommt der ausgeliehene Profi eine Spielberechtigung für den neuen Verein, der dafür eine festgelegte Gebühr zahlt und außerdem das Gehalt des Neulings übernimmt. Ist eine Kaufoption vereinbart, kann der Leihnehmer die Leihgabe zu einem bestimmten Zeitpunkt für eine festgesetzte Ablösesumme übernehmen. Gang und gäbe sind Absprachen über das Spielergehalt und die ihm zustehenden Auflauf-, Punkt- und Aufstiegsprämien. In der Regel tragen beide Clubs Sorge, dass der Kicker während der Leihe nicht weniger verdient als vorher. Deshalb übernehmen die ausleihenden Clubs nicht selten einen Teil des Gehalts.
Und dann gibt es auch noch weitreichende Absprachen, die beispielsweise besagen, dass ein abgebender Verein an zukünftigen Transfererlösen, die andere Clubs mit einem Spieler erzielen, prozentual beteiligt ist.
Ein Hauch Betriebswirtschaft
Ein dem Ergebenen persönlich bekannter Betriebswirtschaftler hat ihm erklärt, dass die vertraglich gebundenen Spieler für das Unternehmen, das der Verein darstellt, so etwas Ähnliches sind, wie die Maschinen in einer Industriefirma, weil sie ganz abstrakt betrachtet für die angestrebten Umsätze sorgen. Deshalb können sie buchhalterisch auch eher wie Anlagevermögen denn wie Angestellte betrachtet werden. Ganz schön brutal.
Genau die sich in den Zeiten seit der Bosman-Entscheidung von 1995 drastisch veränderte Art, wie Fußball als Geschäft betrachtet wird, sowie weitere durch die Verbände eingeführte Regelungen haben die betriebswirtschaftliche Sicht auf den Profifußball dramatisch verändert. Gerade für eingetragene Vereine wie die Fortuna (und die anderen 17 Insassen der oberen drei Ligen) ist die Geschäftsführung dadurch einigermaßen kompliziert geworden, weil die Bilanz und die Gewinn- und Verlustrechnung im Gegensatz zu einer ausgelagerten Spielbetriebsfirma eben nicht nur die Profimannschaft abzubilden hat, sondern die Geschäfte des gesamten Vereins.
„Die Transfererlöse gehen nicht eins zu eins in die sportliche Planung, sondern es bestehen auch andere Notwendigkeiten. Unsere Betriebsausgaben sind recht hoch, sodass nur ein recht kleiner Teil der Transfereinnahmen für die Verstärkung der Mannschaft genutzt werden kann“, hat F95-Sportvorstand Klaus Allofs neulich beim Rheinischen Bundesliga-Gipfel erklärt. Heißt konkret: Mit den im Idealfall über die Zeit fließenden 12,5 Millionen Euro aus Spielerverkäufen müssen auch die anderen Abteilungen und Bereiche des TSV 1895 Fortuna finanziert und finanzielle Löcher, die aus den Vorjahren resultieren, gestopft werden.
Vereinsmitglieder können sich über Einnahmen und Ausgaben jederzeit in Form der Finanzberichte informieren, die im Mitgliederportal herunterzuladen sind. Leider sind diese Berichte praktisch nur von Leuten zu entschlüsseln, die beruflich mit Bilanzen und EÜRs zu tun haben. Die erläuternden Texte helfen da nicht viel weiter. Der Finanzbericht zur Mitgliederversammlung 2023 zeigt allerdings sehr deutlich, wie sehr die Umsätze vor allem durch den Abstieg von 2020 und die Corona-Pandemie eingebrochen sind.
Schaut man sich dazu einmal die von der DFL veröffentlichten Finanzkennzahlen der Zweitligavereine für 2024/25 an und vergleicht diese mit den Werten für die „kleinen“ Erstligisten, wird man feststellen, dass selbst der 1. FC Heidenheim dort eine doppelt so hohe Bilanzsumme melden kann wie die Fortuna. Über den Daumen gepeilt hat der vom armen Taka Uchino verschossene Elfer in der Relegation gegen Bochum unseren Verein um die 30 Millionen Euro gekostet.
Planung und Realität
Auch eine Binsenweisheit: Das finanzielle Handeln eines Unternehmens lässt sich in keinster Weise mit der privaten Haushaltsführung vergleichen. Was bei Otto und Lise Normalfan beispielsweise „Schulden“ heißt, sind bei Firmen und Vereinen Verbindlichkeiten und dienen ganz mechanisch der Sicherung der Liquidität, sorgen also dafür, dass die Rechnungen bezahlt werden können. Und weil das alles sich dynamisch über die Zeit bewegt, ist die Finanzplanung das A und O der seriösen Geschäftsführung. Grundlagen bildet das Budget beziehungsweise die Budgets, in den festgeschrieben wird, welche Beträge in welchen Bereichen wann eingenommen werden (können) und welche Kohle wann für was gezahlt werden muss. Für Posten, bei denen man nicht weiß, ob und wann sie ausgegeben werden müssen, werden sogenannten Rückstellungen gebildet, also Geld geblockt.
Das alles wird spätestens seit den Zeiten von Reinhold Ernst und natürlich auch jetzt unter dem Finanzvorstand Arnd Hovemann bei der Fortuna hochprofessionell und seriös bearbeitet. Die Spielräume werden durch Grundsatzbeschlüsse des Aufsichtsrats vorgegeben, die konkrete Ausgestaltung dem Aufsichtsrat vom Vorstand zur Genehmigung vorgelegt. Aktuell besteht in den Gremien Einigkeit darüber ausgesprochen konservativ zu wirtschaften, also eine risikoarme Finanzplanung zu erstellen. Das ist besonders wichtig angesichts der Tatsache, dass im Zeitraum zwischen Juli 2022 und Juni 2023 ein Fehlbetrag von annähernd 3 Millionen Euron erzielt wurde und das Eigenkapital so auf nur noch etwas mehr als 800.000 Euro gesunken ist.
Und während der Aufwand (die Ausgaben) von 2022 auf 2023 um gut 6,5 Millionen auf über 55 Millionen Euro angestiegen ist, konnte der Ertrag um weniger als 5 Millionen Euro gesteigert werden. Weil ähnliche Tendenzen auch für 2023/24 zu erwarten sind, wirtschaftet der Vorstand eben konservativ, um die negative Entwicklung zu bremsen oder zu stoppen. Und deshalb konnten Klaus Allofs und Christian Weber eben nicht den Transferüberschuss in voller Höhe oder zu einem großen Teil in neue Spieler investieren.
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Dieser Kommentar ist eine ziemliche Beschwichtigungssorgie. 2016 hatte Fortuna laut öffentlich einsehbaren Quellen keinen einzigen Abgang, der nicht ablösefrei gewesen wäre. Der einzige mögliche Abgang, der überhaupt möglicherweise irgendeine Ablöse gebracht haben könnte, ist Julian Koch, der zu Ferençvaros Budapest gewechselt ist, nachdem er hier total gescheitert war. Für ihn ist aber maximal eine Ablöse von 200.000€ insgesamt geflossen, also völlig vernachlässigbar. Ich weiß nicht, was diese Augenwischerei soll.
Der Ergebene vermag den Zusammenhang zwischen den Aussagen dieses Kommentars zur Saison 2016 mit dem Artikel über die Finanzsituation 2024 nicht zu erkennen.