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Fortuna-Erinnerung 2003: Ein Manager-Praktikant namens Berthold

Lesestück · In der an Kuriositäten nicht armen Geschichte der Fortuna in den sogenannten „dunklen Jahren“ zwischen 1999 und 2009 ragt eine Figur bis heute hervor: Weltmeister Thomas Berthold, der im Juli 2003 vom damaligen Oberbürgermeister Joachim Erwin persönlich als Manager verpflichtet wurde. Irgendeine handfest belegbare Kompetenz brachte Berthold nicht mit, was ihm unter den Fans rasch den Spitznamen „der Praktikant“ eintrug. Ihn zu holen, zählte zu den verzweifelten Aktionen des OB Erwin, der ja gerade seine Arena hatte bauen lassen, die ohne Profifußball für die Stadt ein schlimmes Subventionsobjekt zu werden drohte. Das hätte Erwins Lügen entlarvt, der dem Rat der Stadt vorgerechnet hatte, die Multifunktionsarena würde sich auch dann tragen, wenn dort nicht einmal ein Skatturnier stattfände. [Lesezeit ca. 4 min]

Ausgerechnet Berthold sollte es richten und die Fortuna rasch mindestens in Liga 2 bringen. Und zwar aus der viertklassigen Oberliga, in die der Verein am Ende der Saison 2002 abgestürzt war. So richtig klar wurde nie, was Erwin zu dieser Personalie bewogen hat – es mag der diffuse Glaube gewesen sein, Berthold verfüge über das, was man heute ein Netzwerk nennt. Dass der ehemalige Nationalspieler als ewiger Querkopp weder im deutschen noch internationalen Fußball sonderlich beliebt war und auch sonst keine nennenswerten Connections im Schlepptau hatte, war dem OB nicht weiter aufgefallen. Kann natürlich auch sein, dass es sich um einen schiefgegangenen Versuch der Korruption gehandelt hat. Denn Thomas Berthold war zu jenem Zeitpunkt Repräsentant eines kanadischen Kunstrasenherstellers, der damals in den europäischen Fußball drängte und auf der Suche nach Referenzobjekten war.

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Die Kunstrasen-Verschwörung

Gut möglich, dass seine Auftraggeber sich die noch nicht eröffnete Multifunktionsarena in Düsseldorf ausgeguckt hatten. Angeblich hat es im Vorfeld der WM 2006 Vorstöße deutscher Stadionbetreiber gegeben Kunstrasenplätze zuzulassen was bekanntlich für 2020 in Südafrika (unter Bertholds beratender Begleitung, übrigens…) Ob der Hersteller, für den Berthold tätig war, auch der nie genannte Sponsor war, der den Manager-Praktikanten angeblich bezahlte, ist ungeklärt. Jedenfalls präsentierte Erwin den mit weitreichender Zuständigkeit ausgestatteten Berthold im Juni 2013 zuerst nicht etwa den Vereinsfunktionären, also dem Vorstand und dem Aufsichtsrat (dem er vorsaß), sondern den überregionalen Medien, die gern auf die Rührgeschichte vom Weltmeister beim Viertligisten einstiegen.

Während die ebenfalls äußerst merkwürdige Verpflichtung des Dolmetschers Massimo Morales als Trainer für die Saison 2003/04 nicht auf Bertholds Mist gewachsen und am Ende immerhin durch den Aufstieg in die Regionalliga gerechtfertigt wurde, führte der Kauf einiger neuer Spieler zu erheblichen Irritationen, vor allem auch bei den hiesigen Fußballjournalisten. Den Italo-Argentinier Mariano Pasini, der zuvor nie in Europa gespielt hatte, soll er, so die Legende, auf Grund eines Amateurvideos von nicht einmal fünf Minuten Länge für schlappe 75.000 Euro verpflichtet haben. Derselbe Berater soll ihm auch den anderen Italo-Argentinier Walter Otta für sogar 175.000 Ocken aufgeschwatzt haben. Mit Victor Bocchio gab es noch einen Zugang direkt aus Argentinien.

Der argentinische Großeinkauf

Gleich 13 neue Kicker kaufte Berthold mit Genehmigung seines Chefs Erwin ein, nur einer davon fand sich im Kader der Folgesaison wieder. Da war der Praktikant, der auch noch versucht hatte, seine Gattin in eine hochdotierte Beschäftigung zu drücken, schon Geschichte. Und das, obwohl sich die glorreiche Fortuna in der Regionalliga 2004/05 ganz gut behauptet hatte; aber erst als man den zunehmend rumeiernden Morales durch Uwe Weidemann ersetzt hatte. Es muss im Winter 2004/05 zwischen Berthold und Erwin geknallt haben, denn der OB entzog dem Manager seine Gunst, sodass der sich freiwillig verabschiedete.

Bis auf das Eröffnungsspiel der Multifunktionsarena am 18. Januar 2005, das OB Erwin unter Missachtung diverser Sicherheitsbedenken auf der Baustelle angeordnet hatte, spielte die Fortuna in der Berthold-Ära im Paul-Janes-Stadion am Flinger Broich – die Älteren werden sich an das VIP-Zelt neben der Haupttribüne erinnern, in dem der GröFaZ (Größte Fortuna-Retter aller Zeiten) bei Heimspielen Hof hielt. Der Manager aber, der den Kontakt zu den Fans scheute wie der Querdenker die Maske, verkroch sich während der Partien meistens in einer der Sprecherkabinen oberhalb der Sitzplätze. Mit vorwiegend missmutigem Gesichtsausdruck, der immer auch etwas von Arroganz hatte, beobachtete er die Kickerei. Überhaupt sprach er nicht gern mit Leuten, die er nicht als auf Augenhöhe betrachtete.

Der Weltmeister als Corona-Scwurbler

Inzwischen ist Thomas Berthold, ein bekennender Veganer und Propagandist für obskure Lebensmittel dieser Art, bei den Querdenkern gelandet. Das verwundert nicht weiter, denn einen Hang zu Verschwörungstheorien und vielleicht auch zum Antisemitismus hatte er immer schon. 1999 nach seinem Lieblingsbuch befragt, nannte er den Titel „Geheimgesellschaften und ihre Macht im 20. Jahrhundert„. Das zweibändige „Werk“ hatte der durch und durch antisemitische Bestsellerautor Jan Udo Holey alias Jan van Helsing 1993 und 1995 verfasst; er vertritt darin die These einer jüdischen Weltverschwörung, mit der sich alle historischen Ereignisse des 20. Jahrhunderts und der Zustand der Welt erklären lassen. 1999, als Berthold das Machwerk empfahl, war es in Deutschland bereits verboten – der Verbotsbeschluss wurde 2001 allerdings wieder aufgehoben. Bis heute gelten die Bände vor allem rechtsextremen Esoterikern, die in der Querdenker-Bewegung fast vollzählig angetreten sind, als eine Art Bibel.

Ganz offensichtlich versucht Berthold auf diesem Weg die Aufmerksamkeit zu erhaschen, von der er meint, dass sie ihm al Weltmeister zusteht. Versuche sich vor der Corona-Pandemie hier und dort einzumischen, brachten nicht das gewünschte Echo. Und wirtschaftlich, so ist zu lesen, geht es ihm auch nicht mehr so gut…


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2 Gedanken zu „Fortuna-Erinnerung 2003: Ein Manager-Praktikant namens Berthold

  • Ganz dunkle Zeiten damals. Zum Eröffnungsspiel in der Arena Baustelle bin ich aus meinem zwischenzeitlichem Wohnort Aachen angereist (Union Berlin). Für Berthold hatte ich nur Kopfschütteln, schon damals mit seiner Aussendarstellung ein Kotzbrocken.

    Schlimme Fortuna Zeiten waren das. Dagegen sind wir heute gut aufgestellt und haben im Vergleich nicht viel zu meckern.

    Antwort
  • Das waren schöne Zeiten, die uns, die wir nach den 90er Jahren noch übrig waren, mit dem Verein untrennbar verbunden haben. Ich vermisse dieses ursprüngliche Gefühl heutzutage sehr, vor allem, wenn ich Personen wie Röttgermann sehe, die opportunistisch auf jede „Ansage von oben“ reagieren und durch mangelhafte und arrogante Kommunikation derzeit unzählige treue Anhänger verprellen. Darüber sollte hier auch einmal berichtet werden, dass Fortuna das Spiel momentan ohne Diskussion mitmacht und die Spaltung der Gesellschaft mit voran treibt. Das ist nicht mehr meine Fortuna! Thomas Berthold kann man kritisch sehen, aber er hat seinen Anteil daran, dass wir damals aufgestiegen sind. Es gab sicherlich schon schlimmere Leute in Fortunas Umfeld. Ich erinnere da mal an die Pappnasen, die diesen unfassbar schlimmen Kölmel-Deal eingegangen sind. Einer davon war auch 10 Jahre danach noch in einer führenden Position bei Fortuna. Die waren mit Sicherheit schlimmer als ein etwas unglücklich agierender Thomas Berthold…

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