Die anschwellende Fußballübersättigung. Oder: Soccer ist ein TV-Sport
Meinung · Eigentlich war die Saison vor vier Wochen rum. Endlich Ruhe .. für mindestens weitere sechs Wochen. Aber, nein: Man muss doch gucken, ob die ELV die Heidenheimer aus Liga 1 haut. Und wo wir schon dabei sind, müssen wir auch die Relegation zur zweiten Liga gucken. Und dann das Pokalfinale, weil wir Fußballromantiker wollen doch, dass die Arminia gewinnt. Und dann? Hey, das Champignon-Liga-Endspiel! Nations-Ligue der Frauen! Ja, der Männer auch. Es hört nicht auf, denn inzwischen sind wir bei der U21-EM der Jungs angelangt, während das fußballgottverfluchte DAZN dazu gezwungen wurde, die vom fußballgottverfluchten Infantino persönlich mit Milliarden aus dem Killerstaat Saudi-Arabien angezettelte fußballgottverfluchte Klub-WM für lau zu übertragen – Al Ahly vs Inter Miami: ein Derby, auf das die Welt gewartet hat. [Lesezeit ca. 3 min]
Okay, dieses Präsident Donald J. Trump gewidmete Turnier, bei dem die Eintrittskarten fürs Eröffnungsspiel (siehe oben) zuletzt für 5 statt 240 US$ verramscht wurden (wurde trotzdem nicht voll), boykottieren wir alle ohne großes Bedauern – FCB- und BVB-Eventies mal ausgenommen. Aber Anfang Juli kommt die Frauen-EM, da sind wir wieder dabei. Merkt ihr was? Nix oder so gut wie nix, wo man als Otto oder Liese Normalfan LIVE dabei wäre. Was beweist: Der moderne Fußball ist ein TV-Sport.
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Das ist auch kein Wunder, denn die Live-Übertragungen von Fußballspielen im linearen Fernsehen oder einem dieser Streaming-Dienste sind inzwischen fast das Einzige, was noch für Spannung sorgt. Denn man weiß ja nicht, wie’s ausgeht. Und mit beidem lässt sich massig Kohle machen. Irgendwer hat ausgerechnet, dass ein Hardcore-Fußballkonsument an die 80 Euro pro Monat raushauen muss, um ALLES zu sehen: erste und zweite Liga, Champignon-Liga, Europa-Liga, Conference-Liga, Nations-Liga, Männer- und Frauen-EM und -WM und eben diese fußballgottverfluchte Klub-WM.
Und wer nicht fürs Fuppesglotzen latzt, muss sich mit Werbung malträtieren lassen, bis das Auge blutet. Selbst wem die beteiligten Teams am Arsch vorbeigehen, wird noch geködert, sich Al Ahly vs Inter Miami in Echtzeit reinzupfeifen – dafür gibt’s ja die fußballgottverfluchten Sportwetten, mit denen weltweit inzwischen Billionen (ja, richtig gelesen: nicht Milliarden, sondern Billionen!) umgesetzt werden. Nicht nur kluge Wirtschaftswaisen wissen: Das ist eine Blase, und Blasen platzen irgendwann. Schon jetzt zeichnet sich ab, dass die interessierten Konzerne nicht mehr bereit sind, immer und immer mehr für die TV-Rechte zu bezahlen.
Das hat übrigens unser Fortuna-Vorstandsvorsitzende Alexander Jobst schon bei den Vorbereitungen zum „Fortuna für alle“-Dings erkannt und daraus den Schluss gezogen, unseren geliebten Verein von den TV-Einnahmen mittel- bis langfristig unabhängig zu machen. Was passieren kann, zeigt das Beispiel des FC Barcelona deutlich.
Barça steht laut unabhängiger Quellen mit 2,7 Milliarden Euro in der Kreide, die Nettoverschuldung liegt immerhin noch 680 Mio. Verrückt genug ist der FC Barcelona genau wie die glorreiche Fortuna ein eingetragener (gemeinnütziger) Verein, der seinen 143.000 Mitgliedern gehört. Ein Blick in die offizielle Bilanz für 2024 zeigt, dass der Schuldendienst (also Zinsen plus Tilgung) den zweitgrößten Posten im Vereinsbudget ausmacht. Brächen die TV-Einnahmen ein, wäre Barça pleite. Wird nicht geschehen, denn der FC Barcelona ist „too big to fail“ – im Fall des Falles werden staatliche Gelder den Club retten. So wie das 2011 schon bei Real Madrid der Fall war, als das olle Trainingsgelände für 22,7 Mio Euro an die Stadt Madrid verkauft wurde – Immobilien-Fuzzis taxierten den Wert des Grundstücks damals auf maximal 60 Prozent des Betrags.
Und wie das mit Blasen so ist, versuchen die Akteure das Platzen möglichst lange hinauszuzögern. Vor allem die Akteure, die besonders deftig mitverdienen – zum Beispiel die FIFA des Herrn Infantino.
Blöd wie wir Liebhaber:innen des getretenen Rundballs nun mal sind, spielen wir das Spiel Jahr für Jahr treuherzig mit. Und wenn die Abos von Sky, DAZN und den anderen fußballgottverfluchten Streaming-Diensten Jahr für Jahr teurer werden, während gleichzeitig die Lebensmittelpreise steigen, kaufen wir eben das billige Nackensteak der Haltungsform 1, anstatt ein bisschen mehr für eine halbwegs korrekte Schweinehaltung zu zahlen.
Man könnte natürlich auch weniger Würste oder übel marinierten Ferkelskram auf den Grill werfen, um den Haushaltsetat im Griff zu behalten. Aber dann müsste man ja auf einige der Partien der ersten und zweiten Liga, der Champignon-, Europa-, Conference-, Nations-Liga sowie die diversen Männer- und Frauen-EMs und -WMs und natürlich auf diese fußballgottverfluchte Klub-WM verzichten.
Wahrscheinlich wird sich das alles ohnehin drehen. Denn euer von Herzen ergebener Fußballbeobachter ist nicht der einzige, dem das alles zu viel ist, der sich vom Kick überfüttert fühlt und unter Übersättigung leidet. Wenn das um sich greift, könnte das die Nadel sein, die in die Blase fährt und sie zum Platzen bringt.
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Dan liegt aber an jedem und jeder selbst, ob man sich das alles antun möchte.
Ich bin gerne im Stadion, ein Sky Abo hatte ich nur zu Corona.
die letzte WM in Qatar ging mir genauso am Allerwertesten vorbei wie die Champions League und die Klub WM, ebenso die Nations League.
Glücklicherweise gibt es noch so viele schöne andere Dinge im Leben, dass ich sehr gut darauf verzichten kann.
Positiv find ich aktuell eher noch Frauen Fußball. Ja, bei den Männern ist das alles noch etwas schneller und in der Spitze technisch besser.
Ist mir aber egal. ich gehe ja auch zum geilsten Club der Welt und bin kein Bayern Fan.
Abgesehen davon: Schaut Euch doch mal Handball an. Ist auch echt abwechslungsreich und spannend.
das Final 4 gibt es aktuell auch ohne Kosten.
Ein Kollege, der Schalke Fan ist hat mir auf der Arbeit erzählt, dass die Ultras der Schalker jetzt auch zum Frauenfußball gehen und dort Rabbatz machen…aber indem Fall kann man es auch verstehen, oder?