Fortuna-Punkte 16/17: Das schöne Durcheinander auf der Süd
Ha, ha! Hab’s geschafft. Der Chefred, der sich ja jetzt vor lauter Seriosität verbiegt, hat mir die Kolumne genehmigt. Heißt „Fortuna-Punkte 16/17“ und ich darf schreiben, was ich will. Also, nicht ganz. Zum Beispiel: Verboten hat er mir, über das „Spochtliche“ rumzumeinen. Außerdem soll ich niemanden mehr beleidigen als unbedingt nötig. Lässt sich machen. Selbst bei Schwaben. Bei diesen fleissigen Flachhirnen mit dem Quäken aus der Fressöffnung fällt das schwer. Dem quadratischen Typ im Brustring-Hemd auf der Bolkerstraße hätt ich gern eine geschmiert. Aber erstens hab ich der Gewalt abgeschworen. Und zweitens war der wohl schwanger – so wampig der rumstolperte. Jedenfalls wollte dieser VfB-Anhang mit um den Hals fallen. Dabei brabbelte er Unverständliches, in dem ich nur sowas wie „Fan-Freundschaft“ identifizieren konnte. Fan-Freundschaft mit Stuttgart? So weit kommt es noch… Jedenfalls klebte der Klumpen an mir und wollte mir partout das Ohr abkauen. Ich schob ihn sanft in Richtung seiner Kumpanen, die – wie Provinzler zu Besuch in Düsseldorf das meist tun – eingeschüchterte Sauflieder versuchten.
Nach dem Spiel fuhr ich aus lauter Daffke in einer Bahn voller schwäbischer Loser mit. Hört sich ja sowieso immer an, als ob die gleich heulen, wenn die das Maul aufmachen. Hatten sie vorher ja in ihrer Ecke reichlich. Meinte einer sogar: „Ei, mir waaare fiiiel lauder als denne Düssedorfer.“ Schlecht hören könnense also auch noch. Natürlich haben Fans, Verein und Ortsmedien ganz klar den Wiederaufstieg vor Augen. Macht man heute so. Glaub ich nicht dran.
Fünf Sorten Zuschauer
Wenn man relativ unbehelligt durch die Arena streifen kann und dank gewisser Kärtchen in alle Blöcke kommt, kriegt man die verschiedenen Stimmungen mit. Das war schon spannend an diesem Freitagabend im August. Grob ließ sich das zahlende und nicht-zahlende Publikum in fünf Gruppen einteilen: die Leute auf der Süd, die Immer-schon-Dauerkarten-Sitzplätzler, die Fortuna-kammamalmachen-Fraktion, die Neu-Düsseldorfer und das übliche VIP-Pack. Zu den 8.000 Nasen auf der Südtribüne später mehr. Lustig, weil extrem typisch für Fortuna-Zuschauer sind diejenigen, die schon sehr lange Dauerkarten für den Unterrang haben. Da ist der Grantleranteil ziemlich hoch. Und das ständige Granteln, der Dauerpessismus und das Schlechtmachen gehört einfach zur gequält grinsenden Diva dazu. In diesen Regionen herrschte die Meinung vor, man werde durchgehend gegen den Abstieg spielen.
Im VIP-Bereich hockten wieder einige Dutzend Lokakpromis (Wann gibt’s mal ein rein düsseldorferisches Dschungelcamp? Hier sitzen die Kandidaten!) während laufender Partie beim Freibier und glotzen auf die vielen Flachbildschirme. Wartend auf die berüchtigte Currywurst, die aus in einer schmierigen Brühe schwimmenden Bockwurstscheiben besteht. Diejenigen, die sich für Fußball interessieren, stehen auf der Terrasse vor der VIP-Zone und sind genauso aufgeregt wie Otto und Marlies Normalfan. Vorne wird sich gelangweilt – sofern dortige VIPs nicht Spielberater, -vermittler oder sonstige Verbrecher sind.
Hört mal auf mit dem Spruch von den „Eventies“!
Völlig zu Unrecht werden die Menschen aus der schönsten Stadt am Rhein, aus Neuss, Hilden und Ratingen, die nur zur Fortuna gehen, wenn irgendwas Besonderes anliegt, „Erfolgsfans“ oder „Eventies“ geschimpft. Dabei sind sie es, die den Oberrang ein wenig bunter machen, und die ganz große Emotionen kriegen, wenn F95 gewinnt. Das sind dann die Spiele, von denen sie noch ihren Enkeln erzählen. Komischerweise redet diese Spezies Publikum fortwährend von einem der fünf Fortuna-Spiele, die sie in ihrem Leben gesehen haben. Die Väter mit kleinen Söhnen unter ihnen üben sich zusätzlich in Fachsimpelei – was ohne minimale Ahnung von Fußball, der Fortuna und dem aktuellen Kader immer am Rande des Schwachsinns balanciert.
Interessant und neu der ungewöhnlich hohe Anteil an Neu-Düsseldorfern, die sich vor allem in den Blöcken fanden, wo kein richtiger Fan hin will. Muss mit dem rasanten Bevölkerungswachstum der Stadt zu tun haben. Hab mich mit dreien dieser Kategorie in der Pause am Bierstand hinter Block 9 unterhalten. Das waren Kollegen, die seit Kurzem bei einem, ähem, großen ortsansässigen Telekommunikationsunternehmen wirken und, nochmal ähem, Freikarten hatten. Der eine hatte zuvor in Frankfurt gearbeitet und stammte aus dem Frankenland. Einer war Saarländer, der Dritte gebürtiger Ossi. Allesamt ohne per DNA zugefallenen Vereins. Denen gefiel das Drumunddran in der Arena so gut, dass einer beinahe Fortuna-Fan geworden wäre an diesem rasanten Abend. Tatsächlich sind solche Jungs aber wirklich mögliche Neu-Fortunen – man sollte sich seitens des Vereins mal mehr um die kümmern.
Die neue Süd
Gespannt waren altgediente Stehplatzgucker auf die Veränderungen der Süd. Die Ultras sind ja in die Mitte hinters Tor gezogen. Positive Überraschung Nr. 1: Der Block 42 war nicht nur praller gefüllt als vorher, sondern mit vielen aktiven Supportern bestückt. Manchmal wurden dort Gesänge angestimmt, wenn’s in der Mitte zu ruhig war, aber immer nahmen die Damen und Herren zwischen 40 und 42b auf, was der Kapo in Gang setzte. Leider steht die Lautsprecheranlage nicht optimal, und die Boxen selbst sind auch eher so halbgut. Deshalb konnte man (leider oder zum Glück) die Ansagen vom Kapo nicht verstehen. Aber die Anfeuerungen pflanzten sich prima nach beiden Außenseiten fort. Leider war die Organisation beim Einlass in die mittleren Blöcke auch noch nicht perfekt. Ich traf auf ein paar Leute, die einigermaßen angepisst waren und in den Block 40 auswichen.
Ein Vorteil des neuen Ultra-Standortes zeigte sich ganz zum Schluss. Axel bahnte sich seinen Weg zum Kapo, um mit dessen Mikro das Laut-Leise-Lied anzustimmen. Das war vorher als die Mädchen und Jungs noch oberhalb des Tunnelmundes hausten, ja nicht möglich.
Natürlich waren die Bedingungen am Freitag auch günstig für eine neue Kulisse: Fast 38.000 Zuschauer, davon um die 33.000 für F95, waren unter Flutlicht vom Kick der Jungfortunen angetan und bereit, immer mal wieder steil zu gehen. Selten sind die Leute auf den Haupttribünen in den letzten Jahren so oft und so intensiv eingestiegen. Man wird sehen, wie’s wird, wenn die Mannschaft mal nicht so erfogreich spielt oder einfach mal einen schlechten Tag hat.
Eisverkäufer, Bierservice und ein nicht ganz so blödes Pausenspiel
DJ Opa war in Topform und haute vor dem Spiel ein paar Titel raus, die man wirklich lange nicht gehört hatte. Das Bohei rund um die „Einlaufmusik“ hatte beim Mann hinterm Pult keine Spuren hinterlassen. Dafür war Stadionsprecher André Scheidt für meinen Geschmack ein bisschen zu gut drauf und könnte sich demnächst mal wieder ein bisschen zurücknehmen. Was genau der Sinn des neuen Pausenspiels war, ist mir verborgen geblieben. Auf jeden Fall ist es nicht mehr so bescheuert wie dieses sturzöde Fußball-Golf-Dings.
Und dann war da noch die süße Eisverkäuferin, die sich auf der Süd durch die Reigen bewegte und bei alten Rheinstadion-Gänger nostalgische Gefühle weckte. Ob die Bierfassträger nun legal oder aus Versehen unterwegs waren, ließ sich endgültig auch nicht feststellen. In der Summe zeigten sich die kleinen und großen Veränderungen in der Fankurve positiv. Bisschen Luft nach oben ist ja immer.
Und so machte das erste Heimspiel gegen die Schaben mit dem Brustring einen schönen Abend, den ich noch bis weit in die Nacht hinein mit leckerem Schlüssel Alt begoss, bevor wir weiterzogen auf die Kurzestraße, wo sich dann aber auch keine VfB-Fuzzis hingetraut haben. Das war auch erfreulich.
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