Fortuna-Punkte 16/17: Das mit den Fahnen…
Immer wenn ich viele große Fahnen sehen, denke ich: Reichsparteitag. Nicht dass ich dieses Wort fehlerfrei aussprechen könnte, aber bei uns in England weiß jeder, was gemeint ist, wenn einer (Achtung! Phonetik!) „Rykspartituck“ ruft. Genau: Viele große Fahnen. Denn auch im Brit-TV läuft die Nazi-Zeit immer wieder rauf und runter. Ne ganze Menge meiner Lads finden das auch ziemlich, sagen wir: grandios. Es sind dieselben, die bei WM und EM immer in riesige weiße Betttücher mit dem St.George’s Cross in rot gehüllt rumlaufen. Sie halten sich für Patrioten, sind aber leider meistens dumpfe Nationalisten. Flagge zeigen ist in England eher was für Nationalisten als für Patrioten, weil Patrioten ja eher für das Vereinigte Königreich, also Großbritannien samt Queen und allen Teilen stehen. Patrioten zeigen also den Union Jack. Das dürfte aus deutscher Sicht einigermaßen kompliziert sein. Ich dachte daran, als ich am Montag beim Heimspiel gegen Braunschweig (wir sagen: Brunswick) den gewaltigen Fahnenwald im Ultras-Block sah.
Alles Reichsparteitag, oder was?
Frank, unser Lieblingsozialist im Block, meinte dazu: Der DFB bezieht sich aber mit seinem Fahnenwahn mehr auf Reichsparteitag, als auf Endspiele. Tatsächlich hat der deutsche Fußballverband ja nebenberufliche Fahnenschwenker, die bei jedem Heimspiel der DFB-Auswahl auf dem Rasen und hinter den Toren wedeln. Und zwar mehr so majestätisch. Damit soll das Ereignis Nationalmannschaftsspiel heroisch aufgeladen werden, meinte Frank. Und schwupps sind wir beim Reichsparteitag. Ganz anders die Schwenkereien der diversen Ultras drüben in den Blöcken 38 und 39 – das sieht lebendig aus, eher fröhlich. Das hat nix Heroisches oder Majestätisches. Und das ist gut so.
Heilige Fahnen
Womit wie wieder beim Reichsparteitag sind. Da gab’s ja auch für jedes Clübchen eine eigene Fahne, die war heilig. Und sowas wie den Fahnenschwur. Bei den Ultras gilt angeblich das Gesetz, dass sich eine Gruppe aufzulösen hat, wenn ihre Fahne verloren geht – dann wäre eben die Ehre weg. Das werden die meisten Youngster nicht wissen, sagte Frank, dass das typisch fürs mittelalterliche Italien ist. Da hatte jedes Stadtviertel sein Standarte (Neues Wort gelernt!), die heilig war. Raubten die Burschen vom nächsten Block diese Fahne, war die Ehre futsch, und die Männer des Viertels konnten nur noch auswandern. Von da hat es Hitler übernommen, fügte Frank hinzu.
Ist also nicht so einfach mit den Fahnen. War es bei uns bei Leeds United auch nicht. Hier fingen die Nationalisten in den Seventies damit an. Du wirst auf vielen solcher England-Fahnen der verschiedenen Teams das Gründungsjahr finden – das liegt meistens zwischen 1972 und 1986. Das war die Hochzeit der Ultranationalisten, also unserer Nazis. Und die haben sich damals vor allem beim Soccer breitgemacht mit ihrem „White Power“-Scheiß und dem ganzen Rassistendreck. Heute gelten diese Banner als Traditionsfahnen, und keiner fragt mehr, wo die herkommen.
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