5 Fragen an: Sascha Dücker zu seiner Inszenierung des Stücks „Spiel um Zeit“
Zynisch? Pervers? Böse? Gibt es ein Wort, mit dem man charakterisieren kann, was in der Tötungsfabrik Auschwitz alles geschah? Eine unglaubliche Geschichte ist die des Mädchenorchesters von Auschwitz. Gegründet auf Befehl der SS und zusammengestellt aus Gefangenen, unter die Leitung von Alma Rosé gestellt, der Nichte von Gustav Mahler, mussten die Musikerinnen zum Vergnügen der Schergen spielen – um so Zeit zu gewinnen, der Ermordung zu entgehen. Drei Überlebende schrieben über diese Ereignisse, und das Buch von Fania Fénelon wurde verfilmt. Der große Theaterautor Arthur Miller schrieb gemeinsam mit ihr das Drehbuch, Vanessa Redgrave spielte die Hauptrolle in dieser Fernsehproduktion (auf YouTube hier in voller Länge). Später setzte Miller das Buch in ein Bühnenstück um. Und genau dieses Stück, „Spiel um Zeit„, hat der Opernsänger und Musikproduzent Sascha Dücker mit dem Jungen Ensemble Mariengarden inszeniert und bringt es am 16. und 17. Juni in Kooperation mit Fortuna Düsseldorf auf die Bühne im Stahlwerk. Wir haben Sascha Dücker dazu befragt.
Fragen und Antworten
Wie bist du auf das Stück „Spiel um Zeit“ gekommen, das doch Arthur Miller ursprünglich fürs Fernsehen geschrieben hat?
Durch den großen Erfolg von „Woyzeck“ und „8 Frauen“ mit demselben Ensemble gab es auf einmal unerwartete vierzig Anmeldungen für das Schauspielensemble. Ich wollte keinen üblichen Stoff wählen wie die „Physiker“ oder „Frühlings Erwachen“ und gleichzeitig möglichst viele besetzen. Also wäre nur noch der „Sommernachtstraum“ in Frage gekommen – den finde ich aber etwas kompliziert und kapiere ihn selbst kaum – so habe ich mich an die Bühnenfassung des Films „Spiel um Zeit“ mit Vanessa Redgrave erinnert, zumal ich das Stück vor 15 Jahren schon einmal in Düsseldorf inszeniert habe.
Wie ist das Junge Ensemble Mariengarden entstanden?
Seit einigen Jahren unterrichte ich an anderthalb Tagen in der Woche an einem großen Gymnasium im Münsterland (Mariengarden in Borken) Theater und Musik. Ich bekam von der Leitung des Gymnasiums bei der Gründung eines Schaupielensembles mit OberstufenschülernInnen völlig freie Hand. Meine Vorgabe war: „Das darf keine übliche Theater AG mit einmal Proben in der Woche sein“, sondern ich erwartete bei der Mitwirkung das völlige Zurückstellen anderer Hobbys und Interessen, um ein wenigstens semiprofessionelle Ergebnisse zu erzielen. Schon nach zwei Inszenierungen übernahm die Stadt unsere Aufführungen in den Spielplan des Theaters. Das Theaterspielen führt bei manchen Ensemblemitgliedern in die Schauspielschule statt in einen „bürgerlichen Beruf“…
Wir haben die jungen Leute anfangs auf das Stück und sein Thema reagiert?
Sie waren sofort sehr interessiert und geradezu neugierig – eben weil sich dieses Sujet doch von den üblichen Theaterklassikern unterscheidet. Zudem MUSS das Ensemble ein sehr junges sein, denn die Mitgliederinnen des Orchesters waren in der Zeit von 1943 bis1945 tatsächlich mehrheitlich zwischen 17 und 19 Jahre alt, also vollkommend passend. Und Arthur Miller – abgesehen davon, dass ihn allein schon seine Ehe mit Marilyn Monroe für junge Leute interessant gemacht hat – schrieb eben sehr modern, geradezu wie für eine Serien oder einen Kinofilm. Zwar ist das Stück „schwere Kost“, aber gerade der reale Bezug zur Historie und tatsächlich existiert habenden, teilweise noch lebenden Personen hat das Ensemble schnell sehr konzentriert und aufmerksam werden lassen.
Wie habt ihr euch auf diesen schwierigen Stoff vorbereitet?
Alle Ensemblemitglieder mussten erst einmal den klassischen Sprech- und Schauspiel- bzw. Ensembleunterricht mitmachen. Dann wird ein solches Stück mehrmals „trocken“ gelesen, und so stellt sich bei den ersten Übungen und szenischen Arbeiten doch recht schnell eine Rollenbesetzung heraus.
Da im Deutschen Geschichtsunterricht das Thema Holocaust ohnehin „Pflicht“ ist und auch im Kulturbetrieb die sogenannte „Erinnerungskultur“ Gott sei Dank immer mehr einen festen Platz hat, war das grundsätzliche Interesse schon mal geweckt. Gemeinsam haben wir dann mehrere Dokumentationen und Filme gesehen; wer Josef Kramer, Dr. Mengele , Maria Mandl und Irma Grese waren, musste ich also nicht mehr erklären. Zudem hatte ich während eigener Opern-Engagements in Paris und New York auch Kontakt zu überlebenden Musikerinnen aufgenommen, und meine Regieassistentinnen begannen dann, sozusagen für das Ensemble mit diesen Damen zu korrespondieren – die „berühmteste“ unter ihnen, Anita Lasker Wallfisch, heute über 90 Jahre alt, die später noch eine Weltkarriere als Cellistin machte, schrieb uns sogar für das Programmheft ein paar liebe Zeilen.
Wie ist es zur Kooperation mit Fortuna Düsseldorf und dem Stahlwerk gekommen?
Das war wirklich ein passender Zufall: Sowohl in der Premiere, als auch in den folgenden Vorstellungen waren – nicht gemeinsam, aber nacheinander – Claudia Beckers, Tom Koster und Paul Jäger von Fortuna. Werner Sesterhenn, als langjähriger Freund und ohnehin sehr kulturaffiner Mann (er ist Vorsitzender der Düsseldorfer Volksbühne und als Ex-Fortuna-Vorstand auch mit den Genannten bekannt), musste seinen Besuch aus persönlichen Gründen leider kurzfristig absagen. Als sich dann bei passender Gelegenheit alle genannten Personen gegenseitig vom Theaterbesuch berichteten, war die Idee schnell geboren. Sowohl die Kultur- und Fussballabteilung bei Fortuna, als auch die History AG beschäftigen sich 2016/17 genau mit diesem Themenschwerpunkt.
Es steht im Juni ein Auschwitz-Besuch an, es erscheint ein Buch zu Fortuna im Dritten Reich und es gibt für den deportierten Fortunafunktionär Dr. Waldemar Spiehr einen „Stolperstein“. Also lag die Anfrage eines einmaligen Gastspiels nun wirklich sehr nah. Dass sich Stephan Prill dann noch mit dem Stahlwerk als perfekter Partner anbot (das Stück würde in einer plüschigen Theateratmosphäre niemals so wie in einer Fabrikhalle wirken), war dann die „Faust aufs Auge“ der Kooperation. Zudem haben wir aus dem Fortuna-Umfeld, z.B. mit den „Unternehmern mit Herz“ und verschiedenen einzelnen Unternehmen großzügige Unterstützer. Selbst die Stadt ist mit einem Infobrief mit im Boot.
Über Sascha Dücker:
Sascha Dücker ist Opernsänger (u.a. Pariser Staatsoper de la Bastille, Oper Frankfurt/Main, Opera de Monte Carlo) und Musikproduzent. Parallel dazu hat er im Laufe der Jahre viele Theaterinszenierungen u.a. in Neuss und Düsseldorf zur Aufführung gebracht; so z.B. am Schlachthoftheater in Neuss „Woyzeck“, „Jelena Sergeijewna“ und „Des Teufels General“. Zudem ist er Dozent für Musikmarketing und Musikmanagement an der Hochschule für Musik und Darstellende Kunst in Frankfurt/Main und an der Ostfalia-Hochschule in Salzgitter. Er ist langjähriges aktives Mitglied von Fortuna Düsseldorf und ehemaliges Aufsichtsratsmitglied.
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