F95 vs Braunschweig 2:2 – Neue Besen kehren gut
Der handelsübliche Fußballjournalist erklärt ja meistens den oder die Torschützen zum Mann bzw. zu Männern des Spiels. Zumindest werden die Hüttenmacher den Lesern in der Liste der besten Kicker der Partie angeboten. Dabei war gestern Abend bei der Auftaktbegegnung zwischen der glorreichen Fortuna und dem BTSV ein gewisser Niko Gießelmann auf Seiten der Weißen (mit feinen roten Längsstreifen) eindeutig der beste Akteur. Übrigens ein Neuzugang. Denn als Stadionsprecher André Scheidt die Aufstellung vorlas, ging ein leicht frustriertes Raunen durch die Reihen der Fortuna-Anhänger. Ja, Friedhelm Funkel und Peter Hermann hatten es getan: Oliver Fink und Adam Bodzek in der Startelf, kein zweiter Vollstürmer neben Rouwen Hennings. Hätten nur noch Axel Bellinghausen und Julian Schauerte gefehlt…
Und hätte der gute Lukas Schmitz nicht einen solchen Sahnetag gezogen und hätte Ihlas Bebou nicht so unermüdlich geackert, wer weiß, ob es dann nicht doch deutlich mehr als die tatsächlichen rund 50 Minuten Vollflaute auf Seiten der Fortuna gegeben hätte. Aber die Sache begann ziemlich schwungvoll. Sowohl Gießelmann, als auch Schmitz erfüllten die Aufgaben modernen Außenspieler mit Bravour. So kam es in den ersten gut 20 Minuten zu diversen Flanken von jenseits der Strafraumgrenzen. Dazu der eine oder andere Alleingang entlang der Grundlinie Richtung Hütte. So richtig hundertprozentige Chancen gab es trotzdem wenige, weil der BTSV in solchen Situationen gern mit acht Feldspielern im eigenen Sechzehner herumlungerte. Dafür sahen die sogenannten „Standards“ auf Fortuna-Seite schon ziemlich gut aus – auf jeden Fall um Klassen besser als in der Vorsaison.
Das Führungstor
Aber es war genau dieser Gießelmann (der übrigens auf das „ß“ in seinem Nachnamen großen Wert legt), der in der 9. Minute nach dem beschriebenen Rezept kochte, auf links außen gleich zwei Braunschweiger tunnelte, weiter hinein in den Strafraum zog und in die Mitte schob. Ein BTSVler versuchte noch, die Pille rauszudreschen, kam aber nicht weiter als bis zu Sobottkas Füßen. Und der machte die Bude. Weil bis dahin die Blaugelben aus dem Zonenrandgebiet irgendwie zwischen uninspiriert und eingeschüchtert agierten, setzen viele rotweiße Zuschauer auf mindestens ein weiteres Tor vor der Pause. Aber dann betrat das Murmeltier den Platz. Ausgehend von Bodzek mit freundlicher Unterstützung von Sobottka und Fink, gelassen beobachtet von Hoffmann, Ayhan und Kiesewetter begann die Ära der Fehlpässe und Ballverluste. Das Mittelfeld wurde zum Fehlerfeld – die Quote tendierte Richtung Saison 2015/1 … und das will was heißen.
Gleichzeitig formierten sich die Braunschweiger besser, und deren Trainer stellte das System leicht um. Zwar versuchte man es auf blaugelber Seite immer noch vorwiegend mit Offensive durch die Mitte, aber im Gegensatz zu den Fortunen turnten dort zwei echte Stürmer herum, die mit der Hilfe der offensiven Mittelfeldler ordentlich Alarm veranstalteten. Plötzlich neigte auch die Dreierkette zu Fehlern. In Summe spielte F95 ab etwa der 20. Minuten den Gegner systematisch stark. Man konnte förmlich hören, wie das Team um den Ausgleich bettelte. Der fiel dann auch in der 35. Minute – man könnte auch sagen, nach einem Torwartfehler. Immerhin wurde Michael Rensing von einem Braunschweiger irritiert und konnte den Kopfball des Braunschweigers nach einem schön, aber nicht scharf geschossenen Freistoß nicht ordentlich abwehren. Der Freistoß war übrigens aus einem sinnlosen Foul von Hoffmann knapp 20 Meter vor dem eigenen Tor entstanden.
Guter Schiri
Bis dahin hatte es schon mehrfach zwischen gegnerischen Spielern gerummst. Zwei BTSV-Kicker trugen bereits schicke, gelbe Turbane, mehrfach wälzten sich Spieler am Boden – und das alles, obwohl die Partie zwar hart, aber von beiden Teams immer fair gehandhabt wurde. Ein Lob geht auch an Schiri Dingert, der die Partie jederzeit im Griff hatte und gerade in Sachen Härte klug agierte und mit einer einzigen gelben Karte kurz vor dem Halbzeitpfiff auskam. Die sah ein gewisser Moll, der blöd genug war, sich in der 81. die Gelbrote einzufangen.
Haben wir schon von Jerome Kiesewetter gesprochen? Nein? Aus gutem Grund, denn der nominelle Schauerte-Vertreter tat über 90. Minute fast alles, um nicht aufzufallen. Nicht dass der gute Mann viel falsch gemacht hätte, er handelte eher nach dem Motto „Wer nichts macht, macht auch nichts falsch“ und sollte sich nach dem gestrigen Spiel Sorgen um seinen eigentlich angedachten Stammplatz machen.
Dann ging’s für Kapitän Fink nicht weiter, und in der 39. Minute betrat Florian Neuhaus erstmals den frischen Rasen in der Düsseldorfer Arena. Dass der später noch den Ausgleich erzielte, wird noch zu erzählen sein, aber was der Ex-Sechzger, der von der BMG an die Fortuna verliehen wurde, in den wenigen Minuten bis zur Pause auf ebendiesen Rasen brachte, war sehenswert. Plötzlich nahm das Mittelfeld Fahrt auf, und wären die anderen Akteure in Weiß (mit feinen roten Längsstreifen) nicht alle scharf aufs Pausemachen gewesen und hätten mitgetan. wer weiß, ob’s nicht sogar zur erneuten Führung gereicht hätte.
Murmeltier-Spiel
Währenddessen und bis etwa zur 60. Minute spielte sich Bebou mit allerlei Tricks, schnellen Antritten und hohem Balleroberungseinsatz einen Wolf, während Hennings – wie gewohnt – irgendwie durch die Braunschweiger Abwehr tobte, aber nie, wirklich nie da stand, wo ein Mittelstürmer zu stehen hat, wenn es Flanken von außen und Kurzpässe in die Mitte hagelt. Ähnlich wie im Testspiel gegen Sporting Charleroi blieb die Leistung des in England ausgemusterten Hennings blass. Und angesichts des Murmeltiers wurde spätestens mit dem Halbzeitpfiff das Murren über das Trainergespann deutlich hörbar. Wie ein engagierter und offensichtlich sachkundiger Fan meinte: „Was soll das heißen, wenn Funkel sagt, die Neuen wären noch nicht einsatzbereit? Als ob die seit Monaten weder trainiert, noch gespielt hätten…“ Das zwanghafte Festhalten an der alten Achse wird angesichts der wirklich tollen Neuzugänge einerseits und der vielversprechenden Youngster um Kader zunehmend unverständlich.
Zumal die Führung für den BTSV in der 60. Minute das Resultat einer Fehlerkette war, die den Braunschweigern eine tolle Kurzpassstafette erlaubte. Die endete bei einem Braunschweiger, der beim entscheidenden Pass vermutlich im Abseits stand. In dieser Situation war die F95-Defensive unsicher, und der Rest agierte planlos. Dass aber auch der nächste Neue für Wirbel, Druck und Spaß sorgte, zeigte ab der 61. Minute Harvard Nielsen, für den Bodzek gehen musste. Nun standen endlich zwei Vollstürmer auf dem Platz, und wie auf Knopfdruck wirkten Bebous Bemühungen nicht mehr nur selbstreferenziell, sondern zielführend. Tatsächlich begann mit dieser Einwechslung eine Druckphase der Rotweißen, die bis zum Schlussanpfiff andauern sollte – ohne Fink, ohne Bodzek…
Schmitz auf Neuhaus
Dafür aber ab der 69. Minute mit Neuzugang Emir Kujovic, einem Stürmertyp wie ihn die Fortuna lange nicht mehr im Kader hatte. Der Schwede mit montenegrinischen Wurzeln ist groß, körperlich stark und spielt einen echten Mittelstürmer, ist also ständig bemüht, sich in eine torträchtige Situation zu begeben. Also praktisch das Gegenteil von Hennings, für den Kujovic kam. Weil nun zwei echte Stürmer plus Bebou auf dem Rasen liefen, änderte sich das System ein bisschen. Ayhan rückte eine Position vor und wurde zu dem Spielgestalter, den Kenner ohnehin in ihm sehen. Das brachte Sobottka ebenfalls weiter nach vorne und mehr ins Spiel. Der Ausgleich lag so deutlich in der Luft, dass man etwa ab der 76. Minute einen kollektiven Countdown hätte starten können. So stark sich Gießelmann in der ersten Halbzeit zeigte, so unaufhaltsam agierte nun Schmitz. Der war es auch, der bis zur Grundlinie durchkam und in den Rücken der leicht desorientierten BTSVler schob, von wo aus Neuhaus leichtes Spiel hatte die Pille zu versenken. Das war in der 79. Minute.
Von da an roch es bis zum Schlusspfiff eigentlich nur noch nach einem Sieg für die glorreiche Fortuna. Zwar führten ein paar riskantere Pässe zu Gegenstößen der Braunschweiger, aber das waren nur kurze Störfeuer. Die Blaugelben mussten am Ende froh sein, den einen Punkt mit nach Hause nehmen zu dürfen. Die Rotweißen müssen sich aber auch nicht wegen eines verpassten Sieges grämen – das Unentschieden geht in jeder Hinsicht in Ordnung.
Über Bebou reden
Reden wir über Ihlas Bebou und vor allem dessen Berater bei der Arena11 Sports Group, die in seinem Namen ständig behaupten, der immer noch junge Mann wolle unbedingt in die Bundesliga. Damit versauen sie den guten Ruf, den Ihlas als „einer von uns“ über einige Jahre genossen hat, mit System. Eine Mehrheit der Fans ist mittlerweile nicht mehr gut auf den Kerl zu sprechen und deshalb nicht mehr bereit, seine Leistungen angemessen zu würdigen. Das ist dumm und schade. Zu glauben, Bebou engagiere sich nicht mehr für die Fortuna, weil er unbedingt weg wolle, ist bloß Ausdruck einer dieser ewigen Plattitüden, wie sie die Schmierölpsychologie der Spochtrepochter hervorbringt. Gestern war der gute Ihlas auf jeden Fall einer der Spieler, die unermüdlich ackerten.
Reden wir auch über Rouwen Hennings. In der vergangenen Saison wurde von Funkel-Gegner gern behauptet, man müsse dem Hennings nur einen zweiten Stürmer an die Seite stellen, um ihm zu alter Knipserherrlichkeit zu verhelfen. Nur waren die paar Minuten zwischen der Einwechslung von Nielsen und der Auswechslung des guten Rouwen nicht wirklich beweiskräftig, aber es war nicht zu erkennen, dass er auch nur einen Hauch anders gearbeitet hat, nachdem sein Sturmkumpel dabei war. Da sah das Zusammenspiel zwischen Nielsen und Kujovic schon bedeutet anspruchsvoller aus. Alles in allem lassen sich aus dem gestrigen Geschehen zwei Erkenntnisse ziehen: Neue Besen kehren gut. Zweitens: Funkel und Hermann müssen sich Gedanken über eine andere Startelf machen – sowohl im Mittefeld, als auch im Angriff.
Fans im Konflikt mit dem Vorstand
Dass die Düsseldorfer Fan bereit und willens sind, diese Mannschaft lautstark und dauerhaft anzufeuern, war eine weitere positive Erkenntnis. Damit war angesichts der völlig unverständlichen Restriktionen der Vereinsführung gegenüber den organisierten Fans nicht zu rechnen. Mit sich teilweise widersprechenden Begründungen wurden dem Dachverband SCD 2003, den Ultras Düsseldorf (UD) und den Dissidenti Ultras etliche Privilegien entzogen, die bisher den starken Support besonders von der Südtribüne aus ermöglichten. Ein Vorstand, der sich öffentlich immer mit den „tollen Fans“ brüstet, denen aber andererseits die Anfeuerungsarbeit erschwert, ist einfach nur unglaubwürdig und riskiert den Niedergang dessen, was die Fortuna in den vergangenen 15 Jahren dank des Engagements der aktiven Fans ausgemacht hat. Ob hinter einigen Maßnahmen tatsächlich neue DFL-Regularien stehen, bleibt zu klären. Der SCD, den es logistisch am stärksten trifft, verzichtet gestern darauf seinen Fanstand hinter den 40er-Blöcken zu beziehen, sondern stand den Anhängern draußen auf dem Südplateau zur Verfügung. Die Ultra-Gruppen verzichteten auf die Lautsprecher für den Kapo und reduzierten die Zahl der Schwenkfahnen auf ein Minimum.
Es steht zu befürchten, dass sich neben dem Konflikt aller Fangruppen aller Vereine mit dem DFB (und der DFL) eine harte Auseinandersetzung zwischen den organisierten F95-Fans und der Vereinsführung entwickelt. Der Schaden, der dabei angerichtet werden könnte, wäre immens und könnte die Zukunft der Gesamtkonstruktion Fortuna Düsseldorf nachhaltig beschädigen. Hier sind die Vorstände dringend gefordert, auf die Fan-Gruppe zuzugehen, um die getroffenen Maßnahmen zu diskutieren und in weiten Teilen wieder rückgängig zu machen.
Entdecke mehr von Fortuna-Punkte
Subscribe to get the latest posts sent to your email.
Bebou: zeigt zwar schöne Kunststückchen, die aber zu 99% im Nirvana enden, begleitet von einer erheblichen Ignoranz gegenüber seinen Mitspielern. Für mich ein Ballzauberer auf dem Egotrip ohne jeglichen Effekt.
Schiri: sehe ich vollkommen anders, eher unsicher und nie Herr der Lage mit vielen Fehlentscheidungen. Reiht sich ein in die üblichen schlechten Leistungen der letzten Monate.
Dieser Kommentar ist bis auf Kleinigkeiten das beste was ich seit langen gelesen habe.
Ich war gestern im Stadion und kann das nur unterschreiben.
Das „sinnlose Foul von Hoffmann“ war in meinen Augen übrigens keins. Mag sein, dass es schwer zu sehen war, aber für mich trifft Hoffmann in der Szene den Braunschweiger überhaupt nicht, spielt nur den Ball.
Und Bebous Tor in der lezten Saison war mit Sicherheit deutlicher kein Abseits, als Nymans Treffer…
Ansonsten sei von meiner Seite aus noch gesagt: Bodzek war sicher ein Schwachpunkt, aber Fink ist offensichtlich noch sehr wichtig für das Team. Jedenfalls war nach seinem Ausfall Braunschweig wie auf Knopfdruck die bessere Mannschaft. Was sich erst mit der Auswechslung Bodzeks änderte…
und ich habe offensichtlich einen weiteren Grund, nicht mehr ins Stadion zu gehen. Vielen Dank dafür, Herr Schäfer.