Bielefeld vs F95 0:2 – Es geht um den Ball. Oder: Im Stile einer Spitzenmannschaft…
In der 35. Minute grätscht Käpt’n Oliver Fink einem Bielefelder das Ei von den Füßen. Das Ding landet bei Rouwen Hennings, der die Pille durch das, was man heute Schnittstelle nennt, auf den jungen Benito Raman passt. Raman nimmt sauber an, hängt den gegnerischen Verteidiger ab, läuft auf den Arminia-Keeper zu, den Blick immer auf der Kugel, hebt einmal kurz den Kopf und schiebt das runde Leder perfekt mit dem Außenrist am Tormann vorbei in die Hütte. So könnte man das 1:0 der glorreichen Fortuna in dieser wunderbaren Partie schildern. Gleichzeitig zeigt dieser Kurzfilm, worum es bei diesem Sport geht: um den Ball. Ein Fußballweiser – nein es war nicht Sepp Herberger – hat zu diesem Thema einmal gesagt: Ohne Ball kein Tor. Wie recht der hatte!
Ball, Ball, Ball…
Denn eigentlich ist es ganz simpel, jeden beliebigen Kontrahenten zu schlagen – man muss nur im richtigen Moment die Kugel haben. Dorthin führen drei Dinge: Balleroberung, Ballbehauptung und Ballkontrolle. Spielen wir den Film zum Tor rückwärts, dann konnten man diese drei Phasen quasi in Echtzeit erleben. Was Fink auf optimale Weise tat, fällt unter die Eroberung des Spielgeräts. Wie Hennings das Ding annahm, zählt zur Kontrolle, und das Verhalten von Raman kann man bis zum Schuss unter Ballbehauptung abbuchen. Und weil Fußball ein Fehlervermeidungsspiel ist, steckt das Geheimnis des Erfolgs der momentan nicht sehr launischen Diva genau hier. Das Team von Trainer Funkel und seinen neuen Assistenten Kleine und Bellinghausen beherrscht den Ball und macht ungewöhnlich wenig Fehler. Und je weniger Fehler die Kicker einer Mannschaft machen, desto sicherer können sie agieren, desto mehr trauen sie sich und sind immer mehr in der Lage, die taktischen Konzepte und den Spielplan umzusetzen.
Nur so konnten die ganz in Rot gekleideten Jungs heute in Bielefeld hoch überlegen auftreten und einen souveränen Sieg einfahren – oder wie es eine dieser Fußballgazetten phrasenschweinverdächtig formulierte: Im Stile einer Spitzenmannschaft. Nicht nur für die mittlerweile schon fast legendäre Expertenrunde im Bilker Häzz, die sich dort regelmäßig zu Auswärtsspielen einfindet, ergibt das eine ungewohnte Situation. Die Fortuna führt mit 1:0, und kaum jemand hat Zweifel, dass die Jungs das Ding nachhause schaukeln. Das war im F95-Umfeld zuletzt in der Saison… Ja, in welcher Spielzeit der letzten 20 Jahre war das je so? Und ganz langsam gewöhnt man sich als Anhänger des Flingerer Clubs daran, aber nur ganz, ganz langsam.
Nennen wir es 3-3-2-2
Da zudem der hervorragende Jean Zimmer auf rechts und Lukas Schmitz auf links so etwas wie Außenläufer gaben, könnte man im Verbund mit dem ebenfalls wieder herausragenden Marcel Sobottka von einer zweiten Dreierkette sprechen. Davor gaben dann Oliver Fink – für viele neben Benito Raman Spieler des Tages – und Florian Neuhaus das offensive Mittelfeld, während sich mit Rouwen Hennings und Raman eine Doppelspitze ergab. Nennen wir das System also einfach 3-3-2-2. Ja, der belgische Flitzer, den sie im Web schon „Ramandonna“ tauften, übernahm die Rolle einer Sturmspitze. Vergleicht man diese Konstellation mit den vorangegangenen Spielen, müssen einem die Gegner leidtun. Da können die gegnerischen Coaching-Teams noch so viele Videos anschauen und analysieren – Funkel & Co. haben immer wieder eine Überraschung in petto.
Gepaart mit einer für fortunistische Verhältnisse ungeahnten Souveränität brachte dies die Bielefelder in der ersten Halbzeit ganz schön durcheinander. Weil den Herren in Blauschwarz offensiv zudem wenig mehr einfiel als zwei immergleiche Kombinationen, erspielten die sich eine einzige nennenswerte Torchance – dies als Heimmannschaft vor einer motivierten und lautstarken Fan-Gemeinde. Die Fortuna erspielte sich (hier passen „erkämpften“ oder „erarbeiteten“ überhaupt nicht) dagegen ein knappes halbes Dutzend Möglichkeiten, wobei man nicht einmal sagen kann, dass diese fahrlässig vergeben wurden. Der einzige Kollege in Rot, der sein Offensivspiel wenig zu variieren wusste, war Schmitz, der deshalb für den Gegner ausrechenbar und deshalb in den ersten 45 Minuten eher wirkungslos blieb.
Guter Schiri: Nur eine Fehlentscheidung
Vergessen wir nicht, dass der glorreichen Fortuna kurz vor dem Pausenpfiff ein Tor bzw. ein klarer Elfer verwehrt wurde. Ob Fink dabei im Abseits stand, ist kaum zu beantworten, aber dass ihn der Bielefeld-Keeper am Hals zu Boden riss, hatten alle gesehen – außer Schiri Stieler. Wobei auch das Referee-Team eine gute Leistung zeigte. Natürlich hätte Stieler schon recht früh damit beginnen können, gelbe Karten zu verteilen; er ließ jedoch Milde walten, was dem Spielfluss zugutekam und trotzdem kein hartes Spiel auslöste. Hervorzuheben sind auch beide Linienrichter, die einige knifflige, aber letztlich deutliche Abseitspositionen auf beiden Seiten richtig erkannten. Bei zweien davon zappelte das Leder (das längst aus Polyuredingsbums ist…) im Fortuna-Kasten, was zu einiger Erregung bei den Heim-Fans führte.
[Titelbild: Hajo Kendelbacher]
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Einverstanden, bis auf die Beurteilung der Schiedsrichter. Was die Linienrichter NICHT gesehen haben (im Fernsehen vielleicht nicht so deutlich rübergekommen) geht auf keine Kuhhaut. Und der Schiedsrichter pfiff eher intuitiv, aber sicherlich nicht nach Regelwerk.
Ich finde die Berichte immer grandios und äußerest angenehm zu lesen, aber diesmal bin ich auch nicht ganz einverstanden bzgl. der Meinung des Schiedsrichters.
Er hätte meiner Meinung nach zwingend mehr gelbe Karten gegen Bielefelder, insbesondere gegen den Klos, zeigen müssen und ein paar Szenen, z.B. die gute und faire Zweikampfführung von Sobottka, einfach als Foul zu bewerten, hat mich auch extrem aufgeregt. Die Fortuna hat das erste Mal seit vielen Jahren, über 90 Minuten konstant ein grandioses und souveränes Spiel gezeigt… Top, was grad mit der Fortuna, Mannschaft und Umfeld, läuft!!!
Korrekt, man kann die Leistung der Referees auch kritisch sehen. Allerdings war die Kartenpolitik von Stieler zumindest konsequent. Und, richtig, der Pfiff gegen Sobottka war eine weitere klare Fehlentscheidung.