F95 vs Karlsruhe 3:1 – Ein Sieg wie ein 3-Gänge-Gourmet-Menü
Analyse · Wäre dieser Spielbericht eine TV-Kochshow, dann hörte es sich ungefähr so an: Nachdem Küchenchef Preußer im Restaurant „Fortuna“ in den vergangenen Wochen immer mal etwas schiefgegangen war, konnte das gestrige 3-Gänge-Menü überzeugen. War die Vorspeise (1:0) noch unter Beteiligung der Servicekräfte entstanden, wurde das Hauptgericht(2:1) in seiner Komplexität zu einer Geschmacksexplosion am Gaumen. Das zauberhafte Dessert (3:1) mit seinem Süße-Säure-Spiel rundete das kulinarische Erlebnis ab. Chefkoch Preußer hatte am Herd, wo er gewöhnlich am heißesten ist, eine neue Kraft positioniert, die ihre Sache souverän löste. Daneben das österreichische Talent, das mehr beherrscht als nur Kaiserschmarren. Auf dem Posten ganz rechts wirbelte erneut der Mann für die scharfen Sachen, und auch der Koch für die skandinavischen Einflüsse hatte einen sehr guten Tag. Alles in allem kochte die Mannschaft von Christian Preußer zum ersten Mal seit der Wiedereröffnung des Restaurants „Fortuna“ so, wie es sich der Chefkoch vorstellt. [Lesezeit ca. 7 min]
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Aber, kommen wir zurück zum Fußball. Tatsächlich überraschten die Trainer das 22.000 Stimmen starke Fanvolk bei der Startaufstellung nur in einem Punkt: Dem zuletzt nicht so gut aussehenden Dragis Nedelcu zogen sie Tim Oberdorf vor, den auch 25-jährigen Burschen, der 2019 von Sprockhövel zu unserer Zwoten wechselte und dort durchgehende stabile Leistungen brachte. Und dieser Tim machte seine Sache ausgesprochen gut: voll konzentriert, schnörkellos, unaufgeregt, fehlerfrei. Im Block raunte jemand im Scherz: Tim Oberdorf wird der neue Robin Bormuth. Na ja… Ansonsten gab’s das erwartete 4-2-3-1, also eine Systematik mit nur einer Spitze, die wieder Rouwen Hennings hieß. Der rechtfertigte seine Aufstellung vor allem durch sein Mitwirken am dritten Tor für die glorreiche Diva.
Es war diese Bude zum 3:1, die genauso aussah, wie sich Preußer das für Tore in solchen Situationen vorstellt. Ein eher müder Angriff der Karlsruher wurde entschärft, und die Roten konzentrierten sich aufs Aufbauspiel. Und wie sie sich kümmerten! Es war ausgerechnet Tim Obendorf, der einen weiten, hohen Vertikalpass in die gegnerische Hälfte zauberte, wo Rouwen mit seiner Birne perfekt weiterleitete auf Kris Peterson, der in die Mitte des Strafraums ablegte, wo Khaled Narey nur noch seine Quante hinhalten musste, um das Ei zu versenken. Mancher Freund und manche Freundin der Diva rieb sich die Augen – solche Kombinationen hatte man zuletzt in der Aufstiegssaison 2017/18 gesehen.
Vergessen wir nicht, dass auch das 1:0 in der 10. Minute schon eines war, das der Fußballphilosophie von Mister CP entspringt. Denn ein willensstarkes Gegenpressing durch alle Mann vor der Viererkette ist ein wesentliches Stilelement. Dieses Mal war es Kris Peterson, der so agierte und einem Gegenspieler, der keine Kontrolle über den Ball zustande brachte, die Pille abnahm und dann den Turbo zündete. So richtig schnell im Kopf waren die KSCler nicht; weil da gleich vier Fortunen losspurteten, hatten sie dem Angriff nichts entgegenzusetzen. Kris passte scharf in die Mitte Richtung Hennings und Narey, aber es war dann der weißblaue Philip Heise, der das Ding zum Eigentor reinmachte.
Derselbe Philip Heise, der viel, viel später durch einen akrobatischen Fallrückzieher auf der Linie des eigenen Tors das 4:1 verhinderte – eine sehenswerte Aktion. 2008 in der Fortuna-U17 galt der mal als Riesentalent, sodass er stickum nach Gladbach wechselte, wo er sich nicht durchsetzen konnte. F95 nahm ihn wieder auf, allerdings in die Zwote, und da machte Herr Heise sich mit seinem Verhalten nicht viele Freunde. Und irgendwie hat er es vor lauter Vereinswechseln nie wirklich ganz nach oben gebracht. Dies nur als Exkurs in Sachen „ehemalige Fortunen“.
Jedenfalls waren die Zuschauenden, sofern sie nicht blau oder weiß gefärbt waren, äußerst zufrieden mit dem Treiben der Burschen mit dem F95 auf der Brust. Der Offensivdruck war gigantisch und brachte sage-und-schreibe FÜNF Ecken in den ersten zehn Minuten ein. Weder gegen die Achse Zimmermann-Narey, noch gegen das Duo Hartherz und Peterson hatte der KSC ein Gegengift im Medizinschrank. Und in der Mitte verteile Ao Tanaka nach Lust und Laune auf die Flügel. Es ist komisch mit dem Mann aus dem Sushi-Land: Manchmal denkt man, der versteckt sich. Aber wenn man ihn wirklich einzeln beobachtet, sieht man, dass er permanent anspielbar ist und immer sofort sieht, wohin die Reise gehen könnte. Und in die Zweikämpfe geht er inzwischen auch deutlich beherzter.
Okay, F95 führte mit 1:0, und das Team spielte gut. Aber dann kam einer dieser Fortuna-Momente, mit denen umgehen zu können eine Kernkompetenz der Menschen ist, die immer und immer wieder zu den Spielen der Diva pilgern. Der KSC startet einen eher harmlosen Angriff. Ein feiner Steckpass findet einen Weißblauen ungefähr drei Meter vor der Strafraumgrenze. Der zieht fein ab. Tanaka hat irgendwie die Gräte im Spiel, fälscht ab, und Flo Kastenmeier, der das Ding ohne Abfälschung sicher gehabt hätte, muss die Pille aus dem Netz pulen. Irgendwer im Block brüllte was gegen Kastenmeier, wurde aber von den Umstehenden, die besser hingeguckt hatten, zurechtgewiesen. Apropos: Erneut gab es keinen Kastenmeier-Moment – der Flo arbeitete sauber und solide und verkniff sich Eskapaden; sieht aus als sei er auf dem richtigen Weg…
Unentschieden ging es in die Pause, zum Glück „nur“ unentschieden, denn in der 41. Minute gehen bei Zimbo Zimmermann kurz die Kontrollleuchten aus, und er fabriziert einen Rückpass auf Kastenmeier, der zu leichter Beute für diesen Hofmann im KSC-Dress wird. Der geht frei auf Flo zu, der genau richtig rausläuft, sich breit macht, ohne einen Tunnel zu eröffnen und den Schuss in Weltklassemanier abwehrt. Apropos: Den gefürchteten Knipser hatten die Fortunen – bis auf diese eine Szene – jederzeit im Griff. Tatsächlich nahmen sie ihn ab der Mittellinie in eine Art milde Manndeckung, wobei er in der Regel von Käpt’n Bodze zuerst abgedeckt wurde, der ihn dann je nachdem von Hartherz oder Oberdorf übernehmen ließ – ein perfektes Rezept!
Wo wir gerade beim Adam, dem Mannschaftskapitän, sind: Den wievielten Frühling erlebt der gerade? So langsam erinnert seine Karriere an die von Olli Fink, dem Fitnesswunder, der in unserer Zwoten immer noch zu den Konditionsstärksten zählt. Auch Bodze wirkt enorm fit und austrainiert. Auffällig – und wer weiß, woran’s liegt – ist, in welchem Maße er inzwischen auch die Rolle als Anführer übernimmt. Ja, ja, in den vergangenen Jahren konnte man immer mal über ihn schimpfen und ihm beschränkte Mittel vorwerfen, aber dieser Adam Bodzek (36), der vor knapp elf Jahren vom MSV an die Düssel wechselte, spielt immer mehr seine schiere Erfahrung aus. Und weil man auch Cello Sobottka zu den erfahrenen Kickern in Rotweiß zählen muss, ist eine Doppelsechs entstanden, wie sie kaum besser funktionieren kann.
Und, wer war wieder Mann des Spiels? Jawoll, ihr völlig ergebener Berichterstatter hat zum dritten Mal nacheinander Khaled Narey gewählt. Wie der die Bälle annimmt, wie er sie behauptet, wie er Gegner umspielt, wie er sich anbietet, wie er flankt und wie er jederzeit richtig steht – es ist zum Verlieben. Sein Tor zum 3:1 war der gerechte Lohn für ein fehlerfreies Spiel. Wobei es ihn gegenüber dem offensiv ähnlich überzeugenden Kris Peterson heraushebt, dass er einfach aus Erfahrung weiß, was gegebenenfalls defensiv zu tun ist. Und natürlich profitiert der gute Khaled auch davon, dass er perfekt mit Zimbo harmoniert. Spaß machte aber auch, wie Kris und Khaled – besonders in der ersten Halbzeit – rochierten und den Gegner dadurch sichtbar verwirrten.
Bleibt noch von diesem verrückten 2:1 in der 51. Minute zu erzählen. Zunächst: Im Gegensatz zu einigen anderen Partien, in denen die Fortunen einen Ausgleich kassierten, ließen sie sich durch das 1:1 nur gering deprimieren. In der Pause gelang des Chefcoach Christan Preußer noch einmal, die Jungs auf ihre Tugenden einzuschwören, und so gingen sie nach dem Wideranpfiff ähnlich progressiv zu Werke wie zu Spielbeginn. Der KSC schien dagegen ein wenig schläfrig.
Jedenfalls kam es in der 51. Minute zu einer wirklich kuriosen Situation. Nach einer von Narey getretenen Ecke von links, die über den kompletten Sechzehner segelt, kriegt Peterson irgendwie die Kugel und setzt eine Art Bogenflanke an. Die biegt immer mehr in Richtung langer Giebel ab und landet am Lattenkreuz. Von wo sie Hartherz vor die Schuhe fällt, der sofort abzieht … und die Latte trifft. Es scheint als hätten die Gäste die Sache unter Kontrolle als einer von denen das Ei wegzudreschen versucht. Allerdings ist da noch der Arsch vom Cello im Weg, sodass der Ball wieder in Richtung Fünfer ploppt. Dort aber hält sich Klarer auf, der die Pille mit der Pieke über die Linie drückt.
Das Stadion flippt kollektiv aus, viel Bier ist in der Luft, und auf der Süd hat tatsächlich jemand Pilsmanschetten aus Papier dabei, die er freudig erregt emporschleudert. Es ist beinahe wie früher. Zumal sich auf den Stehplätzen immer mehr bekannte Gesichter einfinden, die sich Arenabesuche bisher verkniffen haben. Dementsprechend entwickelt sich auch die Stümmung im Block – ein großer Teil des Repertoires an Gesängen und Parolen wird gestartet; nicht immer steigen genug Kehlen ein, um es richtig krachen zu lassen, aber: Auch die Fans sind auf dem richtigen Weg. Bei manchen Wechselrufen wünscht man sich die strukturierende Trommel der Ultras, aber insgesamt vermisst man die Pauke weniger als die stimmgewaltigen Kerle von UD (und Konsorten).
Gibt ja immer noch „Experten“, die dem Trainer (und natürlich Uwe Klein, der ja eh immer an allem schuld ist…) vorwerfen, er würde „die Jungen“ nicht berücksichtigen. Ach was? In Hamburg saß der noch nicht 16-jährige David Savic auf der Bank, um einmal von dort aus mitzukriegen wie sich Zweitligaduelle vor 40.000 Nasen anfüllen. Und der knapp 17-jährige Daniel Bunk, der uns in der Vorbereitung so viel Spaß gemacht hat, säße dort sicher auch, wäre er nicht verletzt. Phil Sieben (22), den Uwe Klein aus der Paderborn-Reserve zu unserer Zwoten geholt hat, wurde gegen den KSC sogar eingewechselt. Der gleichaltrige Tyger Lobinger ist (noch meistens als Ersatz) schon fast eine Stammkraft. Ach ja, unserer (noch) dritter Keeper, Dennis Gorka, ist gerade 19 Jahre alt. Ihr Ergebener wird zu dem Thema nächste Woche noch etwas schreiben…
Wie schreiben handelsübliche Sportjournalisten in solchen Lagen: Das Spiel macht Hoffnung. Es wird nun darum gehen, die Leistungen der Einzelnen und des Teams fortzuschreiben. Ein wesentlicher Faktor wird die Fehlervermeidung sein, denn die hat in der Partie unter dem blauen Himmel am Rhein gestern prima geklappt – die statistischen Werte belegen das Gesehene. War ja bisher auch meistens so, dass die Offensive recht stark auftrumpfte, aber teils massive Fehler in der Defensive in unschöner Regelmäßigkeit zu Punktverlusten führte. Könnte gut sein, dass die Truppe sich inzwischen so richtig eingegroovt hätte. Die Einstellung stimmt sowieso, das Bewies der Remis in Unterzahl in Hamburg. Ein Blick auf die Konkurrenz – namentlich Nürnberg und Schalke – zeigt, dass es genau die Konstanz ist, die in dieser Saison zu einem guten Endergebnis führen wird.
Bevor es nach Rostock geht, kommt Wichtiges. Es ist ja bekannt, dass euer dramatisch ergebene F95-Freund sich so sehr wünscht, die glorreiche Fortuna könne mal was im Pokal reißen und im Mai nach Berlin reisen. Dafür muss aber am Mittwoch Hannover aus dem Weg geräumt werden, ja, MUSS. Alles andere als ein Auswärtssieg in Hanoi wäre eine Enttäuschung.
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Ja, das war gestern sehr schön anzusehen, was die Fortuna da auf dem Rasen zeigte (für mich wegen einem dicken Knie leider nur vor dem TV). Manche meinten ja, die Karlsruher waren aber auch schlecht. So einfach ist das nun auch nicht, denn Fortuna hat auch nicht zugelassen, dass sie ihre Stärken ausspielen. In den nächsten Wochen werden wir ja sehen, welchen Weg die Fortuna nimmt.
Oberdorf war gestern erstaunlich cool, zeigte eine gute Leistung. Er hat anscheinend auch eine gute Technik, der eine oder andere lange Pass sah nicht schlecht aus. Ich würde mir nur mal Bozenik von Beginn an wünschen. Der hat ordentlich Technik, gute Ballbehandlung und Schnelligkeit und könnte vorne in Einzelaktion für mehr Alarm als Hennings sorgen.
Bleibt jetzt noch die Frage, wohin mit Appelkamp. Das hat gestern dermaßen gut funktioniert, dass diese Frage nicht unberechtigt ist. Tanaka möchte ich eigentlich nicht missen, der hat einen feinen Blick und sehr gute Technik. Dazu wird er immer kampfstärker. Und, wie oben schon geschrieben, er ist fast immer anspielbar. Bleiben eigentlich nur noch Sobottka oder Bodzek, für die könnte Tanaka auf die „6er“ Position gehen.
Ein Luxusproblem, ein breiter Kader ist ja nicht schlecht.
Mir würde es reichen, wenn die Mannschaft sich in dieser Saison gut einspielt um dann nächste Saison höhere Ziele anzugehen. Dann muss man aber nur rechtzeitig den einen oder anderen Vertrag verlängern und die Kaufoptionen der Ausleihen wie z.B. Bozenik und Tanaka ziehen. Womit wir wieder bei der Knete sind.