Euer Ergebener

Fortunen! Schaut auf diese Stadt! Schaut auf Berlin!

Ausnahmsweise geht es beim Stichwort „Berlin“ mal nicht ums Pokalendspiel sondern darum, was die Fortuna von Union und Hertha lernen könnte.

Meinung · Kein Verein ist ja so scheiße, dass er nicht noch als schlechtes Beispiel dienen könnte. Womit wir bei Hertha BSC sind, dem Big Shitty Club, der gerade auf Normalmaß zurechtgestutzt wird. Seit dem juristischen Nachspiel der Relegation 2012 mögen Fortunen die Hertha nicht. Vorher war das Verhältnis neutral, und nur die Älteren erinnern sich noch daran, dass die sogenannten „Hertha-Frösche“ mal (mit) das übelste Pack unter den Fans einer Bundesligamannschaft waren. Euer Ergebener war irgendwann Mitte der Siebziger Augenzeuge wie ein Trupp dieser Vollasis vor dem Spiel prügelnd durch die Schadowstraße Richtung Altstadt zogen, dabei auch vor Frauen nicht Halt machten und sogar Kinderwagen umschmissen. [Lesezeit ca. 5 min]

Seitdem mochte der Ergebene diesen Verein nicht. Selbst als dort mal spannende Spieler kickten, wünschte er der Hertha immer von Herzen alles Schlechte. Deshalb stimmte er schon in den Chor der Häme ein, der anschwoll als dieser Windhorst 2019 dort mit Milliönchen einstieg und später tatsächlich Klinsmann als Trainer einfliegen ließ. Ein Hauch Hass kam auf, als ausgerechnet dieser Scheißverein Dodi Lukebakio vom FC Watford kaufte, der Mann, der uns eine Saison lang so viel Freude bereitet hat.

Na, schon gespannt auf den Spielbericht? Nach einer kurzen Werbeunterbrechung geht’s weiter. Denn die Fortuna-Punkte verstecken sich nicht hinter einer Paywall. Alles, was du hier findest, ist gratis, also frei wie Freibier. Wenn dir aber gefällt, was du liest, dann kannst du uns finanziell unterstützen – zum Beispiel mit dem Kauf von Lesepunkten. Wir würden uns sehr freuen.

Drei Jahre später ist die Kohle verbrannt. Windhorst versucht verzweifelt seine Anteile zu verhökern. Fredi Bobic, der den Shitty Club ja big machen sollte, wurde geschasst. Und die sinnlos zusammengewürfelte Mannschaft steckt im Abstiegssumpf. Darauf könnte man sich eine Flasche Berliner Kindl genehmigen. Nur steht uns Fortunen angesichts dieser Entwicklung die Häme eigentlich nicht zu, denn F95 hat Ende der Neunzigerjahre eine ganz ähnliche Entwicklung genommen – wenn auch alles eine Nummer kleiner.

Man erinnert sich: 2012 nach dem Halbangstspiel... (Foto: FP)
Man erinnert sich: 2012 nach dem Halbangstspiel… (Foto: FP)

Unser Windhorst hieß Kölmel. Und die über den Sportwelt-Deal gezogenen Milliönchen verbrannte Fortuna unter der Ägide des Kunsthändlers Achenbach in Nullkommanix. Die Verantwortlichen waren untereinander zerstritten, das Knowhow-Niveau unterirdisch. Ab 1997 führte der Weg ohne Halt bis hinab in die Vierte Liga. Der Verein war sportlich fast am Ende und hoch verschuldet. Wenn sich der Ergebene richtig erinnert, waren die Mitgliederzahlen bis knapp über 2.000 zurückgegangen. Fortuna war am Arsch.

Allerdings hatten sich zwei Hände voll echter F95-Liebhaber:innen zur sogenannten „Montagsrunde“ zusammengefunden mit dem klaren Ziel, die Fortuna am Leben zu erhalten und wieder zu einem ernstzunehmenden Fußballverein zu machen. Aus der Runde entstand die Satzungskommission, die dem TSV Fortuna Düsseldorf die Satzung gab, die heute noch gilt, also als eingetragener Verein mit einem hauptamtlichen Vorstand und einem ehrenamtlichen Aufsichtsrat. Den Vorsitz dort hatte der amtierende Oberbürgermeister Joachim Erwin erobert, der an Fußball gar nicht und an der Fortuna wenig interessiert war. Sein Problem war es, dass er den Bau der Multifunktionsarena gegen jeden Widerstand durchgezogen hatte und diese zum Millionengrab für die hiesigen Steuerzahler zu werden drohte.

Finde den Fehler: Menschen machen Fehler. Schreiber:innen sind Menschen, machen also Fehler. Und Schjreiber ohne großes Team hinter sich – wie der Ergebene – machen natürlich auch Fehler. Deshalb unsere Bitte an alle: Wer einen Fehler im Text entdeckt, meldet ihn uns auf einem der bekannten Wege – z.B. per Mail an kontakt@fortuna-punkte.de oder über das Kontaktformular. Wir versprechen, falls wirklich etwas Falsches im Beitrag stand, bedanken wir uns nicht nur, sondern korrigieren es umgehend. Schönen Dank im Voraus!

Also sollte F95 schnellstens in die Bundesliga. Der „Weltmeister“ Thomas Berthold (mittlerweile als Querdenker berühmt) sollte es richten und wurde im Juli 2003 als „Manager“ installiert. Außerdem ließ er zu seinem Geburtstag im September 2004 das Eröffnungsspiel der Arena in der Baustelle unter fragwürdigen Sicherheitsbedingungen stattfinden. Es ging … gegen Union Berlin. Aber, wie wir heute wissen, die Wiederauferstehung der Diva war dann doch nicht das Werk von OB Erwin, sondern ist der unermüdlichen un kleinteiligen Arbeit der aktiven Fans zu verdanken.

Womit wir bei den Parallelen sind. Auch bei der Hertha regte sich im Fan-Untergrund erheblicher Widerstand gegen die großspurigen Windhorst-Pläne. Auch dort fanden sich aktive Fans zusammen, die ihren Club wieder zurückhaben wollten. Auch dort machten sich erfahrene Anhänger:innen auf den Weg durch die Institutionen. Und spätestens seit der Wahl des Ex-Ultras Kay Bernstein im Juli 2022 zum Präsidenten – bei gleichzeitiger Entmachtung alter Seilschaften – ist Hertha BSC auf einem ähnlichen Weg wie die Fortuna zwanzig Jahre zuvor. Wer den wahren Fußball liebt, sollte diesen Herthaner die Daumen drücken.

So sieht's aus: Bierbude vorm Gästeblock in der Alten Försterei (Foto: FP)
So sieht’s aus: Bierbude vorm Gästeblock in der Alten Försterei (Foto: FP)

Ganz anders sieht es beim FC Union aus; den kennen wir erst seit 2000, da sind wir den Eisernen aus Köpenick erstmals in der Regionalliga begegnet. Die Startbedingungen des FCU damals waren noch schlechter als die der Fortuna in jenen Jahren, denn die hatten nicht nur kein Geld, sondern ein marodes Stadion an der Backe. Als Ostzonenclub, der in der ehemaligen DDR auch schon Underdog war, schlugen den Eisernen im Westen auch nicht viele Sympathien entgegen. Aber genau das löste den Widerstandsgeist der Berliner Ossis aus, die genau diesen Club nach vorne bringen wollten (und nicht den Stasi-Verein Dynamo…). Und den Scheißwessi von der Hertha wollte man es zeigen.

Der Ergebene war insgesamt achtmal mit F95 in der Alten Försterei zu Besuch, und trotz einiger unschöner Begegnungen war er immer gern in Köpenick und hatte immer sehr viel Sympathie für Union. Nur dass die es wirklich mal in die Erste Liga schaffen, dort überleben und sogar mal Tabellenerster werden könnten, daran hat er nie geglaubt. Noch in deren ersten Erstligasaison 2019/20 lagen deren Sponsoring-Einnahmen unter denen der Fortuna (die auch nicht sonderlich hoch waren), sodass der Spielbetriebsetat noch geringer war als der ganzen Eintagsfliegen wie Ingolstadt oder Paderborn. Und trotzdem…

Seien wir ehrlich: Fortuna Düsseldorf könnte auch da stehen, wo Union Berlin jetzt steht. Was ist deren Erfolgsgeheimnis? Ganz eindeutig: Die vermutlich klügste Kaderpolitik, die je ein Profifußballverein in Deutschland betrieben hat. Denn der Verein hat sich schon so um 2016 herum von der romantischen Idee verabschiedet, man müsse einen Kader möglichst lange zusammenhalten. Im Gegenteil: Gerade mit den teuren Kickern hat man eher kurzfristige Verträge mit relativ geringen Festbezügen und hohen Prämien abgeschlossen. Angelockt hat man regelmäßig bekannte Namen (Subotic, Kruse etc.) – nicht mit Kohle, sondern mit dem Versprechen, das Spiel des Teams mehr oder weniger auf sie zuzuschneiden.

Saison 2019/20: Das Ende mit Schrecken - ausgerechnet bei Union (Screenshot: Sky)
Saison 2019/20: Das Ende mit Schrecken – ausgerechnet bei Union (Screenshot: Sky)

Transferüberschüsse hat man derart geschickt investiert, das transfermarkt.de dem aktuellen Kader einen „Marktwert“ von annähernd 120 Mio zumisst; im Aufstiegsjahr waren es etwas mehr als 40 Mio. Immer wieder gelingt es den Eisernen außerdem, prominente Kicker ablösefrei zu holen. Ruhender Pol der Sache ist Trainer Urs Fischer, der in Sachen Systematik so flexibel ist, dass er das Passende für den jeweils zur Verfügung stehenden Kader findet. Der ist auch keiner, der sich bestimmte Spieler wünscht, sondern nimmt, was kommt.

Davon könnten die fürs Sportliche Verantwortlichen, also Klaus Allofs und Christian Weber sicher etwas lernen. Der Erfolg der Eisernen belegt nämlich auch, dass das Jammern über den engen Finanzrahmen auch ein Eingeständnis mangelnder Flexibilität und Kreativität bei der Kaderplanung ist. Übrigens: im Jahr 2019 standen alle bekannten wirtschaftlichen Faktoren für die Fortuna günstiger als für Union. Und hätten sich die verdammten Bremer nicht mit dem verschissenen Äff-Zeh auf den F95-Abstieg geeinigt, wer weiß, ob unsere wunderhübsche Diva nicht einen ähnlichen Weg eingeschlagen hätte.


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