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H96 vs F95 6:1 – …braucht das Leben nicht zu fürchten

Eine der berühmtesten Szenen in der Geschichte des DFB-Pokals: Günter Netzer wechselt sich im Finale 1973 selbst ein und entscheidet das Spiel. Alexander Madlung hätte heute ebenfalls zur Legende werden können … wenn er sich nach 20 Minuten selbst ausgewechselt hätte. Okay, am Ergebnis hätte das nicht viel geändert, aber vielleicht wäre es der angemessene Ausdruck von Selbstachtung gewesen. Nun hat aber der Lange mit der Nummer 39 das Spiel nicht allein verloren. Wenn es eine Person gibt, die diese Klatsche auf die eigene Kappe nehmen müsste, dann Trainer Friedhelm Funkel. Wirkte die extrem überraschende Startaufstellung auf den ersten Blick noch spannend, zeigte sich über die gesamten neunzig Minuten, in welch hohem Maße der erfahrene Coach lag.

Nehmen wir den als Spitze für blöd verkauften Maecky Ngombo, der ja bei Roda seinerzeit eher Gestalter als Knipser war. Der gute Mann hing nicht nur in der Luft, sondern hatte nicht den geringsten Schimmer, was er da vorne eigentlich sollte. Selbst wenn es nicht schon nach 16 Minuten 4:0 für die Hannoveraner gestanden hätte, wäre das nicht gut gegangen. Und dann auch noch der tolle Kaan Ayhan, dem ab und an der ebenso tolle Arianit Ferati im Wege stand. Und umgekehrt. Ihlas Bebou mühte sich nach Kräften, hatte aber keine sinnvolle Verwendung für seine sonst so brillanten Spielideen. Marcel Sobottka versteckte sich frühzeitig, und so blieb die F95-Offensive ungewohnt harmlos.

Pressing bis zum Gehtnichtmehr

Dass mag auch an den extrem früh störenden 96ern gelegen haben, die durch dieses Pressing die gesamte F95-Defensive nach Belieben aus den Angeln hob. Da konnte einem vor allem Kevin Akpoguma leidtun, der sich nach Kräften bemühte, den Laden zusammenzuhalten. Unerheblich, dass auch Julian Schauerte und vor allem Lukas Schmitz blass blieben. Adam Bodze tat dagegen, was er immer tut, und man konnte zwischenzeitlich den Eindruck gewinnen, er spiele seinen Streifen runter als ob ihn der Rest nichts anginge.

Erschreckend war nur, dass Funkel und Hermann in der Pause nicht komplett umstellten, sondern bloß Axel Bellinghausen brachten, der genauso zwischen allen Stühlen herumirrte wie der Rest der Truppe. Die Einwechslungen von Justin Kinjo und Jerome Kiesewetter konnte da nur noch ungläubiges Staunen auslösen. Erschreckend war auch, dass die Mannschaft der glorreichen Fortuna in der zweiten Spielhälfte noch chaotischer agierte als vor der Pause. Okay, man kann natürlich fragen, wie ein Trainergespann angemessen auf ein 5:1 zur Pause reagieren könnte. Leider haben die beiden älteren Herren de facto gar nicht reagiert, sondern das Debakel einfach geschehen ließen. Eine 6:1-Ohrfeige kann vorkommen, aber darf sich nicht so abspielen. Da konnten die Kicker auf dem Platz im Niedersachsenstadion per Saldo am wenigsten für.

Frust und Wut

Einen detaillierten Spielfilm oder gar eine Einzelbetrachtung der Tore kann man sich schenken – für eine nachhaltige Analyse gibt die Partie ohnehin nichts her. Auch ist ein Madlung-Bashing, das einige eher dumme Fortuna-Fans im Netz bereits starteten, völlig deplatziert. Der erfahrene Spieler hatte einfach einen mehrfach gebrauchten Tag gezogen und war nach dem zweiten Gegentor einfach durch. Ihn bis zum Schlusspfiff durchspielen zu lassen, kann nur als psychologische Maßnahme gewertet werden. Natürlich hätte ein frühzeitiges Einwechseln von Robin Bormuth gegen Madlung dem möglicherweise mittelfristig den Boden unter den Füßen weggezogen. Was weder gut für Bormuth noch für die gesamte Mannschaft gewesen wäre.

Klug wäre es dagegen gewesen, Lukas Schmitz spätestens zur 60. vom Feld zu holen. Weil bei dem der Frust deutlich sichtbar in Wut umschlug. Die sich blöderweise gegen einen 96-Kicker wandte, dem er von hinten in die Gräten trat. Glattrot war eventuell ein wenig zu hart, aber vertretbar. Bestenfalls bringt es den Außenverteidiger, der so oft so wertvoll war in der laufenden Saison, zum Nachdenken. Zu hoffen bleibt auch, dass die hochbegabten Ayhan und Ferati keinen Schaden durch die Klatsche genommen haben – beide waren ebenfalls erheblich frustriert.

Abhaken? Besser ist das…

Der nicht mehr ganz so sympathische Dieter Nuhr, der ja mal Fortuna-Fan war, hat einst den Satz geprägt: Wer Fortuna-Fand ist, braucht das Leben nicht zu fürchten. Wie richtig diese Behauptung ist, bewies die Stimmung im Bilker Häzz bei den anwesenden Anhängern der launischen Diva. Ungläubiges Staunen schlug nicht – wie noch in der Vorsaison – in Wut und Hass auf eine Söldnertruppe um, sondern in eine Art heitere Gelassenheit mit einem Hauch Sarkasmus. Einer der Beobachter bot in der Halbzeit sein Fortuna-Trikot an, es sei billig zu haben. Andere versetzten die Phrasendreschmaschine in Rotation, dass die Achsen glühten. Kaum einer war böse oder traurig. Nur der Verfasser dieser Zeilen spürte nach Abpfiff doch eine gewisse Enttäuschung. Ist es doch sein letzter großer Fortuna-Traum, die Rot-Weißen noch einmal im Berliner Olympiastadion in einem DFB-Pokalfinale zu sehen. Und hofft auf den nächsten Anlauf in der Saison 2017/18.


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4 Gedanken zu „H96 vs F95 6:1 – …braucht das Leben nicht zu fürchten

  • Ach, ich würde auch einiges dafür geben, den Nachfolgern von Günter N. beim Pokalfinale zuzusehen.
    Einzig, der DFB vermarktet am liebsten Bauern-BVBäh..

    Und so Spiele passieren halt…

    Antwort
  • Madlung-Bashing? Warum nicht. Der Kerl war letztes Jahr beim 5:1 gegen Nürnberg ein Garant für die Niederlage und hat dies auch gestern eindrucksvoll unter Beweis gestellt. Er hatte zwar mal bessere Tage, aber schon vor seiner Sperre war er negativ aufgefallen. Ich muss ihn nicht mehr auf dem Platz sehen!

    Antwort
    • Von mir aus braucht Madlungs Vertrag auch nicht verlängert werden, aber ihm jetzt die Niederlage allein anzulasten, geht auch nicht (Mobbing wie bei Levels schonmal gar nicht). Selbst einen Totalausfall muss eine Abwehr auch mal auffangen können, ohne sechs Tore zu kassieren. Und der Angriff? Daß ausgerechnet ein Innenvertediger das einzige Tor schießt spricht wohl für sich.

      Antwort
  • „Adam Bodze tat dagegen, was er immer tut, und man konnte zwischenzeitlich den Eindruck gewinnen, er spiele seinen Streifen runter als ob ihn der Rest nichts anginge.“
    Ich beobachte Bodzek während der Spiele und er ist dermaßen unauffällig und hält sich von Ball und Gegner fern wie ich es bei keinem anderen Fortunen sehe. Völlig überschätzt meiner Meinung nach…

    Antwort

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