F95 vs Rostock 3:0 – Eine durch und durch reife Leistung
Fortuna gewinnt klar und zurecht – da kommt sogar der Sportschaukommentator ins Schwärmen…
Analyse · Man ist ja schon ganz schön konditioniert als Fortuna-Fan. Als die Hansas nach dem 2:0 in der 64. Minute nochmal so richtig aufdrehten, raunte es rund um den Ergebenen im 41er: „Wenn das mal gut geht.“ Und: „Wenn die sich den Ausgleich fangen, dann wird’s eng.“ Wie gesagt: ein bedingter Reflex. Denn in Wahrheit boten die Roten eine durch und durch reife Leistung und hatten die Partie (mit winzige Ausnahmemomenten) jederzeit unter Kontrolle. Beeindruckend vor allem der nie nachlassende Wille, die Gäste offensiv zu zwicken, der in einem wunderhübschen Ferntor durch – jawoll! – Khaled Narey in der dritten Nachspielminute kumulierte. Die allerseitige Freude nach dem Schlusspfiff war so groß, dass es zwischen Ultras und Mannschaft gewisse Kommunikationsprobleme in Bezug auf das Feierritual gab. [Lesezeit ca. 8 min]
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Apropos: Einen neuen F95-Fangesang ausgerechnet auf John Lennons und Yoko Onos „Give peace a chance“ zu kreieren, ist mindestens instinktlos. Zumal es im auf Fortuna angepassten Text kein bisschen um Frieden geht. Dafür war aber die Choreo zu Ehren des am Mittwoch mit 72 Jahren verstorbenen Ex-Fortunen Zimbo Zimmermann, einer wahren F95-Legende, wunderschön und in jeder Hinsicht angemessen. Der Schweigeminute, die Stadionsprecher André Scheidt mit einer würdigen Rede einleitete, schlossen sich übrigens nicht nur die Hansa-Spieler, sondern auch deren mitgereisten Anhänger (weitestgehend) an.
Euer erstaunlich ergebener F95-Experte kriegte die Motten, als er mitbekam, dass ein gewisser Sascha Stegemann die Partie würde leiten dürfen. Denn der hat er als ausgesprochen unegalen Referee in Erinnerung, der meist zumeist beide Seite gleichmäßig benachteiligt. In der ersten halben Stunde sah es wieder danach aus, aber dann fing sich der junge Mann. Allerdings hätte er diesem strunzunsympathischen Holländer in Rostock-Reihen nach Spielschluss die glatte rote Karte wegen einer Tätlichkeit zeigen müssen. Die Type rannte nach Abpfiff wutschnaubend auf die Fortuna-Bank zu, streckte den Arm mit geballter Faust aus und konnte gerade noch daran gehindert werden, einem Fortunen die Fresse zu polieren. Mit wem er Beef hatte, war nicht auszumachen, aber während der Spielzeit war er wohl mit Rouwen Hennings aneinandergeraten. Den konnten die Kollegen nach dem Anschlag durch diesen Verhoek kaum noch bremsen…
Rouwen litt unter dem Ausfall seines Spannmannes Daniel Ginczek, der Cheftrainer Daniel Thioune dazu brachte, nur mit einer Spitze antreten zu lassen, Herrn Hennings nämlich. Man kann das auch als mildes Misstrauensvotum gegen den verletzungsfreien Emma Iyoha werten, aber in Wahrheit haben unsere Coaches mit dieser ungewöhnlichen Aufstellung den Gegner an der Nase herumgeführt. Das gab deren Trainer auch zu; man habe sich auf eine ganz andere Systematik eingestellt und deshalb schlecht ins Spiel gefunden. Interessant übrigens, dass Hansa der Zweitligist ist, der mit am intensivsten auf die Videoanalyse der Kontrahenten setzt, eine Methode, die sich vier Spiele lang ausgezahlt hat – unter anderem mit Siegen gegen Schalke und Pauli.
Die Sachkundigen auf der Süd brauchte lange, das Thioune’sche System des Tages zu entschlüsseln und einigten sich schließlich darauf, es handele sich um ein 4-3-2-1. Das passte jedenfalls bis etwa zur 60. Minute prima. Weil dann ein wenig Schwäche in den roten Reihen auftrat, wechselte DT in der 70. völlig überraschend Eddie Prib und Tim Oberdorf ein. Der schöne Eddie ersetzte erwartungsgemäß den bis dahin hochaktiven Cello Sobottka, während Tim für den ebenfalls leicht angelaugten Matthias Zimmermann kam. Wieder Verwirrung bei den Experten: „Der wird doch nicht….“ Doch: Thioune stellte auf eine variable Dreier-Kette um. Heißt: Hinten standen immer drei Mann in wechselnder Besetzung, die aber meistens Andre „Hoffi“ Hoffmann und Jordy de Wijs beinhaltete.
Verrückterweise aber spielte Tim Oberdorf häufig die Zimmermann-Rolle mit Flügelläufen und Flanken. In diesem Fall gliederte sich in der Regel Ao Tanaka in die Defensivreihe ein. Auf der linken Seite bot Nicoals Gavory ohnehin mehr als ein handelsüblicher Außenverteidiger; ab der 70. war er dann quasi der linke Außenläufer, der seine astreine Vorstellung mit dieser Wahnsinnspräzisionsflanke direkt auf die Birne vom völlig freistehenden Shinta Appelkamp krönte, der mit einem lehrfilmreifen Kopfball das 2:0 markierte.
Zu Spielbeginn bestand die Viererkette also aus Zimmermann, Hoffmann, de Wijs und Gavory. Die drei Musketiere im Mittelfeld hießen Sobottka, Tanaka und Appelkamp. Als Außenstürmer traten Khaled Narey und Kris Peterson an, während vorne Rouwen Hennings ackerte und wühlte (Diese Formulierung widmet der Ergebene dem Blocknachbarn, der ihm verboten hat, diese Formulierung zu verwenden). Interessant an diesem 4-3-2-1 ist, dass die Flankenläufer fast nie ganz außen laufen, sondern immer nach innen ziehen und oft sogar zentral und nach hinten versetzt zum Mittelstürmer agieren. Das macht die beiden AV fast automatisch zu Offensivspielern.
Mindestens genauso interessant die Dreierkonstellation im Mittelfeld, vor allem, was die extreme Flexibilität angeht. In der Grundordnung stand Cello vor der Viererkette, ein bisschen davor Ao und noch weiter vorn Shinta. Tatsächlich aber rotierten die drei Burschen nach Lust und Laune, was den Rostockern vor allem in der ersten Hälfte fette Fragezeichen auf die Stirn malte, weil diese Rotationen und auch Rochaden (Narey <-> Peterson) sowohl defensiv wirkten, als auch offensiv. Weil die Fortunen erneut massivst auf Balleroberung aus waren und da auch gute Quoten erreichten, kamen die Hansas in den ersten 45 Minuten auf exakt 0 Torschüsse (in Worten: null). Zwei Schlüssel zu dieser Verteidigungsstärke waren das kompromisslose Raushauen von Bällen aus der Gefahrenzone und ein Flo Kastenmeier mit perfektem Stellungsspiel.
In der 57. Minute aber entschärfte er einen wirklich brandgefährlichen Ball, der Richtung lange Ecke kam und kurz vorm Keeper aufsetzte. Den wischte er mit ausgetrecktem Arm gerade so an Pfosten vorbei ins aus. Und, ja, man glaubt es kaum: Es gab in den 93 Minuten nicht einen einzigen Kastenmeier-Moment! Irgendwie fehlte einem dieser spezielle Nervenkitzel, geboren aus einer Mischung von Lässigkeit, Arroganz und Sorglosigkeit, die wir am Flo so lieben.
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Der Mann, der die Ausschnitte für die Sportschau kommentierte, konnte gar nicht an sich halten, so sehr schwärmte er von der fortunistischen Spielstärke. Das sehe nach erster Liga aus, meinte er. Und da bildeten sich in den ergebenen Augenwinkeln ein paar Tränchen angesichts dessen, was mit einem Daniel Thioune als Trainer von Saisonbeginn an möglich gewesen wäre. Beziehungsweise: Was mit einem Kader wie diesem, wenn er von Anfang an so bestanden hätte, in Richtung Aufstieg möglich gewesen wäre. Und gestern, das war eben auch ein Sieg des Chefcoaches. Das zeigte er selbst auch mehr als deutlich – nicht nur bei seinem Sprint zur Jubeltraube an der Eckfahne nach dem 3:0.
Schon bei Shintas 2:0 hopste der Vollblutfußballer, der zurecht nicht müde wird, sich als Fußballer zu bezeichnen, aus der Coaching-Zone auf den Platz, die Arme emporgerecht, die Fäuste geballt, ein glückliches Grinsen auf dem Gesicht. Vielleicht ist es genau das, was dieser Kader brauchte: einen Fußballer als Trainer. Einen relativ jungen dazu, den die älteren Spieler auch noch als Kollegen sehen, wobei Thioune seine natürlich Autorität – wie Mile Miletic in unserem Gespräch betonte – bereits als Kapitän bei RW Ahlen bewiesen hat. Der Mann ist sich ja auch nicht zu schade, Fehler(chen) wie bei der Wechselei letzte Woche einzugestehen.
Und, klar, war das gestern auch ein Coaching-Sieg, wobei man immer auch die Qualitäten von Jan Hoepner und Manfred Stefes addieren muss. Während Stefes ja als Trainingsleiter fast auf dem Niveau eines Peter Hermann (der jetzt bei Schalke leiden muss) arbeitet, gilt Hoepner als feiner Analytiker. Gemeinsam erarbeiten sie Spielplan, System und Startaufstellung – das letzte Wort hat natürlich der Cheftrainer. Da kommen dann so Sachen dabei heraus wie die gestrige taktische Grundordnung und der für manche erstaunliche Verzicht auf eine zweite Spitze sowie wie auf Eddie Prib und Florian Hartherz.
Schwärmen wir schließlich noch von diesem herrlichen Treffer zum 1:0. Wer gönnt es dem jungen, durch ständige Länderspielberufungen und damit verbundenen Fernreisen gestressten Ao Tanaka nicht, diesem Hammer in der 13. Minute? Entstanden aus einem brillanten Spielzug über nur drei Stationen: Peterson, Narey, Tanaka. Das fing schon beim Schweden-Kris an, der einen eigentlich verlorenen Ball zurückerobert und auf Narey passt, der zieht und zieht und zieht und flankt dann flach an den Rand des Fünfers, wo Ao angerauscht kommt und unhaltbar einlocht. Herrlich!
Euer immer noch Ergebener pflegt ja, nach einem Sieg kritischer mit den Personen mit dem F95 auf der Brust umzugehen als nach Niederlagen. Das ist dann Naserümpfen auf höchstem Niveau, ja, fast schon Fehlerklauberei. Nehmen wir mal den Rouwen, der nur zwei echte Möglichkeiten hatte; eine davon wurde nichts, weil er für seinen Gegner nicht schnell genug war und der ihm das Ei zwar nicht mehr abknöpfen, ihn aber in eine schlechte Schussposition bringen konnte. Es zeigt sich glasklar, dass Hennings nur noch in einer Zweispitze der Knipser ist, der er immer war. Ob es sinnvoll ist, ihn nach vorne zu stellen, wenn er keinen Kumpanen in der Spitze hat, ist die Frage – vielleicht wären dann sogar (im Sinne des „fehlenden“ Mittelstürmers à la Jogi Löw) Emma Iyoha oder Robert Bozenik die besser Lösung.
Ständig am Rande eines Ausfalls operierte Kris Peterson, der – verdammt nochmal! – endlich mal auf Dauer seine Talente ausschöpfen muss. Dem würde der Ergebene beispielsweise 20 Stunden Schusstraining pro Woche verordnen. Kann doch nicht sein, dass er jedes Mal verhaut, wenn er die Pille in aussichtsreicher Lage bekommt. Weiter: An Zimbo (Ja, doch, wir überreichen ihm nach dem Tod des wahren Zimbos diesen Ehrentitel…) Zimmermann nagt wohl ein wenig der Zahn der Zeit. Wenn er konditionell nachlässt, verändert er von sich aus seine Rolle und hält sich dann aus der Offensive weitestgehend heraus. Kann gut sein, dass er in dieser Phase seiner Karriere tatsächlich besser als Sechser taugt, müssten die Coaches mal unter Wettbewerbsbedingungen testen.
Erfreulich, dass Ao Tanaka seine anfängliche Schüchternheit abgelegt hat, sich mehr traut und eben auch öfter und härter in die Zweikämpfe geht. Ebenfalls schön zu sehen, was Shinta Appelkamp zustande bringt, wenn er nicht zum alleinigen Kreativkopf hochgejazzt wird. Begeisternd, dass ausgerechnet die beiden Nipponesen gescort haben. Was natürlich manche Schreibhand nicht am Klischee vom „Japan-Tag im April“ vorbeilaufen lässt. Gut, dass noch keiner auf das Ding mit der „Sushi-Connection“ gekommen ist, die ein Medienkollege mal weiland zu Zeiten von Usami und Haraguchi erfand. Aber natürlich ist es in Zeiten der galoppierenden Nationalismen hochintelligent, Spieler nach ihrer Herkunft und/oder ihrem Pass zu kategorisieren.
Am allererfreulichsten aber, dass das Team bis zum Schluss die Konzentration aufrechterhalten konnte und ganz wenige gefährliche Fehler machte – wie diesen einen zu kurzen Rückpass in der 75. Minute, den Flo Kastenmeier aber ausbügeln konnte. Die Passquote lag mit 85 Prozent in einem Bereich, von dem man vor einem halben Jahr nur träumen konnte. Zudem legten die Männer in Rot richtig viel Strecke auf den Platz und waren im Umschaltspiel so richtig schnell. Obwohl es drei Treffer gab, ist aber bei der Chancenverwertung noch Luft nach oben, und die doofen Zwei-Mann-Ecken, die könnten sich die Jungs auch schenken. Wobei es dafür sicher irgendeine taktische Begründung gibt.
Es war ein schöner Abend in der mit über 22.000 Leute ordentlich gefüllten Arena; die gut 4.000 Rostocker Anhänger hatten ihren Anteil daran und zeigten zu Beginn ein bisschen Feuer und blauen Rauch. Das 2:0 verpasste der Ergebene übrigens; nicht weil er Bier holen war, sondern weil einer dieser miesen Becherdiebe in seinem Rücken hantierte und das gesammelte Leergut stehlen wollte. Unnötig und ärgerlich, dass die Ordnern diesen Arschgeigen nicht das Handwerk legen.
Mit jetzt 36 Punkten auf dem Konto dürfte Fortuna Düsseldorf nun aus dem Gröbsten raus sein. Es geht ja eh nur noch darum, die Relegation zu vermeiden. Am Ende einen einstelligen Tabellenplatz zu erobern wäre fein, macht aber den in der Hinrunde versauten Kohl auch nicht mehr fett. Noch ein Heimsieg und – sagen wir mal – zwei Remis auswärts dürften reichen. Wer hätte das im Januar noch gedacht… Selbst wenn unseren Kader nochmal eine Verletzungswelle trifft, ist das kein großer Anlass zur Sorge, denn die Einwechslungen von Chris Klarer, Tim Oberdorf, Eddie Prib und auch Felix Klaus haben gezeigt, das genug Substanz da ist. Auch das ist sehr erfreulich…
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