Euer Ergebener

1959 – 2023: Meine 64 Jahre mit der Fortuna (Folge 7: 2016 bis heute)

So typisch Funkel! Nachdem es unter Kurz mit der Fortuna abwärts ging, bot sich der faltige Neusser als Trainer an … und übernahm im März 2016.

Lesestück · Was genau die Verantwortlichen geritten hat… Ach, das hatten wir schon. Jedenfalls kam Marco Kurz mit einer wenig beeindruckenden Bilanz als Trainer und erreichte in den sieben Partien seiner Anwesenheit gerade einmal einen Sieg. Und zwar einen schönen: 2:1 in Freiburg. Ansonsten ging bei den Rotweißen wenig zusammen, und am 26. Spieltag stand die Mannschaft auf dem Relegationsplatz der zweiten Liga, dem zur dritten Liga, wohlgemerkt. Es kam Friedhelm Funkel als Retter. Um es mal ganz klar zu sagen: Eine irgendwie geartete besondere Beziehung hat FF vorher nie gehabt. Außer der Tatsache, dass er Neusser ist. Wobei das alte Römerlager ja in Sachen Fußball gespalten ist: Ungefähr 70 Prozent halten zu BMG, ein maximal ein Drittel zu Düsseldorf. [Lesezeit ca. 11 min]

Für Funkel sprach daher weniger das Lokalkolorit als vielmehr seine reichhaltige Erfahrung mit dem Verhindern von Abstiegen und dem Erzeugen von Aufstiegen. Mit dem aufregenden 4:3 gegen K’lautern in seinem ersten Spiel am 19. März 2016 vor 25.361 Zuschauern in der Esprit-Arena gelang ihm der perfekte Einstieg. Wer gedacht hatte, danach könne es nur aufwärts gehen, sah sich getäuscht. In den acht Begegnungen unter seiner Leitung gab es nämlich auch nur drei Siege, sodass es am Ende gerade so eben für Platz 14 reichte.

Na, schon gespannt auf die Geschichte? Nach einer kurzen Werbeunterbrechung geht’s weiter. Denn die Fortuna-Punkte verstecken sich nicht hinter einer Paywall. Alles, was du hier findest, ist gratis, also frei wie Freibier. Wenn dir aber gefällt, was du liest, dann kannst du uns finanziell unterstützen – zum Beispiel mit dem Kauf von Lesepunkten. Wir würden uns sehr freuen.

Und trotzdem brach so etwas wie eine Friedhelm-Euphorie in Düsseldorf aus. Zum letzten Heimspiel der Saison kamen immerhin rund 32.000 Nasen, die sich am entscheidenden Tor von Kerem Demirbay gegen den FSV Frankfurt erfreuten, das schon fast den Nichtabstieg klarmachte. Wobei: Das Wörtchen „fast“ bezeichnet die minimale Gefahr, noch auf Platz 16 zu rutschen, weil alle Konkurrenten um mindestens sechs Tore schlechter in der Tordifferenz standen.

Medienvertreter bringen TV-Gelder (Foto: FP)
Medienvertreter bringen TV-Gelder (Foto: FP)

Kurz nach Funkel war auch aus heiterem Himmel ein neuer Vorstandsvorsitzender namens Robert Schäfer da, der bis dahin nur als Vermarkter bei 1860 München und als (nicht sehr erfolgreicher) Sanierer bei Dynamo Dresden aufgefallen war. Der Aufsichtsrat wollte anscheinend mal einen Profi auf dem Posten und keinen wie Kall, der dem Job einfach nicht gewachsen war. Angeführt von Reinhold Ernst sollte es nun in Richtung Konsolidierung und Professionalisierung gehen. Natürlich jaulten wir Fußballromantiker auf, dass ein archetypischer Vertreter des modernen Fußballs berufen worden war und keiner mit Stallgeruch.

So richtig warm wurden die aktiven und engagierten Fans sowie viele Mitglieder mit diesem Fußballfunktionär in den gut drei Jahren seiner Amtszeit nicht. Aus heutiger Sicht war die Beurteilung nicht immer ganz gerecht, denn Schäfer hat – auch gegen den Widerstand alteingesessener Mitarbeiter:innen – gerade in Sachen Orga einige Dinge in Bewegung gebracht. Aus dem Sportlichen hielt er sich weitgehend raus, außer ganz zum Schluss als er praktisch im Alleingang für den Rauswurf von Friedhelm Funkel sorgte. Damit hatte er mit den Fans final verschissen, und dem AR blieb nichts übrig als ihn abzuschießen.

Robert Schäfer im Block in Duisburg (Foto: FP)
Robert Schäfer im Block in Duisburg (Foto: FP)

Jedenfalls hatte der faltige Neusser der Fortuna den Arsch gerettet und wurde mit einem längerfristigen Vertrag ausgestattet. Allerdings lief es in der Saison 2016/17 nicht viel runder als im Vorjahr. Der Kader war mit 32 Leuten randvoll, aber auf merkwürdige Weise unausgewogen. Das Qualitätsgefälle zwischen – nur als ein Beispiel – einem Kevin Akpoguma und einem Alexander Madlung war groß, die Altersstruktur unübersichtlich, und in der Sozialhydraulik knirschte es an einigen Ecken sehr. Altgediente Helden wie Oliver Fink, Adam Bodzek und Axel Bellinghausen hatten Mühe, den Laden zusammenzuhalten.

Kein Wunder also, dass F95 im Frühjahr 2017 sogar erneut vom Abstieg bedroht war. Am 25. Spieltag nach einem ordentlichen 3:0-Sieg beim KSC – eine schöne Auswärtsfahrt, übrigens – stand die Truppe plötzlich auf dem 8. Platz. Vier Niederlagen und zwei Unentschieden weiter war es dann nur noch Platz 13 mit lediglich zwei Pünktchen Abstand auf den Relegationsplatz. Da hatte der Verein schon ein Programm angeworfen, über das Dauerkartenbeisitzer Freunde für lau zu Heimspielen einladen konnten. Das führte schon beim 1:1 gegen Würzburg zu immerhin 27.000 Anwesenden, und am letzten Spieltag waren es dann gegen Aue, die ja nie viel Fans mitbringen, über 37.000 – die Düsseldorfer wollten nicht, dass ihre launische Diva absteigt.

Kaan Ayhan und Friedhelm Funkel; da war noch alles okay (Foto: FP)
Kaan Ayhan und Friedhelm Funkel; da war noch alles okay (Foto: FP)

Dabei hatte das Team inklusive FF bei der Partie gegen die Kickers ein ganz dickes Schwein, denn der Ausgleichstreffer in der 90. Minute durch Julian Schauerte, der bis dahin ein erschreckend schwaches Spiel gemacht hatte, hätte niemals zählen dürfen. Überhaupt zeigten sich die Fortunen an diesem Tag in Abwesenheit von Abwehrboss Kaan Ayhan in schlimmer Verfassung. Da konnte und musste man sich als Anhänger:in der Fortuna wirklich Sorgen machen. Die Reise nach Nürnberg riss es dann wieder raus. Es regnete Katzen und Hunde, und es wurde von beiden Teams gefightet, als ginge es um die Meisterschaft. Drei Kollegen wurden beim 3:2-Auswärtssieg zu den Matchwinnern: Rouwen Hennings, Ihlas Bebou und Jerome Kiesewetter, wobei der Siegtreffer allerdings ein Eigentor war.

Verrückt genug: Erst in diesem und dem letzten Saisonspiel kristallisierte sich eine personelle Struktur heraus, und aus heutiger Sicht kann man sagen, dass in diesen letzten Wochen der Saison 2016/17 die Basis für den Aufstieg ein Jahr später gelegt wurde. Es war die Saison der FÜNF Tormänner und der japanischen Flügelzange mit Genki Haraguchi und Taka Usami. Und es war das Jahr von Florian Neuhaus und Rouwen Hennings. Nicht zu vergessen auch wieder Kaan Ayhan und Ihlas Bebou. Kein Spiel war wie das andere, aber so richtig schlecht spielte das Team ab dem 6. Spieltag nie. An 20 Spieltagen war die Fortuna Spitzenreiter, und keine andere Mannschaft trat so konstant auf wie unsere Jungs in Rot.

Finde den Fehler: Menschen machen Fehler. Schreiber:innen sind Menschen, machen also Fehler. Und Schreiber ohne großes Team hinter sich – wie der Ergebene – machen natürlich auch Fehler. Deshalb unsere Bitte an alle: Wer einen Fehler im Text entdeckt, meldet ihn uns auf einem der bekannten Wege – z.B. per Mail an kontakt@fortuna-punkte.de oder über das Kontaktformular. Wir versprechen, falls wirklich etwas Falsches im Beitrag stand, bedanken wir uns nicht nur, sondern korrigieren es umgehend. Schönen Dank im Voraus!

Für mich selbst war die Saison nicht so dolle, denn aus gesundheitlichen Gründen konnte ich nur wenige Auswärtsspiele vor Ort erleben, den Sieg im Pokal in Bielefeld, die Partien in St. Pauli, Kiel und Duisburg und wie immer bei Union Berlin. Die legendären Partien in Dresden und Nürnberg, die letztlich den Aufstieg sicherten, verpasste ich so leider auch. Dafür entschädigte die 3:0-Gala gegen Ingolstadt vor fast 34.000 Zuschauern nur ein bisschen. Und natürlich die Spiele, die wir als sogenannte „Expertenrunde“ im Bilker Häzz verfolgten.

Bielefeld 2017: Die Mannschaft wird gefeiert (Foto: FP)
Bielefeld 2017: Die Mannschaft wird gefeiert (Foto: FP)

Hatte ich in den Jahren vor 2015 in meinem Blog „Rainer’sche Post“ sporadisch Spielberichte fabriziert, wurde die Rubrik „Fortuna-Punkte“ fester Bestandteil meines Online-Magazins „The Düsseldorfer“. Teilweise lasen mehr als 20.000 fortuna-affine Menschen diese strikt subjektiven Betrachtungen zu den Auftritten der glorreichen Diva. Über die Partien unserer Jungs berichten zu MÜSSEN, erwies sich als Belastung, allein schon, weil an Spieltagen der Altbierkonsum gewissen Beschränkungen unterlag. Das änderte sich mit der Aufstiegsfeier am 14. Mai 2018 gründlich.

6.000 entzückte Menschen auf dem prall gefüllten Marktplatz. Mein Fortuna-Kumpel und ich hatten uns zu einem der Bierwagen durchgeschlagen und steckten dort fest. Plötzlich tauchte Mona Neubaur – die aktuelle Wirtschaftsministerin des Landes NRW – auf, gesellte sich zu uns und gab ein paar Runden aus. Man muss wissen, dass die Mona eine tiefrot in der Wolle gefärbte Fortuna-Anhängerin ist, mit der man jederzeit tiefsinnige F95- und andere Fußballgespräche führen kann. Die Stimmung war bombig, obwohl die zuständige Abteilung sich beim Programm einige Klöpse erlaubt hatte und die Cops viel dafür zu tun versuchten, den Fans die Freude zu vermiesen. Weiter ging’s am Uerige mit Teilen der Mannschaft auf dem Balkon. Die Hosen tauchten hier und da auf, und die ganze Nacht über zogen Gruppen in F95-Klamotten durch die Altstadt. Nach der Aufstiegsfeier, die uns die nichtswürdigen Gesellen der Hertha 2012 versaut hatten, war diese Nacht die Nacht der Nächte…

Freude über die Felge 2018 (Foto: FP)
Freude über die Felge 2018 (Foto: FP)

Die Erstligasaison 2018/19 ließ sich ganz gut an. Wir holten ein Remis beim Dosenkonstrukt, schlugen Hoffenheim und schafften ein Unentschieden in Stuttgart. Aber ab dem 5. Spieltag ging es bergab, bis runter auf den letzten Tabellenplatz. Die Wende kam am 15. Spieltag mit einem 2:0 in Freiburg und dann erst recht mit dem 2:1-Heimsieg gegen die bis dahin ungeschlagene Borussia aus Dortmund – letzteres ein harter Kampf in der ausverkauften Arena, in die sich allerdings gut und gerne 15.000 BVB-Fans geschmuggelt hatten.

Mann des Spiels ganz ohne Frage Kevin Stöger, ein Mittelfeldregisseur wie man in Düsseldorf sehr, sehr lange nicht mehr gesehen hat. Ja, und es war natürlich das Jahr des Dodi Lukebakio und des Benito Raman, zwei weitere Kicker, die man zuvor viele, viele Jahre lang im F95-Trikot nicht mehr gesehen hatte. Nach dem Sieg gegen die Dortmunder brach Euphorie in der Stadt aus. Bamm, bamm, bamm ging es weiter, und die schlimme 0:4-Heimniederlage gegen die Dosen konnte uns die Stimmung auch nicht vermiesen. Ein gewisser Herr Ducksch drehte in seiner Freizeit mächtig den Swag auf, konnte auf der Wiese aber nicht überzeugen.

Mit Dodi in Ulm: Pokal 2018 (Foto: FP)
Mit Dodi in Ulm: Pokal 2018 (Foto: FP)

Mir ging’s wieder besser, also fuhr ich auswärts: Das Pokalspiel in Koblenz bei sengender Hitze, der Abend bei Eintracht Frankfurt als unsere Jungs mit 7:1 auf den Sack bekamen, Gladbach, München, Schalke, Hertha, Mainz – so die Stationen. Jede Reise ein Erlebnis, wenn auch nicht immer der schönen Art, denn das, was sich schon in der Erstligasaison 2012/13 gezeigt hatte, schlug wieder gnadenlos zu: kreischende Stadionsprecher, ohrenbetäubende Ballermannmucke, Kommerz an allen Ecken und Enden, völlig desinteressiertes Publikum wie bei den Scheißbayern und so weiter.

Mein Highlight auf jeden Fall das 3:3 in der Allianz-Arena. Es stand 3:2 für den FCB, und ich war schon fast auf dem Weg aus dem Stadion. Aus purer Neugier machte ich ein paar Schritte in den Nachbarblock, und da geschah es. Da sah ich diesen Dodi, diesen Lukebakio, da sah ich Rouwen, diesen Hennings, da sah ich ein Lupfer vom Rouwen auf Dodi, da sah ich den anlaufen, den feisten Süle abkochen und den Neuer tunneln. Tor, Tor, Tor! Ausgleich! Eine wildfremde Frau sprang mir an den Hals und verpasste mir mehrere heftige Schmatzer. Im Zug sangen F95-Fans durchgehend Lieder, in denen es um Lukebakio, den dreifachen Torschützen des Tages, oder Dodi ging. Es war wie ein Rausch…

Beim legendären 3:3 bei den Bayern (Foto: FP)
Beim legendären 3:3 bei den Bayern (Foto: FP)

Am Ende landete der Düsseldorfer TSV Fortuna 1895 auf einem nie erwarteten 10. Platz. Und die ersten träumten schon von Europa. Aber, es kam anders. Ganz anders. Seit Dezember 2018 war der Fußball-Globetrotter Lutz Pfannenstiel Sportvorstand, und der hatte teuer eingekauft. Also insbesondere Dawid Kownacki aus Genua für irgendwas um die sieben Millionen Euro. Wir hatten es ja dank der Saison in Liga 1. Oder auch nicht, aber das ist eine Geschichte, die später zu erzählen ist. In dieser Saison waren es sogar SIEBEN Torhüter, wobei wir für ein Monate mit Zack Steffen einen Keeper auf Champions-League-Niveau hatten. Der verletzte sich leider, verheimlichte diese Verletzung leider ein paar Wochen, sodass er schließlich ganz ausfiel.

Überhaupt war das Team unter Friedhelm Funkel in der Saison 2019/20 vom Verletzungspech verfolgt, was sich auch in einem mit 39(!!!) Spielern völlig überfüllt war, weil er ständig mit Nachverpflichtungen und Ausleihen aufgefüllt werden musste. Vieles lief schieg bei der Fortuna, fast alles im sportlichen Bereich. Dazu kam die ihm eigene Sturheit des Herrn FF. Und das einzige Highlight der Hinrunde blieb das 2:0 gegen den Äff-Zeh aus der hässlichen Domstadt. Damit erreichte die Fortuna den Platz 13; besser würde sie nie mehr platziert sein.

2018: Der Fanmarsch vor dem 2:0 gegen den Äff-Zeh (Foto: FP)
2018: Der Fanmarsch vor dem 2:0 gegen den Äff-Zeh (Foto: FP)

Ein 3:3 auf Schalke machte Spaß, eine 4:0-Heimklatsche gegen die Bayern und eine 5:0-Packung im Westfalenstadion taten schon weh. Der Zuschauerschnitt in der Arena bewegte sich um die 45.000-Grenze herum, denn die Eventies hatten nach der Erfolgssaison davor ihr Herz für die Fortuna entdeckt. Schön war das alles nicht unbedingt, aber da mussten wir einfach durch. Schön war auch nicht, dass Funkel nicht bereit war, auf den offensichtlichen Niedergang personell oder systemisch zu reagieren. Gegen Leipzig probierte er es mit einer Fünferkette, meistens blieb er bei seinen Varianten des 4-4-2. Und das mit einem auf dem Papier tollen Kader: Kownacki, Hennings, Thommy, Barkok, Morales, Ayhan, Gießelmann, Zimmermann etc.

Wir Fans, die wir den Friedhelm längst als Urdüsseldorfer adoptiert hatten, steckten in einem Dilemma: Wollen wir, dass Funkel weitermacht bis zum bitt’ren Ende? Oder soll er abgelöst werden, damit ein Retter noch den Abstieg verhindert? Das Fanlager war tief gespalten. Tausende begrüßten ihn und die Mannschaft nach der Rückkehr aus dem Wintertrainingslager mit aufmunterndem Jubel. Andere tippten sich gegen FF die Finger wund. Und der amtierende Vorstandvorsitzende entschied allein und entließ Friedhelm Funkel im Januar 2020. Lutz Pfannenstiel fand Uwe Rösler, den Ex-Ossi, der in der englischen Premier League zum Helden geworden war und besonders in den skandinavischen Ländern einen sehr guten Ruf genoss.

Uwe Rösler, leicht angepisst (Foto: FP)
Uwe Rösler, leicht angepisst (Foto: FP)

Fassen wir die kurze Ära des Uwe Rösler zusammen: Der obersympathische Mann hat jedes Pech gehabt, das man im Fußball als Trainer haben kann, und die Rolle als Retter passte auf ihn so gar nicht. Es nutzte alles nichts. Immerhin hielt der die Truppe lange auf dem Relegationsplatz und vor dem letzten Spiel der Saison war die Gefahr gering, auf einen direkten Abstiegsplatz zu fallen. Aber da war dann schon die Corona-Seuche unterwegs. Die Monate der Geisterspiele hatten begonnen, und so mussten die armen Jungs in Rot ohne die Unterstützung ihrer Fans auskommen. Und dann das: Der ekelerregende Äff-Zeh schenkte den Bremern einen 6:1-Sieg, um ihnen den Abstieg zu ersparen. F95 verlor sang- und klanglos bei Union. Das war’s dann.

Robert Schäfer musste wegen seiner vielen Alleingänge gehen. Sportvorstand Lutz Pfannenstiel wurde von rechtsdrehenden Wutfans weggemobbt, und Friedhelm Funkel trat medial nach. Die F95-Medienabteilung hatte es endlich geschafft, mich als Journalisten zu akkreditieren, und die Expertenrunde war in die Retematäng von Daniel Reimer umgezogen, weil Bilker-Häzz-Wird Micha Nord aus verständlichen Gründen kein Sky-Abo mehr hatte. Irgendwie zog die ganze Saison 2020/21 fast spurlos an mir vorbei – vermutlich auch, weil es dank Pandemie keine Auswärtsspiele gab.

Stammquartier der Expertenrunde: die Retematäng (Foto: FP)
Stammquartier der Expertenrunde: die Retematäng (Foto: FP)

Flo Kastenmeier wurde vor Aufstiegsheld Raffa Wolf Tormann Nr. 1. Mit Kevin Danso hatten wir – leider nur auf Leihbasis – einen der begabtesten Verteidiger im Kader. Genau wie der damals 19-jährige Chris Klarer. Röslers Idee, den erfahrenen Eddie Prib zum neuen Anführer aufzubauen, ging fürchterlich in die Hose. Auch Neuverpflichtung Florian Hartherz konnte nicht überzeugen. Dawid Kownacki kam nie in die Socken, und hätte Rouwen Hennings nicht so zuverlässig getroffen, wer weiß, ob F95 in der zweiten Liga geblieben wäre.

Was mir besonders in Erinnerung blieb: Die Arena ohne Zuschauer ist eiskalt. Und zwar buchstäblich und in jeder Jahreszeit. Der Beton unter den Füßen ist wie Eis, die Sitzschalen beißen einen kalt ins Kreuz. So sah ich die ganzen Heimspiele im Kreise der mehr oder weniger lieben Medienkollegen, und es war immer traurig, unabhängig von den Ergebnissen. Noch einmal: Uwe Rösler, den ich immer noch für einen guten und zur Fortuna passenden Trainer halte, hat einfach Pech gehabt. Dass es unserem Aufsichtsratsvorsitzenden Björn Borgerding und seinen Mitstreiter:innen gelang, Vereinslegende Klaus Allofs im September 2020 zur Fortuna zu lotsen, war der Coup des Jahres.

Der glücklose Christian Preußer (Foto: FP)
Der glücklose Christian Preußer (Foto: FP)

Unter Rösler hatte es die glorreiche Fortuna mal wieder in die Nähe des Aufstiegs gebracht. Immerhin Fünfter wurden seine Jungs, allerdings mit acht Punkten auf den Relegationsplatz. Weshalb man ihn nicht hat weitermachen lassen und stattdessen einen Praktikanten namens Christian Preußer verpflichtete, dessen Qualitätsnachweis darin bestand, den SC Freiburg II in die dritte Liga befördert zu haben, bleibt mir persönlich unerklärlich. Nett war er ja, der Christian, aber so unzugänglich wie kaum ein Trainer, dem ich je begegnet bin. Und mindestens so stur wie Friedhelm Funkel.

Nach Heimniederlagen gegen Sandhausen und Nürnberg hatte er das Team bis auf Platz 15 heruntergewirtschaftet. Dies auch durch permanentes Experimentieren mit Systemen („Systematiken“ nannte er das…) und Aufstellungen. Niemand verstand seine Matchpläne, und hätten Zimmermann, Hoffmann, Oberdorf und Gavory in der Viererkette nicht manchmal gespielt, was sie für richtig hielten, die Saison wäre noch beschissener gelaufen. Selbst der wunderbare Khaled Narey, der vom HSV gekommen war, fand unter Preußer nie zu Höchstleistungen. Es war ein Desaster.

F95 vs HSV: Sehr schöne Choreo unserer Ultras (Foto: FP)
F95 vs HSV: Sehr schöne Choreo unserer Ultras (Foto: FP)

Zum Glück erlösten die Verantwortlichen ihn und uns. Daniel Thioune als Cheftrainer ab Januar 2022 zu verpflichten, erwies sich als ungeheurer Glücksgriff. In den letzten zwölf Spielen der Saison verloren die Burschen nur ein einziges Mal, am letzten Spieltag auf St. Pauli. Da hatte Thioune, ähem, ungewöhnlich aufgestellt und eine Fünferkette installiert. War ja auch egal, denn die Mannschaft stand auf einem gesicherten 10. Platz, und es ging um nichts mehr. Bis dahin aber hatte Thioune schon mehr bewirkt als zu erwarten war. Narey war leistungstechnisch regelrecht explodiert, Hennings ballerte wie blöde, Cello Sobottka gab einen idealen Sechser, und die Viererkette vor Flo Kastenmeier war stabil.

Ganz ehrlich: Die Saison 2022/23 ist mir noch zu nah, als dass ich sie gerne in meinen Memoiren besprechen wollte. Sie war spannend, sie war schön und mit einem 4. Platz am Ende auch erfolgreich. Viel einschneidender aber das Projekt „Fortuna für alle“, das im Mai vorgestellt wurde, und das die Geschicke der glorreichen Fortuna über die nächsten Jahre (mit)bestimmen wird. Geboren aus der Einsicht, dass es SO im Profifußball allgemein und bei F95 speziell nicht so weitergehen könne, hat der neue Vorstandsvorsitzende Alexander Jobst, der den glücklosen Thomas Röttgermann ersetzte, mit Unterstützung unterschiedlichster Personen und Kreise in und um den Verein herum ein Konzept gebastelt, das es so noch nirgendwo je gegeben hat. Ob und welche Auswirkungen es schon in der laufenden Saison aufs Spochtliche haben wird, ist noch unklar.

Gestern beim Mitgliederforum (v.l.n.r): Sebastian Fuchs (AR), Alexander Jobst (Vorstand), Arnd Hovemann (Vorstand), Björn Borgerding (AR) - (Foto: FP)
Gestern beim Mitgliederforum (v.l.n.r): Sebastian Fuchs (AR), Alexander Jobst (Vorstand), Arnd Hovemann (Vorstand), Björn Borgerding (AR) – (Foto: FP)

Und heute? Aktuell (28. September 2023) ist die glorreiche Fortuna Tabellenführer der zweiten Bundesliga. Der Aufstieg in Liga Eins scheint möglich. Die Zahl und Lautstärke der Grantler und Wutfans ist nicht weniger geworden. Immer noch reiben sich Menschen mit sehr langer und intensiver F95-Vergangenheit an von außen geholten Funktionären. Aber auch eine Fortuna-Ikone wie Klaus Allofs oder ein Aufsichtsratsvorsitzender aus der Mitte der Kurve wie Björn Borgerding können es dieser Klientel nicht recht machen. Daran wird sich wohl auch nie etwas ändern, das ist offensichtlich fortuna-typisch, denn manches davon habe ich schon in meinen allerersten Fortuna-Jahren mitbekommen.

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