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Fortuna-Punkte 2016/17: Karneval, Fußball & Kommunismus

Also ich persönlich war am Samstag nicht verkleidet in der Arena. Ich mag den rheinischen Karneval und bewundere die Leute, die mit tollen Kostümen rumlaufen. Besonders wenn selbstgemacht oder selbst zusammengestellt. Völlig bescheuert finde ich diese ganzen Plüschoveralls für 9,90 Euro, die nur praktisch sind, aber nicht lustig. Ich persönlich hab kein Talent für das Verkleiden. Mir fehlt aber auch die entsprechende Erziehung. Bei uns in Yorckshire verkleidet man sich nicht. Ich mag am Karneval, dass man draußen feiert, auch wenn es scheißekalt ist. Dann muss man eben Brennstoff zuführen – mir sehr sympathisch. Von den Jungs in Block 3 waren aber auch nur drei verkleidet. Ingo ging als Panzerknacker, Öppes als Pirat und Matthes hatte so ein Original-Flickendings an – von seinem Opa geerbt. Vor dem Anpfiff erklärte er mir das mit dem Karneval in Düsseldorf.

Dass die Bauern und Fischer früher nicht nur krass Party gemacht haben, so mit Saufen und Durcheinandervögeln, sondern sich auch über die hohen Herren, die Adligen, die Pfarrer und die Politiker lustig gemacht haben. Deshalb war Karneval auch oft verboten. Dann haben sich die Bürger den Karneval gekrallt und in den Saal verlegt. Auf der Straße gab’s dann erstmal nur den ganz braven und gut durchorganisierten Rosenmontagszug. Aber in den Vororten und den Dörfern, die später zu Düsseldorf kamen, da hielt sich die alte Karnevalstradition. „Dat is en Teil von onse Kultur,“ sagte Matthes und sprach den Rest des Nachmittags nur noch Mundart. „Geh mir weg mit Karneval, ist doch nur noch Kommerz,“ sagte Peter. „Hätt ich was zu sagen,“ gab Ingo seinen Senf dazu, „würd ich die Fernsehübertragung von der Düsseldorfer Sitzung verbieten – das ist doch imageschädigend!“ – „Wenn die Fortuna spielt, das ist auch imageschädigend,“ meinte Öppes.

Zwischen Robert, der wie immer wenig sagte, und Peter saß jemand den ich noch nicht kannte. „Das ist alles der Kapitalismus in Schuld“, meinte der. Öppes verdrehte die Augen: „Boah, ey, Frank, du linker Spinner!“ Frank lehnte sich schnell wieder zurück und trank sein Bier. In der Pause fand ich ihn draußen beim Rauchen. Da fragte ich nach, und Frank erklärte mir das mit dem Kapitalismus, dass der den Fußball kaputt macht oder schon kaputt gemacht hat. Ich konnte ihm nicht wirklich folgen, weil er so schnell sprach und auch einen kleinen Sprachfehler hat. Außerdem hab ich mit Politik nichts am Hut. War schon immer so. Das letzte Mal, dass ich persönlich was von Politik mitgekriegt hab, war 1984 als die Bergarbeiter gegen Thatcher streikten, ein Jahr lang. Onkel Ted arbeitete in einer Mine bei Selby und war dann arbeitslos. Bei uns haben alle Labour gewählt, nicht erst dann. „Bist du Kommunist?“ fragte ich Frank. „Nein,“ sagte er, „ich bin Sozialist.“ Das ließ ich dann so stehen.

„Na,“ fragte Öppes, „hat Frank dir den Kapitalismus erklärt?“ Ich nickte. „Ja, ja,“ meinte Matthes, „das kennen wir schon. Der Fußball ist kaputt, weil der Kapitalismus ihn gefressen hat.“ – „Genau,“ sagte Frank, „weil da so viel Geld im Spiel ist und riesige Gewinner, geht die Fußballkultur den Bach runter. Die stört ja nur beim Geldverdienen. Mit den ganzen Kutten, Ultras und so können sie nicht genug verdienen. Die brauchen neue Kunden. Und die kommen nur, wenn alles schön brav und friedlich ist.“ Peter nickte: „So geht eben das Fußballgeschäft.“ Ingo schaltete sich ein: „Irgendwann platzt die Blase. Das ist doch alles total instabil. Geht doch alles nur wegen dieser wahnwitzigen Kohle für die Fernsehrechte. Die Sender zahlen, weil so viele Leute Fußball gucken. Und wenn die Quote gut ist, kriegen sie mehr Geld für die Werbespots.“

Die Fortuna legte auf dem Platz so richtig los. Aber irgendwie wollte kein Tor fallen. Nach dem Abpfiff war es Öppes, der wieder lautstark schimpfte: auf den Trainer, auf die Spieler und auf die Funktionäre. „Nächstes Jahr hol ich mir keine Dauerkarte mehr!“ – „Sagst du immer, wenn’s schlecht läuft,“ kommentierte Ingo. „Nein, im Ernst, das ist nicht mehr meine Fortuna…“ Das verstand ich nicht. Ist denn für Öppes seine Fortuna nur seine Fortuna, wenn die Mannschaft erfolgreich ist? Gut, es kommen immer weniger Zuschauer. Die Fortuna verdient also weniger Geld. Jetzt fehlt auch noch für nächstes Jahr ein Sponsor. Und immer weniger Fernsehgeld gibt es auch. Also können keine teuren Spieler gekauft werden. Das ist wie bei Monopoly: Wenn du ne Straße verkaufen musst, weil du auf so nem teuren Ding mit nem Hotel gelandet bist und sonst nicht zahlen kannst. Dann hast du weniger Möglichkeiten, bei den anderen Miete abzuzocken. Hast also weniger Geld. Und dann kommst du nochmal auf ne Straße mit Hotel, und dann bist du am Arsch. So geht eben das Monopoly-Geschäft.


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