Deutscher Meister 33, nur damit es jeder weiß – 90 Jahre Endspiel in Köln
Am 11. Juni des Jahres 1933 gewann die glorreiche Fortuna das Endspiel um die Deutsche Meisterschaft im Müngersdorfer Stadion gegen Schalke 04 mit 3:0 und wurde zum ersten und bis heute einzigen Mal Meister – das ist auf den Tag genau 90 Jahre her.
Bericht · [Achtung: Langes Lesestück!] Trainer Heinrich „Heinz“ Körner, ein Wiener und Vertreter der dortigen Fußballphilosophie, war zuvor bereits zweimal Trainer der Herrenmannschaft des TSV Fortuna Düsseldorf gewesen, bevor er 1931 erneut die Verantwortung für den bis dahin eher mittelmäßig erfolgreichen Düsseldorfer Club übernahm. Körner, der als am 2. Juli 1893 Heinrich Krczal geboren wurde und erst nach dem zweiten seinen Nachnamen in Körner änderte, hieß bei den Spielern der 33er-Meistermannschaft nur der „Treff“ und galt in der deutschsprachigen Fußballszene als „Doktor“, weil er als einer der ersten Trainer überhaupt quasi wissenschaftliche Methoden einführte. [Lesezeit ca. 7 min]
Völlig neu, dass er selbst und seine Helfer so viele Partien möglicher Gegner besuchte und genaue Porträts dieser Mannschaften mit deren Stärken und Schwächen anlegte, um sein Team auf Kontrahenten besser einstellen zu können. So taten sie es auch schon 1931 mit dem FC Schalke 04, die in der Ära davor mit ihrem „Schalker Kreisel“ und den Spielern Kuzzora, Szepan und anderen zum beinahe unschlagbaren Team geworden waren. Kann gut sein, dass Körners Methoden den Grundstein für den Sieg der Fortuna am 11. Juni 1933 bildeten.
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Bei den Schalkern war es genau umgekehrt. Deren Trainer galt Beobachtern als eine Art Frühstücksdirektor, denn Taktik und Aufstellung bestimmten auch in der Saison 1932/33 ganz selbstverständlich Kuzorra und Szepan. Ironie der Geschichte: Nach dem Skandal von 1930, der dazu führte, dass man die Schalke-Spieler zu Profis erklärt und die Mannschaft aus der Meisterschaft ausgeschlossen hatten, war es ausgerechnet die Fortuna, die am 1. Juni 1931 das erste offizielle Spiel gegen die rehabilitierten Schalker vor angeblich über 70.000 Zuschauern in der Glückauf-Kampfbahn austrug, die offiziell nur 35.000 Besucher fasste.
Im Sommer 33 schienen die „Knappen“ reif für die Meisterschaft, die sie vermutlich schon 1930 und 1931 geholt hätten, wäre der Skandal nicht dazwischengekommen. Viel geändert hatte sich an der Spielweise der Königsblauen nicht, zumal sich Ernst Kuzorra und Fritz Szepan mit 28 bzw. 26 Jahren auf dem Höhepunkt ihrer sportlichen Leistungsfähigkeit befanden. Hinzu kamen Torman Mellage, der für seinen langen Armen und riesigen Pranken bekannt war, Otto „Ötte“ Tibulsky, den Kuzorra später mit Franz Beckenbauer verglich, Valentin Przybylski, Wohlgemuth, Bornefeld, Nattkämper, Zajons und Rosen.
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Das Spiel um die Westdeutsche Meisterschaft hatten die Schalker zuvor mit 1:0 gegen die Fortuna gewonnen. Und während die Düsseldorfer mit vier Siegen und 16:0 Toren durch die Endrunde pflügten, musste S04 in dieser Runde bei ebenfalls vier Siegen einen einzigen Gegentreffer hinnehmen. So standen sich am Ende in Köln tatsächlich die beiden besten Teams der Saison gegenüber. Wobei die Fußballbegeisterung in Gelsenkirchen um ein Vielfaches größer war als in Düsseldorf – die genannten 70.000 Anwesenden beim Freundschaftsspiel von 1931 belegen das. Denn am Flinger Broich, der damals knapp 20.000 Besuchern Platz bot (ca. 2.000 Tribünen- und um die 18.000 Stehplätze), waren längst nicht alle Partien der Fortuna in den Meisterschaft des Westdeutschen Spiel-Verbands ausverkauft.
Die Meisterschaft 1932/33 war übrigens die letzte vor der Gleichschaltung des deutschen Fußballs durch das Nazi-Regime. Ab 1906 hatte man sich auf sieben Regionalverbände verständigt, die wiederum aus ganz unterschiedlich strukturierten Unterverbänden bestanden. Jeder Regionalverband spielte nach ganz nicht einheitlichen Modi einen Meister aus, der dann berechtigt war, an der Endrunde teilzunehmen. So war das bis 1925, denn ab dieser Saison sollten jeweils 16 Mannschaften in K.O.-Spielen den Meister ermitteln. Dadurch, dass sich bis dahin unabhängige Lokalverbände dem DFB angeschlossen hatte – u.a. der aus Prag und einer der beiden aus Wien – nahmen nun jeweils zwei Teams aus den großen Verbänden teil, während sechs Plätze unter den kleineren Clubs ausgespielt wurden.
Fortuna hatte sich erst 1922 erstmal für die Teilnahme am Ligabetrieb des WSV qualifiziert und war damals durchaus nicht der führende Verein in Düsseldorf, der er heute ist; mindestens der VfL Benrath und der DSC 99 erreichten ebenfalls überregionale Bedeutung. Aber schon 1927 konnten sich die Flingeraner erstmals für die Endrunde um die Deutsche Meisterschaft qualifizieren. Damit begann einer erste Erfolgsära der glorreichen Fortuna. Daran hatte auch ein gewisser Georg „Schorsch“ Hochgesang seinen Anteil, der 1928 vom 1. FC Nürnberg nach Düsseldorf wechselte. Mit dem Club war er schon dreimal Deutscher Meister geworden, aber das verlockende Angebot eines Düsseldorfer Arbeitgebers an den gelernten Mechaniker lockte ihn an den Rhein.
Der nur 1,65 große Spielmacher war im Meisterschaftsjahr bereits 35 Jahre alt, galt nicht als der Schnellste und sicherer Schütze, zeichnete sich aber durch eine für damalige Verhältnisse ungewöhnliche Übersicht und Kreativität aus. Dass er in der 85. Minute mit dem 3:0 den Endstand markierte, machte ihn zur Düsseldorfer Legende – die übrigens ihre Karriere nach dem Gewinn der Meisterschaft eine Saison lang austrudeln ließ.
Der Juni des Jahres 1933 ging als einer der regenreichsten der ersten Hälfte des 20. Jahrhunderts in die Geschichte der Meteorologie ein. Auch am Vortag und am Spieltag bis kurz vor den Anpfiff hatte es geschüttet. Wie alle in den frühen Zwanzigerjahren erbauten Sportstadion war das Müngersdorfer Stadion ein weites Rund mit einer Laufbahn zwischen den Tribünen und dem Spielfeld sowie den üblichen Anlagen für Leichtathletikwettbewerbe, ganz ähnlich wie das 1925 eröffnete Rheinstadion in Düsseldorf. Das Kölner Stadion war bereits 1923 fertig und bot über 80.000 Zuschauern Platz; wie üblich gab es gut und gerne 90 Prozent Stehplätze und Sitzplätze nur unter dem Dach einer kleinen Haupttribüne. Genau wie in Düsseldorf lag das Stadion in einer Senke, sodass die Gäste von einem baumbestandenen Wall aus nach unten zu ihren Plätzen kamen.
Es dürfte am Wetter gelegen haben, dass das Müngersdorfer Stadion zum Endspiel 1932/33 nicht ausverkauft war; die Chroniken sprechen von etwa 60.000 Anwesenden, von denen ein großer Teil schon gegen 10 Uhr vormittags gekommen waren, denn es gab ein großes Rahmenprogramm mit mehreren Spielen von Jugendmannschaften. Außerdem sorgte eine SA-Kapelle mit mehreren Einlagen für die nötigen Propaganda. Es war dies auch das erste von insgesamt zwölf Finalpartien, bei denen die Spieler dem Volk zur Begrüßung den Hitlergruß präsentierten – der, so berichten Augenzeugen, nur von einem sehr kleinen Teil der Schlachtenbummler erwidert wurde. Es war übrigens auch die allererste Partie, bei der die Fortuna-Spieler das F95-Logo auf der Brust trugen, und zwar die modernisierte Fassung von 1930.
Hier ein Zusammenschnitt von auf Film überlieferten Spielszenen:
Nach verschiedenen Quellen waren bis zu 20.000 Düsseldorfer Fans angereist, belegt ist das ebenso wenig wie die kolportierte Zahl von 30.000 Schalkern. Am Wahrscheinlichsten ist aber, dass die Mehrheit im Stadion sich aus kölschen Fußballfreunden zusammensetzte, denn es war 1933 nicht ganz einfach und vor allem nicht billig aus Düsseldorf und Gelsenkirchen nach Köln zu reisen. Die meisten Anhänger der jeweiligen Mannschaft werden mit dem Zug gefahren sein; Augenzeugen berichten, zwei Düsseldorfer Busunternehmer hätten ihre gesamte Flotte für den Transport eingesetzt.
Umm 16 Uhr pfiff ein gewisser Alfred Birlem das Spiel an, ein damals schon recht erfahrener und bewährter Spielleiter, der später auch international wichtige Partien leitete, unter anderem bei den Fußballweltmeisterschaften 1934 und 1938 sowie bei den Olympischen Spielen von 1936 in Berlin. Favorit war ganz klar der FC Schalke 04; trotz der brillanten Endrunden-Bilanz galt F95 als Außenseiter – außer bei den wenigen Experten jener Jahre, die um Trainer Körners Ansatz wussten.
Und tatsächlich: Während Kuzorra & Co. von Beginn an auf Offensive setzten, waren es die Fortunen, die in der 10. Minute das 1:0 erzielten. Felix Zwolanowski, als Halbstürmer aufgestellt, kriegt die Pille rechts im Strafraum, dreht sich und haut das Ding ins lange Eck. Davon erholten sich die Schalker die ganze erste Halbzeit über nicht. Zumal die Defensivreihe aus den beiden Verteidigern und den drei Mittelfeldkollegen dem Schalker Kreisel jeden Zahn zog.
Außerdem hatte Willi Pesch, der Torhüter und Publikumsliebling, der aus dem eigenen Nachwuchs stammte, einen guten Tag und hielt, was zu halten war. Übrigens galt Pesch in jenen Jahren deutschlandweit als „Elfmeterkiller“; manche Quellen sprechen ihm zu, er habe deutlich mehr als die Hälfte der auf ihn abgefeuerten Strafstöße gehalten. Nach der Pause tritt die Fortuna-Mannschaft auf Anweisung von „Treff“ Körner in leicht veränderter Anordnung auf. Ganz ungewöhnlich für die Zeit, in der ein System namens „Schottische Furche“, das sich noch voll und ganz vom Rugby herleitete, zog der Coach zwei der Innenstürmer auf eine Linie mit den Mittelfeldlern zurück, sodass sich die Schalker einer Fünferkette gegenübersahen.
Von der ebenfalls zu den führenden Fußballclubs der schönsten Stadt am Rhein zählenden TuRU war Paul Mehl zur Fortuna gestoßen; den sauschnellen Allrounder hatte Körner im Endspiel als Rechtsaußen aufgestellt, wo er auf die vermeintliche schwächere Abwehr der Schalker treffen sollte. Und tatsächlich macht er in der 75. Minute die Bude zum 2:0! Und dann gelang Schorsch Hochgesang, der sich robust gegen drei Schalker durchgesetzt hatte in der 85. Minute mit einem Schuss aus der Halbdistanz das abschließende 3:0. Die Tore 1 und 3 sind übrigens auf Film dokumentiert (siehe oben).
Was dann passiert, schildert Fortuna-Chronist Michael Bolten in einem Beitrag für The Düsseldorfer so:
Die Rückfahrt vom Stadion ins Hotel gestaltete sich schwierig. Der Bus war nicht mehr da, kein Taxi zu bekommen. Also alle rein in die Straßenbahn und so ging es von Müngersdorf zurück in die Stadt. Im Hotel angekommen stand schon bald das offizielle Meisterbankett, auch für die unterlegenen Schalker, auf dem Programm. Viel Prominenz war anwesend, die NS-Politiker und Funktionäre suchten die Nähe zu den erfolgreichen Sportlern. Im Rahmen der Feier erhielt die Fortuna auch endlich den „Wanderpreis des Deutschen Fußball Bundes“, nämlich die Viktoria, überreicht. Wer die Trophäe schließlich mit ins Bett genommen hat, ist nicht bekannt. Der Terminplan ließ den feiernden Kickern viel Zeit zum Ausschlafen. Ihre Ankunft am Montag in Düsseldorf wurde erst ab 17:00 Uhr erwartet.
Die Rückkehr der siegreichen Fortuna war triumphal. Am Hauptbahnhof erwarteten Tausende Düsseldorfer den neuen Deutschen Meister. Die Spieler hatten Schwierigkeiten zu ihren bereitgestellten Wagen zu kommen, mit denen sie entlang begeisterter Fans zum Rathaus gefahren wurden. Die Anwohner der Straßen, durch die sich der Triumphzug bewegen sollte, waren aufgefordert, zur Begrüßung des Deutschen Meisters ihre Häuser zu beflaggen. In der Altstadt empfing Oberbürgermeister Wagenführ die Meister mit einer Rede vom Rathausbalkon, von dem eine überdimensionale Hakenkreuzfahne runter hing. Auch Matthias Bakkers, Fortunas Präsident, Trainer Heinz Körner, „Schorsch“ Hochgesang und Theo Breuer wandten sich vom Balkon aus an die jubelnde Menge. Schließlich machte sich der Meistertrupp auf den Weg in die Brauerei Schlösser. Hier konnte relativ ungestört weitergefeiert werden, bevor es in einem Fackelzug nach Flingern zum Engerhof ging. Über das Ende der Feier und den Zustand der Feierenden ist nichts bekannt.
Die offizielle Meisterschaftsfeier fand schließlich am 5. August in den Räumen der Zoogesellschaft statt. In der Zwischenzeit, nämlich am 26. Juni 1933, gab sich die Fortuna eine neue Satzung. Damit setzte die Fortuna die von den Nazis auf (sport-)politischer Ebene geforderte Gleichschaltung auf Vereinsebene durch. Nun hieß es: „Der Vorstand ist der Vereinsführer.“
Es sollte die einzige Meisterschaft für die mitunter launische Diva bleiben und auch die einzige Teilnahme an einem Endspiel. Jedenfalls bei den Profis, denn die Amateure von F95 holten sich 1977 im Endspiel gegen den SV Sandhausen den Titel des Deutschen Amateurmeisters im Fußball. Näher an den Titel kamen die Fortunen bei den Profis auch nicht mehr: In den Spielzeiten 1972/73 und 1973/74 wurde die Fortuna am Ende jeweils Tabellendritte, aber immer mit weitem Abstand zu Meister Bayern. Dabei hätten es gerade Recken wie Woyke, Baltes, Köhnen, Kriegler, Lungwitz, Biesenkamp, Brei, Zewe, Budde, Geye und Herzog durchaus verdient gehabt, es Pesch, Bender, Bornefeld, Janes, Trautwein, Hochgesang, Mehl, Kobierski, Wigold und Zwolanowski nachzutun.
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