Tzolis und Jóhannesson: Die Neuverpflichtungen haben Methode
Da haben Sportvorstand Klaus Allofs und Sportdirektor Christian Weber nicht zu viel versprochen: Die Geduld im Transferfenster zahlt sich aus, ein Muster wird deutlich.
Meinung · Unsere geliebte Fortuna scheint nicht nur beim Thema „Fortuna für alle“ mit mehr konzeptionellem Denken voranzugehen, auch was die Transferpolitik angeht, haben die Verantwortlichen ganz offensichtlich einen Plan, einen der auf mittlere Sicht aufgehen könnte und das Wirtschaften mit schmalem Portemonnaie möglich macht. Es ist die moderne Version eines Ausbildungsvereins: Junge, vielversprechende Kicker werden verpflichtet (ob per Ablöse oder Leihe), weiterentwickelt, dann per Kaufoption geholt und nach Möglichkeit mit Gewinn weiterveräußert. Ähnlich geht man mit dem eigenen Nachwuchs um. Das alles zeigen aktuell die Beispiele Tzolis, Jóhannesson und auch Fernandes Neto. [Lesezeit ca. 5 min]
Beginnen wir mit Christos Tzolis (Nr. 7). Der wird uns von Norwich City geborgt, die ihn 2019 für 11 Mio Euro PAOK Saloniki abgekauft haben. Der gute Christos ist gerade einmal 21 Jahre alt und verkörpert das, was man heute einen polyvalenten Spieler nennt, wobei er bisher in den Vereinen vorwiegend auf Linksaußen angetreten ist. Manche vergleichen ihn mit Kris Peterson. Einen richtigen Durchbruch hat er bisher auf keiner seiner Stationen (PAOK, Norwich, Twente) geschafft, aber das Potenzial bescheinigen ihm alle einschlägigen Beobachter. Außerdem hat er bisher noch nie länger unter Verletzungen zu leiden gehabt. Fortuna hat sich eine Kaufoption in unbekannter Höhe gesichert – vermutlich etwas um die 5 Mio. Zunächst könnte man Christos als Backup für Emma Iyoha sehen. Bleibt der, was noch nicht sicher ist, ist es auch denkbar, Emma bei Bedarf als Außenverteidiger einzusetzen mit Christos davor.
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Noch jünger ist Ísak Bergmann Jóhannesson (Nr. 8) mit seinen 20 Jahren. Der in England geborene Isländer hat trotzdem deutlich mehr Spielerfahrung als unser neuer Grieche. Bereits mit 16 wurde er Profi in Schweden, nun kommt er per Leihe vom FC Kopenhagen. Ísak hat in seinem jungen Alter schon 19 A-Nationalmannschaftseinsätze für Island hinter sich und kickt vorwiegend im zentralen Mittelfeld. Wichtig: Er ist der dringend gesuchte Linksfuß im aktuellen F95-Kader und kann eigentlich alles im offensiven Bereich spielen – in dieser Hinsicht ähnelt er Shinta Appelkamp, mit dem er vermutlich in den direkten Konkurrenzkampf eintreten wird. Auch bei Jóhannesson hat F95 eine Kaufoption (ca. 2 ~ 3 Mio.) in den Vertrag schreiben lassen.
Der dritte Kollege, den wir uns anschauen sollten, ist Fortunas eigener Nachwuchsspieler namens Elione Fernandes Neto (Nr. 29), der sogar erst 17 ist. Den haben die Sportverantwortlichen noch schnell in den Profikader geholt, bevor reiche Vereine auf ihn aufmerksam wurden. Nun steht sein Wechsel zu Dosenpfand Salzburg bevor, das Brauseimperium soll angeblich mehr als 3 Mio Euro an F95 überweisen. Wäre er geblieben, würde er direkt mit Ísak Jóhannesson konkurrieren und weiterhin mit Shinta Appelkamp. Da das Mittelfeld ohnehin gut besetzt ist, würde sein Abgang nicht sehr wehtun.
Soweit die Fakten. Als Anhänger:in der glorreichen Fortuna betrachtet man die Situation um Elo Fernandes Neto mit einem lachenden und einem weinenden Auge. Gerade die der Fußballtradition verhafteten Fans träumen je immer noch gern den 11-Freunde-Traum, also den von einem Team der Konstanten. Denen unterstellt man oft Liebe zum Verein, was aber in der Praxis unrealistisch ist. Der Profifußball hat sich, besonders getrieben durch die Beraterfirmen, die an jedem Transfer satt mitverdienen, zum Karrierespielfeld für Kicker entwickelt. Heißt: Das persönliche Fortkommen ist jedem Profi meist näher als irgendwelche Sympathien für irgendeinen Verein. Es ist wie es ist, und man kann das ziemlich blöd finden.
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Verständlich ist dieses Verhalten der Spieler allemal, denn bis auf ganz, ganz wenige Kollegen muss jeder sehen, dass er sich in den maximal 15, 16 Jahren des Geldverdienens am Ball den finanziellen Grundstock für den Rest seines Lebens schafft. Das bedeutet, dass diese Jungs gerade im Alter zwischen etwa 22 und 30 das Maximum an Gehalt herausholen wollen. Das geht nur über das, was inzwischen landläufig „der nächste Schritt“ genannt wird. Der will wohl überlegt sein, denn eine Fehlentscheidung bei der Wahl des nächsten Clubs kann nicht nur einen Rückschritt bedeuten, sondern einen veritablen Karriereknick. Es geht also nicht immer nur um mehr Kohle, sondern um die Steigerung dieses ominösen Marktwerts.
Diese ganze strunzkapitalistische Mechanik macht des Kaderplanern auch nicht einfacher. Und was passiert, wenn man die Kohle konzeptionslos für angeblich starke Spieler raushaut, haben ja Clubs wie die Hertha vorgemacht. Nun fordern Fans ja gern, der Verein des Herzens möge mal „ordentlich Geld in die Hand nehmen“. Was konkret bedeutet: Schulden machen. Dass aber so finanzierte Flops einen Verein zu Boden bringen können, davon weiß die Fortuna ein Lied zu singen. Wer nach Investoren ruft, will diesen Weg gehen – Erfolg auf Pump.
Die Fortuna hat sich qua Mitgliedervotum schon vor Längerem dazu entschieden, so nicht zu agieren. Man ist aus Schaden klug geworden. Das bedeutet aber, dass eine Richtlinie einzuhalten ist: Es wird nicht mehr für Spielerkäufe ausgegeben als für Verkäufe eingenommen wurde. Und: Man greift gern auf Leihgeschäfte zurück, denn die minimieren das finanzielle Risiko drastisch. Wie man jüngst bei Kwadwo Baah gesehen hat, der nicht im Geringsten einlösen konnte, was man sich von ihm versprochen hatte. Also wurde das Leihgeschäft fristgerecht beendet, die ganze Sache hat eine überschaubare Summe Leihgebühr plus einen Anteil an seinem Gehalt gekostet.
Das spricht für Leihgeschäfte. Besonders dann, wenn mit dem Leihgeber eine Kaufoption vereinbart wurde. Denn dann kann die Fortuna einen Kicker, der sich als Leihgabe bewährt hat, zu einem festgeschriebenen Preis verpflichten. So ein bisschen wie „Taste and try before you buy.“ Für den verleihenden Verein hat ein solcher Deal auch Vorteile: Der verliehene Spieler bekommt idealerweise Spielzeit, entwickelt sich weiter und steigert seinen Marktwert. Das Problem für die Fortuna bleibt immer die Kaufoption, denn der vereinbarte Preis muss ja irgendwie finanziert werden.
Nun haben die Verantwortlichen bekanntlich schon seit Längerem auf die Leihmethode gesetzt und sich im europäischen Fußball dabei einen sehr guten Ruf erarbeitet. Davon profitieren die Kaderplaner spätestens jetzt mit den Ausleihen von Tzolis und Jóhannesson, zwei wirklich vielversprechenden Kickern mit großem Potenzial.
Und wie ist der Deal mit Fernandes Neto zu bewerten? Ebenfalls positiv. Durch die rasante Übernahme von Elo in den Profikader im vergangenen Jahr hat man ihn ja erst verkäuflich gemacht. Ihn bei Fortuna Köln entdeckt zu haben, muss als Großtat der NLZ-Leute gewertet werden. Nun gehört er dem Salzburg-Projekt, wird aber für dessen Farmteam vom FC Liefering auflaufen.
Das Prinzip „Ausbildungsverein“ hat also zwei Seiten. Einerseits werden im Nachwuchsleistungszentrum Jungs für den Profikader ausgebildet, wo sie sich zeigen können, um entweder zu Langfriststützen zu werden oder später Transfererlöse zu bringen, andererseits leiht man vielversprechende junge Kicker aus, die als F95-Profis über eine mehr oder weniger lange Strecke zeigen können, ob sie das in ihnen steckende Talent erfolgreich auswerten können. Man kann sagen: Da hat die Fortuna mit Klaus Allofs und Christian Weber ein klasse Konzept entwickelt und setzt es in die Praxis um.
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Also ich sehe das ganze sehr positiv und hoffe, daß die beiden sich gut in die Mannschaft integrieren werden und vllt schon am Sonntag mithelfen, uns ne Runde weiter bringen. Und damit auch den ewig zweifelnden mal den Mund stopfen.
Alles richtig gemacht
Die Kaufoptionen haben allerdings den fetten Haken, dass wir uns diese nicht leisten können. Siehe Karbownik. Da sind 5 Millionen plus 2 bis 3 Millionen einfach utopisch. Vielleicht spielt der Verein ja auch einen Systemschrin beim Lotto 😉. Vielleicht ja bei einem Aufstieg, aber der ist angesichts der Konkurrenz ja auch eher Lotto. Außerdem fehlt immer noch ein Ersatz mit der annähernden Qualität von Kownacki.
Grundsätzlich ist der Weg richtig, aber hohe Kaufoptionen bedeuten in der Regel, jede Saison auf ähnliche Spieler zu hoffen.
Perfekt zusammengefasst!
Also hier finde ich, muss man mal ein großes Kompliment an KA und CW machen. Die bisherige Transferperiode läuft sehr gut ausgewogen (der Kader wurde mal etwas ausgemistet) und die bisherigen Verpflichtungen verheißen viel Potenzial (die beiden neuen Leihspieler kenne ich noch nicht). Bedenklich sind aber schon unsere wirtschaftlichen Verhältnisse (die Stadt nimmt die doppelte Stadionmiete, etc.), an Gehältern hat man sicherlich mehr als 3 Mio. € bisher eingespart und über Transfers mehr als 5 Mio. € eingenommen, trotzdem fehlt es an allen Ecken, deshalb braucht es noch weitere gute Lösungen.
Es hat tatsächlich den Anschein, es wird strategisch klug vorgegangen und mit Augenmaß Geld erwirtschaftet, das ebenso mit Augenmaß wieder ausgegeben wird. Es wäre schön, es würde generell etwas mehr Vertrauen in die handelnden Personen gesetzt. Man kennt es schon nicht mehr, das auch im Umfeld des Vereins die nötige Ruhe herrscht, die manch andere Vereine auszeichnet. Danke für die immer sachlich fundierten und meist sachlich formulierten (weil das Herz für Fortuna schlägt, manchmal schwer) Berichte und Analysen. Helfen mir, das ganze Geschehen einzuordnen im Getöse der Meinungen.