Euer Ergebener

1959 – 2023: Meine 64 Jahre mit der Fortuna (Folge 5)

Der Weg war das Ziel, und den Weg zur Relegation gegen die Hertha im Jahr 2012 habe ich im vierten Teil beschreiben. Dieses Mal geht’s darum, was dann geschah…

Lesestück · Niemand, der die Fortuna im Herzen trug und immer noch trägt, hatte ernsthaft damit gerechnet, dass es mit einem möglichen Aufstieg in die erste Liga so schnell gehen könnte. Nur drei Jahre in Liga Zwo? Das hatten selbst Optimisten nicht erwartet, dass wir alle beim letzten Heimspiel gegen den MSV schon lauthals „Nie mehr zweite Liga, nie mehr, nie mehr…“ singen würden. Und natürlich waren nicht nur Rösler und Beister die Helden – es war da eine Mannschaft entstanden unter Trainer Norbert Meier, die sich alles zutraute. Nur: Die Relegation gegen die alte Tante Hertha erfolgreich überstehen? Daran konnte kaum jemand glauben. [Lesezeit ca. 7 min]

Und so fuhren wir ins Berliner Olympiastadion, das Stadion, in dem eingefleischte F95-Anhänger:innen ihr Team am liebsten in einem Pokalfinale gesehen hätten (und immer noch sehen wollen). Dieser Tag und die darauffolgende Nacht bildeten das bis dahin intensivste Fortuna-Erlebnis meiner Zeit als F95-Fan. In diesem Beitrag vom 11. Mai 2012 habe ich es hautnah und ausführlich beschrieben.

Na, schon gespannt auf die Geschichte? Nach einer kurzen Werbeunterbrechung geht’s weiter. Denn die Fortuna-Punkte verstecken sich nicht hinter einer Paywall. Alles, was du hier findest, ist gratis, also frei wie Freibier. Wenn dir aber gefällt, was du liest, dann kannst du uns finanziell unterstützen – zum Beispiel mit dem Kauf von Lesepunkten. Wir würden uns sehr freuen.

Wir waren gut 10.000 Nasen da in dem Uraltladen mit der blauen Tartanbahn. Und wir wollten unseren Jungs einfach so viel Anfeuerung wie nur möglich liefern. Dass Lumpi & Co. auswärts dort gewinnen könnten, erschien utopisch. Die Hertha hatte in ihrer Halbangst vor dem Abstieg Otto Rehhagel aus dem Seniorenstift geholt, und der betreute die Millionentruppe auch während der Relegation; die nicht erfolgreich zu überstehen, hatten sie in Berlin nicht auf dem Plan. Also gingen die Frösche in der 19. Minute in Führung. Aber da hatten die Fortunen schon gezeigt, wozu sie in der Lage waren: In der 10. und 11. Minuten hatten die Gäste zwei veritable Chancen. Und blieben mutig.

Aber waren auch durch den Wind. In der Pause soll es in der Kabine zu einer Gruppendynamik der besonderen Art gegeben haben, denn die Burschen kamen hochmotiviert und einigermaßen aggressiv zurück auf den Platz. Sie wollten wenigstens mit einem Remis nachhause fahren, um dort den Aufstieg klarzumachen. Beide Teams aber agierten sehr nervös. Und dann startete Thomas Bröker einen Sololauf, der in die rotweiße Geschichte einging. Drei Herthaner kochte er ab. Der Winkel war spitz, aber er schoss das Ei an den kurzen Innenpfosten, von wo aus es in die Hütte rollte – 1:1! Die Kurve explodierte, und Menschen (wie ich), die noch nie in ihrem Leben eine Seenotrettungsfackel in den Händen hatten, ließen den Block erleuchten.

Vor dem Relegationsrückspiel gegen die Hertha 2012 (Foto: FP)
Vor dem Relegationsrückspiel gegen die Hertha 2012 (Foto: FP)

Jetzt hatten unsere Jungs Oberwasser, denn die hochbezahlten Profis des BSC hatten mit solch einem Verlauf nicht gerechnet, und dem ollen Otto fiel auch nichts mehr ein. Die Fortunen spielten nun auf Sieg. Und dann schlug Ken Ilsö einen Freistoß, den ein Herthaner ungeschickt über den eigenen Tormann in die Kiste lenkte. Fortuna führte. Norbert Meier stellte auf ein 5-4-1 um, dessen Insassen den Hausherren ständig auf den Schlappen standen. Der Sieg war eingetütet!

Finde den Fehler: Menschen machen Fehler. Schreiber:innen sind Menschen, machen also Fehler. Und Schreiber ohne großes Team hinter sich – wie der Ergebene – machen natürlich auch Fehler. Deshalb unsere Bitte an alle: Wer einen Fehler im Text entdeckt, meldet ihn uns auf einem der bekannten Wege – z.B. per Mail an kontakt@fortuna-punkte.de oder über das Kontaktformular. Wir versprechen, falls wirklich etwas Falsches im Beitrag stand, bedanken wir uns nicht nur, sondern korrigieren es umgehend. Schönen Dank im Voraus!

Die Stimmung in Düsseldorf war nach diesem unerwarteten Auswärtssieg umgeschlagen. Plötzlich machte sich auch außerhalb der F95-Fankreise eine lange nicht erlebte Euphorie breit. Klar, packen die das! Und: Natürlich gehört die Fortuna in die Erste Bundesliga. Es war auch ein bisschen Trotz dabei, hatte doch Hoppelheim-Mäzen Hopp mit der ihm eigenen Arroganz 2008 in der FAZ geäußert:

Das ganze Gerede von Traditionen verstehe ich nicht. Sehr viele Traditionsvereine sind längst verschwunden, oder wollen wir jetzt Fortuna Düsseldorf zurück in die Bundesliga holen? Das ist Marktwirtschaft. Auch im Sport, vor allem im Fußball. Microsoft oder Google würde es mit dieser Denke nie geben.“ (Quelle: FAZ hinter der Bezahlschranke)

So war der Zeitgeist: Geld schießt Tore. Zuschauer sind Kunden. Und dann dieser Karnevalsverein aus der NRW-Hauptstadt. Nur neun Jahre zuvor irgendwo in der Oberliga dümpelnd. Verschuldet und von Präsidenten geführt, die von Fußball nichts verstanden. Runter auf knapp über 2.000 Mitglieder. Selbst in der Regionalliga oft vor weniger als 3.000 zahlenden Gästen antretend. Eher zufällig doch noch in die zweite Liga gekommen. Während künstliche Konstrukte wie das Hopp-Franchise mal eben durchmarschierten.

Pyroshow in der Arena beim Relegationsspiel gegen Hertha 2012 (Foto: FP)
Pyroshow in der Arena beim Relegationsspiel gegen Hertha 2012 (Foto: FP)

Über das Rückspiel gegen die Hertha gibt es kaum mehr zu sagen als das, was ich damals in der Rainer’schen Post schrieb. Mein Hass – ja, dieses große Wort muss es hier sein – gilt immer noch den Akteuren auf Hertha-Seite, die MICH PERSÖNLICH um eine angemessene Aufstiegsfeier betrogen haben, allen voran Preetz, dieser Loser, und Schickhardt, dieser Advokat, der für jeden aus seinem Winkel kriecht, der ihm genug zahlt. Auch mit Otto Rehhagel habe ich nie Frieden schließen können, obwohl seine Aussage, er habe Halbangst gehabt, eher realsatirisch zu verstehen ist. Jedenfalls: Nach fünfzehn Jahren war Fortuna Düsseldorf wieder erstklassig.

Der Verein selbst erlebte unter dem Aufsichtsratsvorsitzenden Dr. Reinhold Ernst eine Konsolidierung, mit der auch nicht alle gerechnet hatten. Aber, je besser es spochtlich lief, desto mehr Leute, die sich jahrelang nicht bei der Fortuna hatten sehen lassen, wollten sich nun im Glanz des möglichen Aufstiegs sonnen. Und in den Gremien herrschte auch nicht nur Friede, Freude und Eierkuchen. Zumal Paul Jäger inzwischen der einzige Traditionsträger dort war, und der hatte genug damit zu tun, die nötigen Strukturen für die erste Liga irgendwie hinzukriegen.

November 2012: Als die HSV-Fans mal ihr eigenes Banner abfackelten (Foto: FP)
November 2012: Als die HSV-Fans mal ihr eigenes Banner abfackelten (Foto: FP)

Tja, und dann war unsere geliebte Fortuna auf einmal wieder erstklassig. Und wir Fans, die wir der Diva auf Schritt und Tritt folgten, kriegten die volle Packung Kommerz um die Ohren gehauen. Verwöhnt vom Stadion-DJ Opa mit seinem Musikprogramm weit jenseits des Mainstreams und unseren unaufgeregten Stadionsprechern Ilja Ludenberg und Andre Scheidt waren wir nicht darauf vorbereitet, was man uns in Erstligaarenen zumuten würde. Die Spannbreite des Grauens reichte von einem dauerkreischenden Fanbespaßer in Mainz über auf die Zuschauer gerichteten Lautsprecherboxen, die jedes Gespräch unterbanden, bis hin zu Fanmeilen voller widerlicher Merch-Produkte zu überhöhten Preisen.

Okay, war schön, mal wieder in Kackbach antreten zu dürfen und im Volkspark oder im Westfalenstadion, und jede Auswärtsfahrt war ein Erlebnis für sich. Zumal ich mir vorgenommen hatte, mit möglichst vielen verschiedenen Fanbussen zu reisen. Sagen wir so: In den einen wurde sehr viel gesoffen, in den anderen noch viel mehr. Es sollen in meiner Anwesenheit sogar Autobahnraststätten geplündert worden sein, aber davon weiß ich nichts, weil ich in solchen Pausen IMMER Paul Jäger traf – zufällig.

Dezember 2012: Stimmungsboykott der Aktion 12:12 in der Arena (Foto: FP)
Dezember 2012: Stimmungsboykott der Aktion 12:12 in der Arena (Foto: FP)

Es war die Saison der Aktion 12:12. Es ging um das Pyroverbot und ein Gesprächsangebot des DFB, das dieser plötzlich und ohne jede Begründung zurückzog. Was wir dem Verband empfahlen, zeigen manche Fotos. Jedenfalls hatten sich die aktiven Fanszenen des Landes darauf verständigt, bis zum Ende der 12. Spielminute jeden Support einzustellen, keine Choreos, Banner und Fahnen zu zeigen, nicht zu singen, nichts zu skandieren, sondern einfach zu schweigen. Das war gespenstisch – meiner Erinnerung nach besonders im Westfalenstadion.

Dann kam das Pokalspiel in Offenbach am 18. Dezember 2012. Es handelte sich um das Achtelfinale, und eigentlich waren wir Fortunen superstolz darauf, wie im Vorjahr das Achtelfinale erreicht zu haben. Und froh darüber, dass dieses Mal nicht der BVB-Gegner war, sondern der Regionalligist Kickers Offenbach. Eine lösbare Aufgabe also. Allerdings hatten die Kickers zuvor schon Fürth und Union rausgekegelt. Wie verabredet übte sich gleichwohl eine Mehrheit der mitgereisten Düsseldorfer im Stimmungsboykott, der zum Ende des Jahres gern auch mal das ganze Spiel über stattfand – ein letzter Versuch, den DFB in Bewegung zu bringen.

Im Spielbericht heißt es: „Düsseldorf fiel nichts ein.“ Und – das weiß man – wenn man vorn die Tore nicht macht, kriegt man sie irgendwann selbst ins Gehäuse gelegt. So kam es. Fortuna verlor mit 2:0. Der Weg zu den Bussen führt in Offenbach durch den finst’ren Wald. Die Cops hatten ein paar leuchtstarke Lampen aufgebaut und so gestellt, dass die abmarschierenden Düsseldorfer geblendet durchs Gelände stolperten; und wie in meinem Fall auf die Schnauze fielen. Um sich dann an den Bussen angekommen vom einem Paul Jäger in Rage als „W***ser“ beschimpfen zu lassen. Denn seine Legende war, dass F95 verloren hatte, weil die Mannschaft nicht angefeuert wurde. Wer’s glaubt, wurde selig…

Pokalachtelfinale in Offenbach - Stimmungsboykott inklsuive (Foto: FP)
Pokalachtelfinale in Offenbach – Stimmungsboykott inklsuive (Foto: FP)

Reden wir nicht über die verschiedenen Partien, sondern konzentrieren wir uns auf den letzten Spieltag und den Grund dafür, dass jeder aufrechte Fortune zum BVB-Hasser wurde. Am 33. Spieltag stand F95 mit 30 Punkten auf dem 15. Platz; dahinter Augsburg (30), Hoffenheim (28) und Fürth (21). Dass Augsburg gegen Fürth zuhause gewinnen könnte, war hochwahrscheinlich; also würden sie mit 33 Punkten enden. Wegen der besseren Tordifferenz würde es Hoppelheim nicht reichen, nach Punkten gleichzuziehen. Sie müssten in Dortmund beim amtierenden Meister und Pokalsieger sowie designiertem Vizemeister gewinnen. Der Siebzehnte müsste also beim Zweiten siegen. Ha, ha, ha…

Schwatze-Füße-Gelbe-Zähne ging früh in Führung und hatte gegen harmlose TSGler alles im Griff. In der 72. Minute gab es einen berechtigten Elfer für die Gäste – 1:1. Und wie nach einem geheimen Drehbuch gibt es fünf Minuten später gleich noch einen Strafstoß für Hoffenheim nach einer Notbremse durch den unsympathischen Weidenfeller, der die des Platzes verwiesen wurde. Weil nicht mehr gewechselt werden konnte, musste ausgerechnet Fiesling Großkreutz ins Tor. Natürlich hielt der den Elfer nicht. TSG führte mit 2:1 gegen nur noch zehn Dortmunder. Fortuna lag in Hannover zurück.

April 2013: Leider verloren - das Heimspiel gegen den BVB (Foto: FP)
April 2013: Leider verloren – das Heimspiel gegen den BVB (Foto: FP)

Natürlich ranken sich um diesen Abstieg in allerletzter Minute unter merkwürdigen Umständen allerlei Verschwörungstheorien. Aber mit größter Wahrscheinlichkeit war es diesen Typen in Schwarzgelb einfach wurscht wie’s ausging. Und Trainer Klopp, den ja alle immer so dufte finden, war es auch egal. Denn die Scheißbayern waren mit 91 Punkten eh Meister, und Bayer konnte den BVB nicht mehr von Platz 2 holen. Ein bisschen Verschwörung darf aber doch sein. Die Art und Weise wie Weidenfeller die Situation zu klären versuchte, sah schon so ein bisschen aus, als habe er Elfer und roter Karte absichtlich in Kauf genommen.

Wie auch immer: Das Abenteuer Erste Liga war nach nur einer Saison beendet, und unsere glorreiche Fortuna durfte – dieses Mal für fünf Spielzeiten – die zweite Liga unsicher machen. Darum wird es in der sechsten Folge dieser Serie gehen.

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4 Gedanken zu „1959 – 2023: Meine 64 Jahre mit der Fortuna (Folge 5)

  • Zwei kleine Korrekturen: 4. Absatz, 5. Zeile muss „schon“ wohl „schoss“ heißen.
    Ich gehe davon aus, dass dien nchste Folge die 6. und nicht diese 5. ist. 🙂

    Zur BVB-Legende: Ich kann diesem „BVB-Hass“ absolut nicht folgen. Der Abstiegsplatz der Fortuna war ausschließlich ihr eigenes Werk einer verkorksten Saison. Den Abstieg an diesem letzten Spiel festzumachen, ist meiner Ansicht nach unsinnig. Die Ansicht, BVB oder Weidenfeller hätte das Spiel gegen Hoffenheim absichtlich verloren bzw. verschoben, entspringt wohl auch eher der Unfähigkeit einiger (vieler?) Fans, das Versagen des eigenen Vereins als solches einzugestehen. Stattdessen sucht man sich einen Sündenbock. Ich denke nicht, dass es die Aufgabe des BVB war, Fortuna vor dem Abstieg zu retten. Warum sollte er? Warum sollte BVB unser Abstieg nicht egal sein? Meines Wissens besteht da kein Sympathie- oder sonstiges positives Verhältnis. Fortuna hat den Abstieg selbst verschuldet.

    Antwort
    • Danke für die Hinweise – schon korrigiert!
      Ja, rational betrachtet war das mit dem Abstieg so wie du es beschreibst. Emotional aber…

      Antwort
      • Emotional habe ich mich über Fortuna geärgert und auch getrauert. Sonst über niemanden. In Bezug auf Hertha und alle ihre unsäglichen Repräsentanten (von Trainer über Preetz bis Fans!) bin ich aber zu 100 % bei dir.

        Antwort
  • wie immer danke! – die Wut auf diesen Möchtegern-Hauptstadtverein mit seinem Schiri-Schlägerwilli, seinen Preetz, der in Düsseldorf nie eine Murmel getroffen hat, und seinen anderen – wahrlich, das sind sie – Fröschen will auch heute noch nicht verrauchen.

    Antwort

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