Spielberichte

F95 vs Sandhausen 2:0 – 26 Torschüsse, nur zwei Treffer, das sagt alles…

Die glorreiche Fortuna hat das Heimspiel gegen den Angstgegner Sandhausen dann doch noch mit 2:0 gewonnen, kann also auch ohne Kownacki siegen.

Bericht · Die beste Nachricht neben dem schnöden Ergebnis: Bei den Siegesfeierlichkeiten vor der Süd hüpfte Dawid Kownacki schon wieder mit den Kollegen über die Wiese. Kann also wohl nicht so schlimm sein mit seiner Verletzung, wegen der er in der 18. Minuten nach Rücksprache mit Doc Blecker ausgewechselt wurde. Ohne Feindberührung hatte es ihn im Oberschenkel gezwickt; könnte sein, dass sein Abgang nur die Mutter der Porzellankiste war. So wie die Partie gelaufen ist, steht aber zu bezweifeln, dass Dawids Anwesenheit Wesentliches verändert hätte. [Lesezeit ca. 7 min]

Die Sandhäuser, die es, wenn man sich die Mitbewerber um den Abstieg aktuell anschaut, am Ende der Spielzeit dieses Mal nach elf Jahren Zweite Liga erwischen könnte, waren offensiv doch Doppel-Kinsombi und Esswein geradezu mitleiderregend harmlos, standen aber hinten mit einer Fünfer- und einer Viererkette recht sicher. Anfangs versuchten es unsere Jungs vor allem über Außen; klassisches Muster: Die Linie runter, bisschen nach innen ziehen, flanken. Und dies sowohl von links als auch von rechts. Dumm nur, dass im Strafraum dann immer mindestens sieben SVSler anzutreffen waren, aber oft nur zwei, bestenfalls drei Fortunen.

F95 vs SVS: Einzelner Bengalo als Erinnerung an den 10. Todestag von Cedi (Foto: FP)
F95 vs SVS: Einzelner Bengalo als Erinnerung an den 10. Todestag von Cedi (Foto: FP)

Durch die Mitte ging so gut wie nichts, weil die Abstände unter den Verteidigenden so klein waren, dass sich keine passwürdigen Schnittstellen ergaben. Weil es zudem keine lohnenswerten Standards gab, blieb zunächst wenig mehr übrig als klassisch über die Flügel zu kommen. Das war langweilig. Auch weil eben oft hintenrum gespielt werden musste und Flo Kastenmeier so mal wieder zum Mann mit den meisten Pässen wurde. Nur EINMAL nahm Käpt’n Hoffmann sein Herz an den Fuß und schlug einen Diagonalpass von rechts hinten über mehr als 50 Meter nach links auf Shinta Appelkamp.

F95 vs SVS: Die Süd eine Stunde vor dem Anpfiff (Foto: FP)
F95 vs SVS: Die Süd eine Stunde vor dem Anpfiff (Foto: FP)

Hätte ein Rezept zum Knacken des kurpfälzischen Catenaccios werden können. Oder: Tanaka hätte öfter einfach mit dem Ball am Fuß durch die Mitte gehen sollen, um Fouls zu ziehen. Oder: Die Truppe hätte den Sechzehner mit mehr Leuten aufladen müssen. So kamen eben nur elf statistisch erfasste Torschüsse und die unfassbare Quote von 75 Prozent Ballbesitz zustande.

Na, schon gespannt auf den Spielbericht? Nach einer kurzen Werbeunterbrechung geht’s weiter. Denn die Fortuna-Punkte verstecken sich nicht hinter einer Paywall. Alles, was du hier findest, ist gratis, also frei wie Freibier. Wenn dir aber gefällt, was du liest, dann kannst du uns finanziell unterstützen – zum Beispiel mit dem Kauf von Lesepunkten. Wir würden uns sehr freuen.

F95 vs SVS: Die Statistik zur ersten Halbzeit (Screenshot: kicker.de)
F95 vs SVS: Die Statistik zur ersten Halbzeit (Screenshot: kicker.de)
Insofern können wir uns den Spielfilm der ersten Hälfte beinahe schenken und mal ein wenig theoretisieren. Denn offensichtlich geht das Zeitalter der starren Systeme gerade zu Ende. Das merkt man daran, dass zum Beispiel das Fachmagazin Kicker aus der ihnen gemeldeten Aufstellung die abenteuerlichsten Systeme konstruiert und anzeigt. Nominell – heißt: so hat’s der Cheftrainer genannt – spielten die Herren in Rot ein 4-4-2. In der Realität war es aber eine Dreierkette mit je einem variablen Schienenspieler. Nominell spielte Emma Iyoha einen linken Außenverteidiger. In der Realität wirkte er aber viel öfter vorne als klassischer Außenläufer – so wie das ja auch Micky Karbownik bisher oft gespielt hat.

Weil Emma mangels SVS-Offensivdruck fast nur vorne rumturnte, stand hinten eben eine Dreierkette, gebildet aus Hoffmann, Chris Klarer und Tim Oberdorf. Theoretisch hätte dieser Oberdorf den Part des rechten Schienenspielers übernehmen sollen, was er aber in der ersten Halbzeit praktisch nie tat. Zumal er mit Felix Klaus einen waschechten Außenstürmer vor sich hatte. Das ist, was dieses flexible Anordnen der Spieler so charmant macht: Es lässt sich prima an die spezifischen Profile der vorhandenen Kicker anpassen. Die Sache kam auch Shinta Appelkamp entgegen, der eben nicht draußen auf dem Flügel agieren musste, sondern immer nach innen ziehen konnte, wenn Emma stürmte.

Finde den Fehler: Menschen machen Fehler. Schreiber:innen sind Menschen, machen also Fehler. Und Schreiber ohne großes Team hinter sich – wie der Ergebene – machen natürlich auch Fehler. Deshalb unsere Bitte an alle: Wer einen Fehler im Text entdeckt, meldet ihn uns auf einem der bekannten Wege – z.B. per Mail an kontakt@fortuna-punkte.de oder über das Kontaktformular. Wir versprechen, falls wirklich etwas Falsches im Beitrag stand, bedanken wir uns nicht nur, sondern korrigieren es umgehend. Schönen Dank im Voraus!

Dass eine nominelle Doppelspitze in der Realität nicht aus zwei gleichartigen Burschen besteht, die schön nebeneinander aufs Knipsen lauern, ist dagegen ein alter Hut. Um das zu illustrieren, hat man je die Begriffe „Wandspieler“ und „Stoßstürmer“ erfunden. Für Kownacki war Daniel Ginczek gekommen, der die Rolle der ersten Spitze ganz anders interpretierte als Dawid das macht. Der verfügt ja über die Spielintelligenz, weit nach hinten auszuholen, sich bisweilen die Pille selbst im Mittelfeld zu holen und dann Angriffszüge selbst einzuleiten. Das ist Ginczeks Ding nicht. Der marodiert eher direkt vor der gegnerischen Verteidigungslinie und weicht zum Freilaufen immer ein bisschen seitlich aus.

F95 vs SVS: Kownacki raus in Absprache mit Doc Blecker (Foto: FP)
F95 vs SVS: Kownacki raus in Absprache mit Doc Blecker (Foto: FP)

Nun heißt es in manchen Spielberichten, Cello Sobottka habe „unauffällig“ gespielt. Klar, das bleibt für einen defensiven Sechser bei einem extrem tiefstehenden Gegner und dem beschriebenen „System“ der eigenen Mannschaft nicht aus. Er wird als Absicherung viel zu oft gebraucht, als dass er sich öfter nach vorne orientieren könnte. Dafür glänzte Cello erneut beim Thema „Balleroberung“. König in dieser Disziplin war aber Emma Iyoha, den man ohnehin zum besten Fortuna der Partie küren sollte.

Dem Ergebenen hat am wenigsten die Leistung von Ao Tanaka gefallen, der erst ab der 45. Minute überhaupt Wirkung zeigte und (sehr spät) erst in der 79. Minute durch Jorrit Hendrix ersetzt wurde. Wie im vermaledeiten Pokalspiel brachte der Holländer Schwung in die Bude – könnte sein, dass die Kritik, die ihm jüngst entgegenschlug, seinen Ehrgeiz geweckt hat. Hendrix machte genau das, was Tanaka hätte tun sollen: Unruhe verbreiten, Gegner einschüchtern. Das ist, was von einem Achter in der gegebenen Konstellation zu erwarten ist.

F95 vs SVS: Eine der vielen Ecken in der zweiten Halbzeit (Foto: FP)
F95 vs SVS: Eine der vielen Ecken in der zweiten Halbzeit (Foto: FP)

Mit Hendrix kam auch Jona Niemiec, der einzige Held beim Pokalspiel in Nürnberg. Und auch der – genau wie in dieser Partie – brachte Feuer in die Sache. Euer von Herzen ergebene Berichterstatter würde sich weit aus dem Fenster lehnen und behaupten: Die Beiden waren gestern die Matchwinner. Verrückt genug, dass der Ergebenen diesen jungen Herrn Niemiec nicht auf dem Schirm hatte, obwohl er schon in der Zwoten mehrfach verhaltensauffällig geworden ist. Dorthin kam er im Juli 2021 aus Sprockhövel. Nein, ein Messias ist das nicht, aber ein kampfstarker, wuchtiger, zu Dribblings fähiger, für sein Alter ungewöhnlich selbstbewusster Kerl, beidfüßig zudem und – Wie heißt es heute? – polyvalent einsetzbar. Jona Niemiec ist ein Spielertyp, wie in die Fortuna jetzt und in Zukunft dringend braucht.

F95 vs SVS: Emma kann prima Einwürfe (Foto: FP)
F95 vs SVS: Emma kann prima Einwürfe (Foto: FP)

Klar würde man ihn gern in der Startelf sehen, aber die Zwote, die aus dem Abstiegsschlamassel noch lange nicht raus ist, braucht ihn aktuell dringender. Darauf hat ein fachkundiger Leser den Ergebenen in der vergangenen Woche zurecht aufmerksam gemacht. Wie überhaupt die Idee, jetzt schon die jungen Wilden regelmäßig zu bringen, genau an diesem Umstand scheitert. Der Abstieg in die Oberliga wäre für F95 fatal: Es würde schwierig, Talente zu halten und Talente zur Fortuna zu holen.

F95 vs SVS: Großchance für Rouwen Hennings (Screenshot: ARD Sportschau)
F95 vs SVS: Großchance für Rouwen Hennings (Screenshot: ARD Sportschau)

Doch ein bisschen Spielfilm gefällig? In der ersten Halbzeit gab es lediglich in der 40. Minute so etwas wie eine Torchance für die Roten. Felix Klaus, der auf dem rechten Flügel zunehmend mehr Alarm machte, flanke fein auf den Elfmeterpunkt, wo Ginczek parat stand, per Kopf aber zentral auf den SVS-Keeper abzog. Mehr wirklich auffällige Szenen gab es in der ersten Hälfte nicht.

Im zweiten Abschnitt ging es dagegen Schlag auf Schlag. 48. Minute: Kopfball von Hoffmann nach einer einstudierten Eckballsituation – knapp am Kasten vorbei. Selbe Minute: Strammer Schuss von Hennings – gut pariert vom Schlussmann. 52. Minute: Hennings schön und flach auf Ginczek, der den Fuß reinhält – wieder gehalten. 53. Perfekte Flanke von Iyoha auf den völlig freien Hennings, der mit dem falschen Fuß annehmen muss – daneben. 59. Minute: Felix Klaus schoss am Tor vorbei. 67. Minute: Wieder eine Shinta-Ecke auf Hoffmann – zu zentral. 76. Minute: Erst Hennings, dann Iyoha – drüber. 82. Minute: Freistoß aus gut 20 Meter, zentral – Hennings Schuss weit drüber.

F95 vs SVS: Feiner Kopfball von Hoffmann (Screenshot: ARD-Sportschau)
F95 vs SVS: Feiner Kopfball von Hoffmann (Screenshot: ARD Sportschau)

Wie das so ist: Altgediente Fortuna-Fans kriegen Panik und murmeln ständig vor sich hin: „Wenn du vorne die Dinger nicht rein machst…“ Man kennt das ja: Ein hoffnungslos unterlegener Gegner kommt einmal in den Strafraum, Tumult, die Fortunen kriegen das Ein nicht weg, und – zack – Gegentor. Um ehrlich zu sein: Sooo nah waren die Sandhäuser nie an einem Treffer.

F95 vs SVS: Kownacki jubelt mit nach dem 1:0 (Foto: FP)
F95 vs SVS: Kownacki jubelt mit nach dem 1:0 (Foto: FP)

Außerdem blieben unsere Jungs bei allem Druck, eine Bude machen zu MÜSSEN, voll konzentriert. Und dann flankt Iyoha auf den Elferpunkt zu Ginczek, der die Pille kontrolliert und nach außen auf den anstürmenden Oberdorf raus legt, der abzieht. Ein SVSler fälscht sehr blöd ab, sodass die Kugel hochspringt und neben dem Pfosten einschlägt. Das in der 85. Minute. Was sich unten vor dem Block 41, in dem der Ergebene wohnt, abspielte, war kein einfacher Torjubel, das war eine Feier der Erlösung. Selten hat man Tim Oberdorf so dermaßen emotional gesehen. Endlich die Belohnung für das konzentrierte und druckvolle Spiel der zweiten Halbzeit.

F95 vs SVS: Das abschließende2:0 durch Rouwen Hennings (Screenshot: ARD-Sportschau)

Der SV Sandhausen baute physisch ab, versuchte aber mit seinen enorm beschränkten Mitteln auf den Ausgleich zu gehen. Stattdessen ist Niemiec, der das Leder erobert, machtvoll nach vorne geht und in die Mitte passt, wo Rouwen Hennings aus etwa fünf Metern nur noch den Fuß reinhalten muss. Das war das 2:0 in der 88. Minute. Der Fisch war geschuppt, das Ding gewonnen. Beim zweiten Torjubel sprintete Chefcoach Thioune über den halben Platz und warf sich in die Spielertraube. Und, ja, zurecht, denn über alles gerechnet muss die Partie gegen den möglichen Absteiger als taktische Großtat gewertet werden. Besonders, weil in der Pause mit wenigen Veränderungen die gesamte Dynamik so verändert wurde, dass der Gegner dem wachsenden Druck nicht standhalten konnte.

F95 vs SVS: Jubeltraube samt Trainer nach dem 2:0 (Foto: FP)
F95 vs SVS: Jubeltraube samt Trainer nach dem 2:0 (Foto: FP)

An dieser Stelle möchte euer zutiefst Ergebener eine persönliche Erklärung abgeben. Das Pokalaus hat ihn so dermaßen frustriert, dass ihm die Pferde der Depression durchgegangen sind. Vorbei ist nur der Pokal, in der Liga lebt die Fortuna. Die Saison muss nicht abgeschrieben werden, das hat der Ergebene nach den Partien gegen Paderborn und Nürnberg voreilig postuliert. Eine Siegesserie ist denkbar, und die brächte – mit ein bisschen Hilfe der Mitbewerber – Fortuna schnell bis auf Platz vier oder gar drei. Und dann wäre noch alles möglich. In Fürth könnten unsere Jungs gewinnen, das Heimspiel gegen Braunschweig muss drei Punkte bringen, die man in Regensburg (siehe Pokal) ebenfalls holen sollte, um das alles dann mit der Zuhause-Partie gegen Heidenheim zu vergolden. Nichts ist unmöglich.


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4 Gedanken zu „F95 vs Sandhausen 2:0 – 26 Torschüsse, nur zwei Treffer, das sagt alles…

  • Hallo Rainer, treffender Kommentar, habe nichts hinzuzufügen (außer Kommentaren zur allgemeinen Aufstellung des Vereins, die hier und heute aber nicht hingehören). Bin zwar nicht der Dudenpapst, habe aber 6 Rechtschreibfehler gefunden. Bitte melden, wenn Interesse an einer sprachlich einwandfreien Berichterstattung besteht …

    Antwort
  • Hey, wieder ein sehr guter Kommentar zum Spiel unserer Diva.
    Ja eine Serie ist dringend notwendig und auch möglich. Allerdings zeigt uns die jüngste Vergangenheit, dass unsere Diva den leidgeprüften Fans oft in der Zeit der Hoffnung eine Ohrfeige gibt.
    Deshalb bleibe ich lieber skeptisch, wobei die Hoffnung natürlich im Herzen lebt.

    Antwort
  • Na, gut.
    Warten wir mal ab, ob die Saison gelaufen ist. Die Mannschaft hat in der Rückrunde gezeigt, dass sie gegen eine Spitzenmannschaft keine Schnitte hat und gegen Abstiegskandidaten viele, viele Torchancen aber wenig Buden macht. Ob es gegen ein Team aus dem Mittelfeld wie Fürth oder Kiel reicht, sehen wir dann ja schon am Wochenende.

    Im Augenblick sind wir ja sogar noch in der Verlosung mit drin. Wenn wir zu Hause gegen Heidenheim was holen, dann bin ich bei dir und die Saison kann noch eine Überraschung bringen.

    Unabhängig davon wünsche ich mir mehr Spielzeit und Perspektive für jüngere Spieler, vor allem dann, wenn ein Aufstieg oder 3. Platz „nur noch rechnerisch“ möglich ist.

    Antwort
  • Pingback: [Geändert] Vorbericht: F95 vs Braunschweig – Der Druck ist raus, zeigt einfach, was ihr könnt! – Fortuna-Punkte

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