Spielberichte

Vorbericht: St. Pauli vs F95 – Letzte Ausfahrt Millerntor

Mann, Mann, Mann – wer hätte das gedacht? Vierter gegen Fünfter am Millerntor kurz vor Saisonschluss…

Analyse · Da braucht man keine künstliche Intelligenz, um das Besondere an dieser Partie in warme Worte kleiden zu lassen. Erstens sind Begegnungen des FC St. Pauli und des TSV Fortuna Düsseldorf schon seit 1971 immer aufregend. Zweitens geht es dieses Mal darum, ob und wer noch Verfolger des Zweitliga-Dinos HSV bleibt, der ja bekanntlich Vierter wird. [Lesezeit ca. 5 min]

Euren mit Kopf, Herz und Bauch ergebener F95-Beobachter verbinden etliche Erlebnisse mit Pauli. Da ist das 3:1 der Rotweißen in der Aufstiegsrunde zur Ersten Bundesliga vom 26. Mai 1971, dem beizuwohnen er das große Glück hatte. Da ist das legendäre 7:0 der Fortuna am 12. Mai 1990 vor jämmerlichen 13.500 Nasen im Rheinstadion. Da steht eine unfassbare fortunistisch-paulianische Freundschaftsparty in der Nacht des 8. April 2005 in der heute nicht mehr existierenden „Havanna Bar“ in der Arena zu Buche, bei der rund 120 Fans beider Clubs die Bar restlos leertranken und weit nach Mitternacht von der Security aus dem Haus getrieben wurde.

Na, schon gespannt auf den Vorbericht? Nach einer kurzen Werbeunterbrechung geht’s weiter. Denn die Fortuna-Punkte verstecken sich nicht hinter einer Paywall. Alles, was du hier findest, ist gratis, also frei wie Freibier. Wenn dir aber gefällt, was du liest, dann kannst du uns finanziell unterstützen – zum Beispiel mit dem Kauf von Lesepunkten. Wir würden uns sehr freuen.

Und dann ein deprimierendes 0:4 am Millerntor, bei dem der Ergebener dank eines von Robert Palikuca kurz vor Anpfiff organisierten Tickets mitten zwischen den Pauli-Nachwuchsspielern im eiskalten Stadion bibberte. Da sind Erinnerungen an mehrere Tore für die Fortuna im Millerntor-Stadion, die fielen, während er sich mit F95-Kumpel Markus Sch. ne Bratwurst zog. Oder dieses fürchterliche Spiel während des dortigen Umbaus, als wir aus dem benachbarten Asi-Block des FCSP dauerhaft bespuckt wurden. Oder als sich im Februar die Fans beider Teams nach Abpfiff die jeweils andere Mannschaft bejubelten und es tatsächlich Freundschaftsbändchen(!) gab.

Das Gegnerporträt

Zusammengefasst: Seit den Zeiten, in denen Volker (Ippig) die Signale hörte und in einem der besetzten Hafenstraßenhäuser wohnte, ist der VEREIN dem Ergebenen höchst sympathisch, allein schon wegen der klaren Ausrichtung des Clubs gegen Rassismus und jede Form der Diskriminierung. Nie aber gab es eine MANNSCHAFT des FC St. Pauli, die er sympathisch fand. Im Gegenteil: Für ihn bleiben die Braunen auf ewig eine Kloppertruppe ohne jede fußballerische Kultur. Die konnte ihnen nicht einmal Ewald Lienen einpauken…

Die Geschichte des Clubs ist – wie unsere – von Höhen und Tiefen und seit den Achtzigerjahren von massiven Finanzproblemen gekennzeichnet. Mittelfristig gesichert hat den Verein der für ganz andere Qualitäten bekannte Corny Littmann. Der ist Gründer des Schmitt-Theaters und dort ebenfalls durch das Überleben des Etablissements berühmt geworden. Er war es, der den Stadionum- und -ausbau final durchsetzte. Er war es, der mit seinem Marketinggeschick den FC St. Pauli endgültig zur Marke formte. Wobei ein schlauer Autor mal nachgewiesen hat, dass es eher Uli Potofski war, der mit seiner RTL-Fußballshow „Anpfiff“ für das Bild sorgte, das dem Club bis heute anhängt und das mit Dutzenden schlümmer Spochtrepochter-Floskeln verbreitet wird. Deshalb wird euer Ergebener nie von den „Kiezkickern“ reden oder das Millerntor-Stadion „Freudenhaus der Liga“ nennen.

Immer mal wieder lecken die Paulianer an den Pforten der Ersten Liga, und fünf Mal stiegen sie tatsächlich auf; am längsten blieben sie um 1990 in der obersten Klasse, aber insgesamt sind sie ein prototypischer Zweitligaverein. Und wer zu Beginn dieser Saison gesagt hätte, sie würden um den Relegationsplatz mitspielen, den hätte man ausgelacht. Und nun haben sie mit ihrem jungschen Trainer Hürzeler (30) mal eben einen Strang von zehn Siegen am Stück hingelegt und nur das Hamburger Stadtderby dummerweise verloren und noch dümmerweiser eine Heimniederlage gegen Braunschweig kassiert.

Die Fakten:

Tabelle:

PlatzVereinSpieleSiegeUnentschiedenNiederlagenPunkteTore
4.FC St. Pauli3115885350:35
5.Fortuna Düsseldorf31165105354:40

Ausfälle:
F95: Hendrix, Hennings, Tanaka, Sobottka
Pauli: 8 Spieler

Info:
Samstag, 13.5.2023, 20:30 am Millerntor
Schiri:
TV: Sport1 / Sky / Wow


Der Spielplan

Die Paulianer stechen fußballerisch in dieser Saison durch nichts besonders hervor. Okay, sie haben die drittbeste Defensive der Liga. Außerdem gehen sie unter dem im Dezember gekommenen Trainer immer mit Kampfgeist zu Werke – dabei aber für einen FC St. Pauli ungewohnt fair. Genau wie die Fortuna hat der FCSP bisher 72 Karten eingesammelt. Keiner von denen konnte sich in die Top-20-Liste der kicker-Spieltagsnoten eintragen. Allerdings haben sie mit Hartel den Kicker, der die meisten Kilometer der Liga macht, und das Team selbst steht auf Platz 2 dieser Wertung. Torhüter Vasilj hat sich zum zweitbesten Keeper der Liga hochgehalten, und mit Paqarada haben sie einen Mittelfeldmann der Extraklasse (der ja auch gern zum Äff-Zeh wechseln würde, wenn der Äff-Zeh denn überhaupt Transfers machen darf :–))

Hürzeler lässt (fast) immer ein 3-4-3 spielen, sein Credo lautet „Kontrolle übers Mittelfeld“. Seine Siegesserie hat ihre Ursache auch darin, dass er lange vom Verletzungspech verschont blieb. Giftigste Werkzeuge der Offensive sind die Schienenspieler, von denen der erwähnte Paqarada einer ist. Die Last des Toreschießens verteilen sie auf mehrere Füße, einen Knipser im engeren Sinn haben sie nicht.

Finde den Fehler: Menschen machen Fehler. Schreiber:innen sind Menschen, machen also Fehler. Und Schjreiber ohne großes Team hinter sich – wie der Ergebene – machen natürlich auch Fehler. Deshalb unsere Bitte an alle: Wer einen Fehler im Text entdeckt, meldet ihn uns auf einem der bekannten Wege – z.B. per Mail an kontakt@fortuna-punkte.de oder über das Kontaktformular. Wir versprechen, falls wirklich etwas Falsches im Beitrag stand, bedanken wir uns nicht nur, sondern korrigieren es umgehend. Schönen Dank im Voraus!

Ein bisschen anfällig sind sie bei Standards vor allem bei direkten Freistößen aus 20 bis 25 Metern Entfernung. Gegen den HSV haben sie vor allem deshalb verloren, weil sie nach der Pause zu lange brauchten um ins Spiel zu finden und die Kontrolle wieder zu übernehmen, die sie über weite Phasen der ersten Halbzeit hatten. Darauf lässt sich kein Spielplan aufbauen, so viel ist klar.

Der Schlüssel zum Erfolg kann also nur sein, den Paulianern im Mittelfeld den Schneid zu klauen, also immer und immer wieder dort draufzugehen, die Zweikämpfe zu suchen und auch mal auf Höhe der Mittellinie die Pille nach einem solchen Fight ins Aus zu befördern. Rein spielerisch wird man dem FCSP nicht beikommen. Kampf ist gefragt, also das, was Trainer Thioune auf die ihm eigene Art immer „Intensität“ nennt. Denkpausen, Schlampigkeit und gedrosseltes Tempo können sich unsere Jungs nicht leisten. Der zweite Schlüssel liegt darin, deren Schienenspieler auszuschalten – also so ähnlich wie sie im Spiel gegen Kiel den Skrzybski ausgeschaltet haben.

Das System und die Aufstellung

Auswirkungen auf die Aufstellung haben die skizzierten Spielplanpartikel eher nicht. So wie die Dinge liegen, ist die Viererkette mit Zimbo Zimmermann und Nicolas Gavory auf den Flügeln sowie Käpt’n Hoffmann und Chris Klarer gesetzt. Im Mittefeld wird’s interessant, denn der feine Sieg gegen Kiel brachte da die meisten Überraschungen und letztlich auch Erkenntnisse. Tim Oberdorf hat als Sobottka-Ersatz bestens funktioniert. Shinta Appelkamp hat einen klasse Spielmacher gegeben, und Elo Fernandes-Neto, dieser wahnsinnige 17-Jährige hat seine Rolle als Achter super interpretiert.

Der Ergebene plädiert dafür, auch dieses Mal nur mit einer Spitze, flankiert von zwei echten Außenstürmern, anzutreten. Zwei davon sind gesetzt: Dawid Kownacki und Emma Iyoha. Dritter Mann könnte Felix Klaus sein, na klar, aber auch Kris Peterson ist in der Lage auf dem rechten Flügel zu stürmen. Was aber machen wir dann mit Micky Karbownik? Der fühlt sich ja auch im Mittelfeld am wohlsten.

Die Lösung des Ergebenen: Geplanter Systemwechsel mit geplanten Einwechslungen zu gegebener Zeit. Das Team könnte also so starten:

So könnte das 4-3-3 in Pauli aussehen

Die zweite Konstellation sähe dann so aus:

So könnte ein anderes 4-3-3 in Pauli aussehen

Um die Verwirrung komplett zu machen: Natürlich lässt sich aus den fitten Spielern auch ein 4-4-2 basteln. Nur auf irgendwelche Experimente mit einer Dreierkette sollten die Coaches bitte verzichten.

Der Tipp

Kopf, Herz und Bauch liegen angesichts dieser Partie im Streit. Der Kopf sagt: Das gibt nix, die Fortuna fährt als Verliererin nach Hause. Der Bauch hält dagegen und prophezeit ein torreiches Spiel, bei dem die Rotweißen am Ende die Nase vorn haben – 2:3 oder höher sogar. Und das Herz wünscht sich ja so sehr den Relegationsplatz und tippt daher ein 2:1 für die Fortuna.


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Ein Gedanke zu „Vorbericht: St. Pauli vs F95 – Letzte Ausfahrt Millerntor

  • 2:3 ist mein Tipp und ich kann leider nicht wegen der langwierigen Lungenentzündung fahren😢

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