Spielberichte

Bielefeld vs F95 2:2 – Von Polyvalenz, Chancenwucher und Spitznamen

In einem eisigen Testspiel in Bielefeld kommt die glorreiche Fortuna über ein leistungsgerechtes Remis gegen die Arminia nicht hinaus.

Bericht · Die wichtigste Frage des Nachmittags: Wie schreibt man eigentlich den Spitznamen von Neustürmer Christoph Daferner? Daffi, Daffy, Duffy oder gar Duffi? Wo es doch für den Ergebenen und Lore und Olaf Normalfan wichtig ist, die Nicknames der Jungs zu kennen. Besonders von denen, die Tore vorbereiten und schießen. Da war es sehr hilfreich, dass die Fernsehleute in der ersten Halbzeit ihr Atmo-Mikro direkt über oder neben Chefcoach Daniel Thioune aufgestellt oder gehängt hatten. Denn den hörte man bei der Live-Übertragung fast pausenlos mit seinen Spielern sprechen. Und natürlich benutzte er dabei die Spitznamen. Das war ebenso lehrreich wie der Inhalt der Anweisungen. Wie Testspiele ja überhaupt auch dafür da sind, dass die Anhänger:innen der wunderhübschen Fortuna was lernen. [Lesezeit ca. 6 min]

Die Startelf, mit der unsere Trainer gegen den abstiegsgefährdeten Drittligisten aus Ostwestfalen antrat, sah halbwegs realistisch aus. Nur die Tatsache, dass Yannik (Yanni?) Engelhardt und Felix Klaus (kein Spitzname?) grippal bedingt fehlten. Auch Nico Gavory war wegen der Auskurierung seines Pipses nicht dabei. Zimbo Zimmermann und Cello Sobottka auch immer noch nicht. Dafür konnte Käpt’n Hoffi schon wieder über 70 Minuten aufs Parkett legen. Jordy (ohne Spitznamen, aber dessen Vorname hört sich ja sowieso so an…) de Wijs machte den innenverteidigenden Nebenmann und war die Kompromisslosigkeit in Person.

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Was aber auf den Außenpositionen? Links setzte Thioune auf Klaus Sima (…sein Spitzname?) Suso, Emma Iyoha trat dieses Mal rechts an. Womit wir bei einem der beherrschenden Thema der diesjährigen Fortuna sind: Polyvalenz. Laut Wiktionary bezeichnet dieses obercoole Wort die „Eigenschaft [von etwas], auf vielfältige Weise genutzt oder gedeutet werden zu können“. Ins Fußballdeutsch übersetzt nimmt man diesen Begriff für Spieler her, die auf ähnlichem Niveau auf unterschiedlichen Positionen antreten zu können. Und, nein, Emma mal links hinten, mal links vorne oder eben rechts hinten einsetzen zu können, ist kein Nachteil oder bloß Folge des (gähn!) „schmalen Kaders“, sondern eine begrüßenswerte Sache.

Das war die Startelf

Und hochmodern! Denn ein Kicker, der nur Sechser kann, ist für jeden Gegner leicht ausrechenbar. Debatten (wie rund um die DFB-Auswahl), ob dieser oder jener FCB-Millionär auf dieser oder jener Position besser ist, sind in dieser Hinsicht altmodisch. Außerdem können Trainer das überhaupt nur herausfinden, indem sie einen Spieler auf verschiedenen Positionen antreten lassen. Und für dieses Ausprobieren sind eben auch Testspiele da. Quod erat demonstrandum.

In der U19 spielt Sima in der Regel im zentralen Mittelfeld, eher offensiv. Und gestern nun fand sich der Einsneunzigschlaks auf der Position eines linken Außenverteidigers wieder. Okay, dass er ein Linksfuß ist, prädestiniert ihn für diese Aufgabe, und sein Offensivgen macht ihn zu einem absolut zeitgemäßen Schienenspieler. Der Junge ist übrigens erst 18 Jahre alt – achtzehn! Er ist in Bergisch Gladbach geboren, hat das Kicken bei Bayer und der falschen Fortuna gelernt, um mit 16 zu Dynamo Dresden zu wechseln. Im Januar hat ihn das Heimweh zurück ins Rheinland gezogen, wo er sich für die U17 der richtigen Fortuna entschied – ein Beleg für seinen außerordentlichen Fußballverstand. Klaus Sima Suso ist also ein polyvalentes Talent, wie es im Buche steht. Und machte seine Sache bis zur Auswechslung in der Pause einwandfrei.

Bielefeld vs F95: Munteres Spielchen in eisiger Kälte (Screenshot F95.tv)
Bielefeld vs F95: Munteres Spielchen in eisiger Kälte (Screenshot F95.tv)

Unerwartet polyvalent zeigt sich auch Jona (reicht als Spitzname) Niemiec immer wieder. Weil er beidfüßig ist, kann er eben nicht nur immer links mehr oder weniger außen agieren, sondern natürlich zentral oder auch auf der linken Außenbahn. Übrigens: Jona hat auch einen polnischen Pass, könnte also prinzipiell für Polen international antreten, und sein Nachname, der auf Deutsch „Deutscher“ bedeutet, spricht sich Njemetz aus (Zwinkersmilie).

Und wenn man die drei Testspiele der Winterpause Revue passieren lässt, wird man feststellen, dass ein Zweck wohl war, die Polyvalenz einiger Kicker zu testen. Zum Beispiel auch von Ao (braucht keinen Spitznamen) Tanaka, dessen Mehrwertigkeit sich auf den ersten Blick aufs Mittelfeld beschränkt, und zwar eher auf die Posten als Achter oder offensiver Sechser. In Abwesenheit von Yanni E. aber gab er gestern den waschechten Defensiv-Sechser. In der Spielphilosophie von Daniel Thioune und seinen Co-Jungs soll dieser zentrale Sechser ja auch die Rolle eines „Libero“ übernehmen – eine Funktion, die einst Friedhelm Funkel für Bodze erfunden hat. Und das geht so: Bei Ballbesitz gehen beide Außenverteidiger weit vor, etwa auf Höhe des Achters, sodass im offensiven Mittelfeld eine Viererkette entsteht. Dafür lässt sich der defensive Sechser (gestern Ao, sonst Yanni oder Cello) auf Höhe der beiden Innenverteidiger fallen oder sogar einen Tick tiefer. Aus dieser Aufstellung wird dann aufgebaut, wobei dieser Aufbau eben oft schon bei Flo Kastenmeier beginnt.

Bielefeld vs F95: Eine der vielen vergeigten Chancen (Screenshot F95.tv)
Bielefeld vs F95: Eine der vielen vergeigten Chancen (Screenshot F95.tv)

Unser Keeper Numero Uno hatte gestern im frierenden Nebenplatz des Arminia-Trainingsgeländes viel mehr zu tun, als ihm lieb sein konnte. Und weil die Abwehr insgesamt nicht immer solide war, kassierte er kurz vor dem Pausenpfiff das erste Tor. Ausgerechnet durch Fabian Klos, den Arminen schlechthin, den Käpt’n, den Maskenmann, der, würde man ihn anschneiden, vermutlich schwarzweißblau bluten würde. Der haute die Pille gnadenlos ins Geflecht. Und das, nachdem die Fortunen über 45 Minuten das betrieben, was Spochtrepochter gern „Chancenwucher“ nennen. Hauptakteure bei diesem Prinzip: Vince Vermeij und Chris Tzolis (den Thioune immer „Christos“ ruft und auf Englisch anspricht).

Wo aber bleibt das Positive (Erich Kästner)? Über weite Strecke ließen die Flingeraner den Ball wunderbar durch die eigenen Reihen laufen, zelebrierten Doppelpässchen, zauberten Steckpässe und legten den einen oder anderen weiten Diagonalpass hin. Dabei taten sich ganz besonders Shinti (ja, wirklich!) Appelkamp und Ísak (noch ohne Spitzname) Jóhannesson hervor, beide ernsthafte Spielmacher, wobei Herrn Appelkamp keine erfolgreichen Distanzschüsse gelangen und der Isländer aus irgendeinem Grunden den Torschuss vermeidet, selbst wenn er die Gelegenheit dazu hätte. Was wir nicht sahen, waren Anmutungen vom Spiel mit einer Doppelspitze. Denn im Prinzip wäre das situativ möglich, wenn sich entweder Chris Tzolis oder Jona Niemiec zentral neben oder ein bisschen hinter Vince Vermeij einsortieren würden.

Bielefeld vs F95: Chris Tzolis kriegt ihn nicht rein (Screenshot F95.tv)
Bielefeld vs F95: Chris Tzolis kriegt ihn nicht rein (Screenshot F95.tv)

Größere Wechselarien blieben zur zweiten Halbzeit aus. Für Sima Suso brachten die Coaches den Hochgeschwindigkeitskicker Dennis (kein Spitzname) Jastrzembski, bei dem Ergebene immer nicht weiß, an welcher Stelle im Namen er das Z eintippen muss – auch dies ein Versuch herauszufinden, ob die Rennmaus polvalent genug für einen Schienenspieler ist. Ja, ist er im Prinzip. Nur sollte er Dribblings durch Speed vermeiden, denn im Eins-zu-eins verliert er doch recht oft das Ei. Dann kam auch Tim (reicht als Spitzname) Oberdorf, der nach seinem blöden Drüsenfieber immer noch nicht ganz auf der Höhe ist und Spielzeit braucht. Also rückte Emma Iyoha vor auf die Stelle, die Jona Niemiec freimachte.

Das änderte wenig, außer dass unser Isländer – übrigens auch erst zwanzig Lenze alt – noch einen Ticken weiter vorn agierte. Und – ta-taa! in der 53. den Ausgleich markierte. Bisschen überrascht, die Kugel zu kriegen, schob er das Ding in Richtung Kasten, wo es dann auch landete. Geht doch! Übrigens hatte Daniel „Danny“ Thioune in der ersten Halbzeit ein extrem aggressives Pressing spielen lassen, das den Arminia-Tormann ein ums andere Mal so sehr in Verdrückung brachte, dass der sich einmal beinahe ein Eigentor ins Nest gelegt hätte. Sicher ein Mittel, das gegen nicht ganz so souveräne Keeper empfehlenswert ist.

Irgendwann brachten die Trainer dann Daffi/Daffy/Duffy Daferner anstelle von Vince Vermeij, der ein bisschen glücklos arbeitete. An der Grundkonstellation änderte das nichts. Auch nicht, dass King Manu, der in der Zwoten regelmäßig Innenverteidiger spielt, für Käpt’n Hoffi kam und an der Seite von Jordy de Wijs eine respektable Leistung bot. Das ist ja nach der wirklich ärgerlichen Verletzung vom armen Jamil Siebert im Testspiel gegen Dordrecht auch sehr wichtig, dass Alternativen für die IV ausprobiert werden.

Ein anderer Youngster brachte es so gar nicht: der 26-jährige Schiri, der viel übersah und dem mehrere Verstöße gegen die Regeln unterliefen, was Trainer Thioune in der ersten Halbzeit zu intensiven Regeldebatten mit dem Assistenten auf seiner Seite animierte. Das war lustig zu hören. Zum Glück führte die schlimme Leistung des Unparteiischen nicht zur härteren Gangart, sodass sich niemand verletzte. Nur Emma bekam ein paar Mal ordentlich was ab durch die Bielefelder Nr. 14. Ob er deshalb durch Taka (Spitzname!) Uchino ersetzt wurde, war unklar. Dem ist das Talent jederzeit anzumerken, dem fehlt aber noch ein bisschen Selbstbewusstsein, der braucht eben immer wieder Spielzeit. Und auch Taka wurde auf seine Polyvalenz hin getestet, denn er gab nun den rechten Schienenspieler vor Tim Oberdorf und machte seine Sache ganz gut.

Als Daffi/Daffy/Duffy in der 83. Minute das 2:1 für unsere Farben markierte, sah es nach einem Auswärtssieg aus. Aber kurz vor knapp glichen die Arminen, die überhaupt nicht auftraten wie eine Mannschaft, die in die Regionalliga absteigen könnte, doch noch aus. Angesichts deren sehr ordentlichen Auftritts in Hälfte Zwo geht das Ergebnis voll okay. Christoph (Ach, sucht euch doch selbst eine Schreibweise aus!) Daferner machte also beim zweiten Einsatz die zweite Bude – wenn das so weitergeht… Trotzdem bleibt er erstmal Mittelstürmer 2 hinter Vince Vermeij, es sei denn, unsere Coaches entschließen sich doch mal für eine Doppelspitze.

Und was lernen wir daraus? Erstens: Polyvalenz ist ein gutes Antidot gegen schmale Kader. Zweitens: Der Nachwuchs ist das dickste Pfund der Fortuna. Drittens: Nicht alle F95-Spieler haben einen Spitznamen. Da hat sich der Nachmittag doch gelohnt.

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4 Gedanken zu „Bielefeld vs F95 2:2 – Von Polyvalenz, Chancenwucher und Spitznamen

  • mir macht nur Sorgen, das, bedingt durch Jamils Verletzung, unsere IV nicht schnell genug ist, denn weder Hoffi noch Jordy gehören nicht gerade zu den schnellsten.

    Antwort
  • Es wird schwer für uns, Jamil ist nicht durch Hoffi zu ersetzen sein, im fehlt die Spielpraxis, AH ist einfach zu langsam und ein Rückpass-König (kein Zweitliga taugliches Aufbauspiel), auf der LV und RV fehlen uns Alternativen. Ich würde Manu als IV und Suso reinschmeißen.

    Antwort
  • Fehler gefunden!
    1. Spochterpochter (Zeile 5 nach dem ersten Foto einer vergebenen Chance)
    2. unsere Isländer (2.Absatz nach dem zweiten Foto einer vergebenen Chance)
    3. der braucht neben immer wieder Spielzeit (Im Abschnitt über Taka)

    Beste Grüße!

    Antwort

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