Elversberg vs F95 0:5 – Was für ein geniales Mittelfeldtrio!
Die glorreiche Fortuna schlägt den Aufsteiger Elversberg in deren erstem Zweitliga-Heimspiel an der Kaiserlinde souverän und verdient mit 5:0.
Bericht · Für den handelsüblichen Fortuna-Grantler muss das gestern in Elversberg ein frustrierender Nachmittag gewesen sein. Denn es gab nichts, aber auch gar nichts zu meckern. Der Ergebene durfte sich besonders freuen, weil Cheftrainer Thioune endlich mal auf ihn gehört und die Neuen rangelassen hat. Er selbst bezeichnete sein Verhalten in Sachen „Young Guns“ als seriös. Also, dass er die Neuen nicht so schnell einsetzt wie sich weite Teile des Fanvolks das wünschen. Man könnte es aber auch ein bisschen mutlos nennen. [Lesezeit ca. 7 min]
Zumindest in einem Fall blieb im wenig anderes übrig. Der Ausfall von Cello Sobottka musste ja irgendwie kompensiert werden. Alle Variante außer der gewählten hätten größere Umstellungen im System erfordert, also fiel seine Wahl für den defensiven Sechser beinahe zwangsläufig auf Yannik Engelhardt. Dass Vince Vermeij für Daniel Ginczek in die Startelf rotierte, hatte vielleicht sogar etwas damit zu tun, weil Yannik und Vince ja bei Freiburg II Kollegen waren. Und der dritte Neue, Ìsak Jóhannesson, kam auch nicht nur wegen seiner tollen Fähigkeiten rein, sondern weil Ao Tanaka aller Wahrscheinlichkeit nach nun doch verkauft ist, also nicht mehr vortanzen muss.
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Euer schwer Ergebener hätte den Isländer aber auch so gebracht, weil er ihn für eines der größten Talente hält, auf das unsere Fortuna seit Langem Zugriff hatte. Und so entstand quasi ungeplant ein wahrhaft geniales Mittelfeldtrio, in dem die Neulinge aufs Allerbeste mit Shinta Appelkamp harmonierten. Zusammengerechnet sind die drei Burschen gerade einmal 65 Jahre alt! Was ist/wäre da noch möglich, wenn die längerfristig beieinander bleiben/blieben? Offensichtlich ist es genau das, was Shinta braucht, um sein Potenzial zu entfalten – so wie gestern gegen den Aufsteiger aus dem Saarland.
Sympathisch muss einem die SVE vor allem wegen Trainer Horst Steffen sein, einem Typ, der weiß, was er tut, der sagt, was er meint, und der mit Gegnern immer fair umgeht. Da können sich manche Pöbler, die für dieses oder jenes Zweitliga-Team die Verantwortung tragen, viele Scheiben von abschneiden. Auch unser Chefcoach kann noch von Steffen lernen, nämlich wie man in einer Pressekonferenz dem üblichen Bullshit-Bingo des Fußballjargons aus dem Weg geht. Aber egal…
Es gab über die volle Spielzeit von 99 Minuten gesehen nur einen Moment, in der die Partie hätte kippen können. Und das war in der 4. Minute. Hätte Appelkamp die Kugel nicht beherzt weggehauen, hätte es früh 1:0 für die Gastgeber stehen können. Appelkamp! Im eigenen Sechzehner! Diese Aktion stand aber auch für das, was die Fortuna an diesem Nachmittag leistete: Alle hellwach, alle laufbereit, alle kampfstark.
Chris Tzolis beim Anpfiff für Emma Iyoha zu bringen, wäre wohl ein bisschen zu unseriös für Thioune gewesen. Außerdem hätte es Emma wie eine Bestrafung vorkommen können, nach seinen eher suboptimalen Auftritten passen zu müssen. Und er hat die Chance genutzt. Nicht dass er auf seiner maximalen Flughöhe schwebte, aber immerhin deutlich verbessert. Und bei Licht besehen, war seine Schwäche auch die Schwäche von Nico Gavory, der aber gestern ein richtig gutes Spiel machte.
Ja, es lief wieder viel über die Flügel, und F95 steht auch in dieser Saison bisher an der Spitze der Tabelle „Meiste Flanken“, aber unser geniales Mittelfeldtrio hat einfach mehr im Köcher, als die Pille immer nur nach außen zu schicken. Wobei das 1:0 durch Felix Klaus schon der erste Beweis dafür war, dass es auch ohne Flanke geht. Engelhardt passt auf Appelkamp, der geht und guckt und sieht Felix Richtung Sechzehner rennen, schiebt ihm das Ei maßgenau in die Füße, sodass der nur noch sauber vollstrecken muss.
Aber das wurde beileibe nicht zum Standardrezept: Alle FÜNF Buden entstanden auf unterschiedliche Weise – das hatten wir bei der Fortuna auch schon lange nicht mehr. Denn das 2:0 passierte nach einer Ecke von rechts; getreten natürlich von … Appelkamp. Viel perfekter kann man Ecken nicht in den Strafraum bringen. Und gegen den im richtigen Augenblick anlaufenden und mit maximaler Wucht hochsteigende Jordy de Wijs war kein Elversberger Kraut gewachsen. Dass genau hier eine der größten Schwächen der SVE liegt, hatten die Videoanalysen ergeben: Keiner der Verteidiger ist über 1,90, keiner von denen hat annähernd einen Körperbau wie de Wijs, aber auch Vince Vermeij.
So stand es nach einer Viertelstunde schon 2:0 für unsere Farben, und alterfahrene F95-Anhänger wiegten schon die Köpfe: „Ob das mal gutgeht?“ Und der ordentlich kommentierende Sky-Mensch brachte passend die Schote von der 4:3-Niederlage nach 3:0-Führung beim Aufsteiger Regensburg seinerzeit ins Spiel. Realistisch betrachtet hatten die Rotweißen in Blau aber alles im Griff. Zwei Faktoren machten das möglich: a) eine fehler- und humorlose Viererkette und b) eine sensationelle Balleroberungsquote. Besonders die Art und Weise wie Ìsak die Bälle klaut, beeindruckte.
Finde den Fehler: Menschen machen Fehler. Schreiber:innen sind Menschen, machen also Fehler. Und Schreiber ohne großes Team hinter sich – wie der Ergebene – machen natürlich auch Fehler. Deshalb unsere Bitte an alle: Wer einen Fehler im Text entdeckt, meldet ihn uns auf einem der bekannten Wege – z.B. per Mail an kontakt@fortuna-punkte.de oder über das Kontaktformular. Wir versprechen, falls wirklich etwas Falsches im Beitrag stand, bedanken wir uns nicht nur, sondern korrigieren es umgehend. Schönen Dank im Voraus!
Und dann passierte in der 42. Minute das schönste Tor des Tages, der perfekte Treffer nach schnellstmöglichem Umschalten. Drei Stationen bis zur Hütte! Aus der Viererkette kommt der Pass auf Ìsak, der den Ball fast berührungslos mit seinem linken Fuß weiterschiebt auf Vince, der geht, der die Kugel behauptet, der seinen Verfolger abschüttelt und den Keeper ausguckt – 3:0!
Man muss einräumen, dass genau dieser Verteidiger, den Vince da abkocht, als Vertreter eines Stammspielers durchgehend überfordert war … und auch so aus der Wäsche guckte. Der konnte einem zwischenzeitlich leidtun. Außerdem war er der Kicker, der Gavory und Iyoha gut aussehen ließ.
Von diesem Ìsak Bergmann Jóhannesson kann der Ergebene gar nicht genug schwärmen. Wenn finanziell irgendwie darstellbar, sollten Allofs und Weber die Kaufoption ziehen, bevor ein internationaler Erstligaclub sich bei Leihgeber FC Kopenhagen meldet. Geboren ist er in England, weil sein Vater, Joey Gudjónsson, damals bei den Wolverhampton Wanderers kickte. Ausgebildet hat ihn dann über weite Strecken dieser Vater in Norwegen. Und weil schon dessen Vater und diverse Onkeln und Cousins gekickt haben, stammt der gute Ìsak aus einer echten Fußballerfamilie.
Ob es in der männlichen Verwandtschaft von Christos Tzolis auch schon nennenswerte Kicker gibt oder gab, ist nicht überliefert; zumindest findet sich in den einschlägigen Verzeichnissen niemand mit diesem Nachnamen. Als der Fisch schon fast geschuppt war und die Fortunen dabei waren, das Ding nach Hause zu schaukeln, kam Chris in der 68. für Felix Klaus, der sein Tagewerk erfolgreich verrichtet hatte. Und der lustige Grieche erwies sich als Schlitzohr. Nicht dass der Strafstoß, den er kaum 40 Sekunden nach seiner Auswechslung zog, unberechtigt gewesen sei. Aber als Stürmer muss man solche Situationen erkennen und den Gegenspieler zum Foul verleiten.
Und dann schnappt er sich mit einem frechen Grinsen das Ei und legt es auf dem Strafstoßpunkt ab: Jawoll, den schieß ich selbst! Shinta spricht ihn noch kurz an, ob er sich sicher sei, aber ein Chris kennt keine Zweifel. Der SVE-Keeper fliegt in die richtige Ecke, aber Tzolis‘ Schuss ist scharf und platziert. So kam es in der 71. Minute zum 4:0 und der vierten Version einer Budenentstehung. Damit hatte der junge Grieche aber noch nicht Schluss.
Wobei sich die Meriten für das 5:0 gleich drei Fortunen teilen. 1. Flo Kastenmeier mit einem weiten, äußerst präzisen Pass nach halblinks auf den flitzenden Jastrzembski (von dem gleich noch die Rede sein wird), der mit Mach 3 (Copyright für dieses Etikett by Daniel Thioune) vorwärts rast. Es sieht so aus, als habe er sich die Kugel zu weit vorgelegt, aber, nix da! – der Typ ist schnell genug. Und hat den Blick für den Nebenmann. Der heißt in diesem Fall Tzolis und hat null Mühe, die Ablage einzulochen. Wunderbar! Florian Kastenmeier entwickelt sich immer mehr zum Archetyp des mitspielenden Tormanns, der jederzeit das ganze Spielfeld im Blick behält wie früher der Libero. Und weil er die fußballerische Qualität hat, kann er Ideen auch in Pässe ummünzen.
Ob man sich um Käpt’n Hoffmann Sorgen machen muss, wird sich am Montag zeigen. Jedenfalls wurde er wegen Muskelzwickens in der 57. Minute vorsichtshalber ausgewechselt. Für ihn kam, ganz klar, Jamil Siebert, der seine Sache sehr ordentlich machte und weniger hampelte als bei seinen Einsätzen zuvor. Aus dem wird noch was! Da waren dann also schon vier Neue auf dem Platz. Am Ende wurden es dann sogar sechs Neuzugänge, denn die Coaches brachten nicht nur Tzolis, sondern auch den frisch verpflichteten Dennis Jastrzembski, bei dem bis Freitag noch nicht sicher war, ob er überhaupt rechtzeitig spielberechtigt war.
Nun ist der Ergebene wegen seiner Euphorie rund um diese Personalie stellenweise arg gescholten worden, weil der Dennis ja bisher nix gebracht hat. Aber es lohnt sich schon die Umstände genau zu untersuchen, warum der Mann nirgendwo den Durchbruch geschafft hat. Gestern hat er gezeigt, dass er im richtigen Team mit den richtigen Kollegen Gold wert sein kann.
Die Reise ins Saarland hat sich für die ungefähr 2.100 Anhänger:innen definitiv gelohnt. Und das befürchtete Organisationschaos blieb beim ersten Zweitligaspiel an der Kaiserlinde aus. Und dass, obwohl dieser Fußballplatz sich mitten im heftigsten Umbau befindet und die DFL-Auflagen nur mit dem Einsatz von Stahlrohrtribünen und Containern erfüllt werden konnten. Diese baulichen Umstände haben auch Vorteile: So hatten die F95-Fans eine eigene Tribüne ganz für sich und boten bei der Choreo einen herrlichen Anblick.
Wie’s weitergeht? Daniel Thioune zeigte sich auf der Pressekonferenz nach dem Spiel für seine Verhältnisse schon fast begeistert von seinen Jungs und konstatierte ihnen ein (fast) perfektes Spiel. Die Frage ist nur, inwieweit die Schwächen der Elversberger den Boden dafür bereitet haben. Euer fröhlich ergebener F95-Beobachter hat die SVE sooo schlecht nicht gesehen. Und, wer weiß, wie sich die Sache entwickelt hätte, wären die Hausherren früh in Führung gegangen.
Mit Sicherheit haben wir gestern eine der besten Mittelfeldtruppe, wenn nicht die beste, gesehen, die es in der Zweiten Liga aktuell gibt. Wobei sich Cello Sobottka wenig Sorgen machen muss, denn auch mit ihm wären Jóhannesson und Appelkamp überragend.
Sehr schön, dass Tim Oberdorf so schnell aus dieser Scheißkrankheit zurückgekommen ist, denn damit hat Thioune immer ein Backup für die Innenverteidigung. Fehlt eigentlich nur noch eine echte Alternative auf der linken AV-Position. Der Ergebene meint, einen Knipser brauchen wir bei dieser Spielweise nicht mehr unbedingt.
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