Euer Ergebener

1959 – 2023: Meine 64 Jahre mit der Fortuna (Folge 3)

Wie im zweiten Teil erwähnt: Das Mythos-Spiel am Vatertag 2003 war der Wendepunkt. Auf einmal war Fortuna wieder wer, und der Aufstieg 2004 in die drittklassige Oberliga stand vor der Tür.

Lesestück · Der unvergessene Charly Meyer regierte mit für Fortuna untypischer Gelassenheit, und plötzlich mischte Oberbürgermeister Joachim Erwin mit. Der hatte sich im Frühjahr 2003 zum Aufsichtsratsvorsitzenden wählen lassen und versprach, die gute, alte Fortuna wieder in die erste Liga zu führen. Nicht, weil er so ein glühender F95-Fan gewesen wäre (was er nie war), sondern weil er da ein Projekt hatte, dass dabei war zum Desaster zu werden und dass er retten musste, um seine Haut zu retten: Die Multifunktionsarena an der Stelle, an der über viele, viele Jahre das Rheinstadion stand. [Lesezeit ca. 5 min]

Die Multifunktionsarena vor dem Softopening 2004 (Foto: FP)
Die Multifunktionsarena vor dem Softopening 2004 (Foto: FP)

Die ganze Geschichte rund um die aktuelle Heimstätte des Vereins habe ich mehrfach dokumentiert – zum Beispiel in diesem Artikel. Es ist eine Geschichte voller Lügen und Intrigen, die es wert wäre, zu einer Fernsehserie gemacht zu werden. Jedenfalls MUSSTE die Fortuna Hauptmieter der Arena werden, sonst wäre das gesamte Konstrukt zusammengebrochen. Also präsentierte Erwin kurz nach seiner Machtübernahme einen Weltmeister als Manager. Unbeleckt von jeglicher Erfahrung im Management eines Fußballvereins wurde Thomas Berthold zur Witzfigur. Ihm oblag vor allem das Scouting und die Kaderplanung. Für nicht wenig Geld holte er Kicker wie den Argentinier Walter Otta – dem Vernehmen nach auf Basis eines einzigen Videos.

Na, schon gespannt auf die Geschichte? Nach einer kurzen Werbeunterbrechung geht’s weiter. Denn die Fortuna-Punkte verstecken sich nicht hinter einer Paywall. Alles, was du hier findest, ist gratis, also frei wie Freibier. Wenn dir aber gefällt, was du liest, dann kannst du uns finanziell unterstützen – zum Beispiel mit dem Kauf von Lesepunkten. Wir würden uns sehr freuen.

Oder einen gewissen Anthony Roche, von dem man vor und nach Fortuna niemals etwas gehört hatte oder hörte. Schon mal was von Djebrane Abda gehört? Oder Janusz Dwizior? Klangvolle Namen waren darunter: Victor Hugo Lorenzón zum Beispiel. Und Berthold gab richtig viel Geld aus, dessen Zuteilung von Herrn Erwin persönlich und an allen Aufsichtsräten und Vorständen vorbei verteilt wurde. Städtische Töchter wurden vom OB gezwungen, die Fortuna zu sponsern – mit Beträgen, die sonst in der zweiten Liga gezahlt wurden. Als Trainer kam Massimo Morales, dessen Qualifikation in mehreren Stationen als Assistenztrainer und Coach dritt- und viertklassiger Vereine bestand. Und seiner Fähigkeit, fließend Deutsch sprechen zu können.

Seltene Sache: Mit einem RWE-Fan (Foto: privat)
Seltene Sache: Mit einem RWE-Fan (Foto: privat)

Realsatirisch wurde es dann 2005, als Erwin einen gewissen Reiner Calmund in den Aufsichtsrat wählen ließ, der – so Leute, die damals im AR waren – nur an einer einzigen Aufsichtsratssitzung teilgenommen und bei kaum drei oder vier Partien der Fortuna im Stadion war. Apropos: Am 10. September 2004 machte sich OB Erwin selbst ein Geburtstagsgeschenk (nachträglich zum 2. September). Er zwang die damalige Betreibergesellschaft, ein sogenanntes „Soft Opening“ seiner Arena durchführen zu lassen, ein Spiel der Regionalliga gegen Union Berlin, das F95 vor mehr als 38.000 Zuschauer mit 2:0 gewann. Allerdings war der Bau noch nicht annähernd fertig, weite Bereiche waren gesperrt, und über Sicherheitsbedenken städtischer Behörden setzte sich Erwin als deren Chef einfach hinweg.

Immerhin war die Fortuna mit Trainer Morales und Helden wie Frank Mayer und Pico Niestroj sowie Lumpi Lambertz und Axel Bellinghausen aus der viertklassigen Oberliga in die Regionalliga Nord aufgestiegen, allerdings nur als Tabellenzweiter, weil die SSVg Velbert am vorletzten Spieltag mit einem 4:0-Kantersieg gegen Ratingen 04/19 und einem weiteren 4:0 am letzten Spieltag gegen Union Solingen durch die bessere Tordifferenz an F95 vorbeigezogen war. Zuvor hatte die Fortuna ab dem 9. Spieltag durchgehend die Tabellenspitze behauptet. Weil die Velberter aber keine Lizenz für die Regionalliga beantragt hatten, stieg eben die glorreiche Fortuna auf. Von den 17 Heimspielen im Paul-Janes-Stadion habe ich immerhin zehn oder elf live miterlebt.

Damals gab es am Eingang zur Haupttribüne ein VIP-Zelt, in dem Sponsoren aller Art sowie den üblichen Promis und einigen Schmarotzern, die sich gern einschlichen, Speisen und Getränke gereicht, vor allem Getränke. Und Oberbürgermeister Joachim Erwin hielt hier Hof, nicht ohne ihm nicht genehme Menschen öffentlich zu schurigeln. Genau in dieser Zeit bildete sich eine vereinsinterne Opposition, die es nicht weiter mit ansehen wollten, dass der „Größte Fortuna-Retter aller Zeiten“ (Gröfaz) – so nannten ihn die Oppositionellen – den geliebten Verein nach Gutsherrenart führte. Die Parole lautete: „Wir sind der Verein!“

Platzsturm zum Aufstieg 2004 (Screenshot WDR)
Platzsturm zum Aufstieg 2004 (Screenshot WDR)

Nun kannte ich Joachim Erwin schon ziemlich lange. 1979/80 war ich als Zivildienstleistender beim ASG Bildungsforum. Der damals noch junge Erwin fungierte als Berater seiner Parteifreundin Maria Hölters, ihres Zeichen Mitglied des Landtags und Gründerin der ASG. Weil ihr Sohn, der nominelle Geschäftsführer, wegen seiner Alkoholerkrankung nur selten in der Lage war, die Geschäfte zu führen, übernahm Erwin. Und führte nach Gutsherrenart, was zu mehreren Zusammenstößen mit uns Zivis führte. 1988 beerbte er Frau Hölters als Landtagsabgeordneter, überlebte dort nur eine Legislaturperiode und kehrten in den Rat der Stadt zurück. Als Ende der Neunziger ein Machtvakuum in der lokalen CDU herrschte, ergriff er die Gelegenheit beim Schopf und wurde zum Kandidaten für die erste OB-Direktwahl 1999, die er überraschend gegen Amtsinhaberin Marlies Smeets (SPD) gewann.

Sein Hobby war das Bauen. Er hatte seinen Machiavelli studiert und schmiedete wieder und wieder Koalitionen – gern mit der örtlichen Bauindustrie, mit der verwandtschaftlich verbunden war – zum Zwecke der Erstellung möglichst auffälliger Bauwerke. Liebstes Kind war die Arena. Die war zwar ein Kopfkind der Sozialdemokraten, aber das Projekt übernahm er gern. Und die Fortuna in diesem Sinne gleich mit. Seine Ära als Fortuna-Bestimmer endete mit seinem viel zu frühen Tod im Mai 2008.

Und spochtlich? Zwischen 2004 und 2009 dümpelte mein Herzensverein also in der Regionalliga herum. Es ging gegen Braunschweig, Wolfsburg II, Preußen Münster, Uerdingen, Kiel, Osnabrück und auch gegen den FC St. Pauli. Mal war F95 vom Abstieg bedroht, mal reichte es zum 5. Platz, aber nie kratzte man wirklich am Aufstieg. Dafür aber schloss sich die Fortuna-Familie immer enger zusammen, und die Fanszene organisierte sich zunehmend. 2003 hatte sich der Supporters Club Düsseldorf (SCD) als Dachverband der (noch) existierenden Fanclubs und nichtorganisierter Fans gegründet. Bereits im Jahr 2000 war mit UD eine Düsseldorfer Ultra-Gruppierung entstanden, die in den Jahren der Regionalliga immer stärker bei Heim- und Auswärtsspielen für Stimmung sorgte. Dem ersten Vorsänger Micky folgte 2003 Niko als Kapo, der dieses Amt zehn Jahre lang prägte.

Und doch war die Situation beschissen, denn über allem hing das Damoklesschwert des Kinowelt-Deals in Form von Verbindlichkeiten, die der Verein wie geplant einfach nicht bedienen konnte. Sich mit Sportwelt-Boss Michael Kölmel irgendwie zu einigen, war Hauptthema der diversen Sitzungen von Vorstand, Aufsichtsrat und diverser Mitgliedergruppen. Immerhin konnte die städtischen Sponsoren gehalten werden, aber ohne die „Kleinsponsoren“, die sich im Club95 zusammengefunden hatten, hätte der Verein nicht überlebt. Für große, überregionale Unternehmen war die Fortuna als Werbeträger uninteressant, und potente Düsseldorfer Firmen konnten sich lange Zeit nicht durchringen, F95 auf die eine oder andere Art zu sponsern.

Zurück zum Mythos-Spiel. Die Idee dazu stammte von engagierten Düsseldorfer Spochtjournalisten, die das Ableben der Fortuna nicht mitansehen wollten. Darunter Bernd Jolitz (RP), Norbert Krings (WZ), Mathias Goergens und der viel zu früh verstorbene Heribert Schmidt. Denen fehlte nur die Zeit und das Knowhow, aber da gab es mit Boris Bartels von der Agentur Dreimarketing jemanden, dessen Herz für die Fortuna schlug, der das konnte und die passenden Kontakte hatte. Womit wir bei der Frage sind: Gibt es eine Fanfreundschaft mit dem FC St. Pauli? Antwort: Nein, aber es gibt zahlreiche persönliche Verbindungen und Freundschaften in diese Richtung. Und die reichten für eine weitere legendäre Aktion: Die Party in der sogenannten „Havanna-Lounge“ in der Arena am 8. April 2005 nach der Partie gegen Pauli.

DJ Opa und ich auf der Pauli-Party im April 2005 (Foto: privat)
DJ Opa und ich auf der Pauli-Party im April 2005 (Foto: privat)

Mehrere Dutzend Pauli-Fans waren nach Düsseldorf gekommen, F95 hatte mit 3:0 gewonnen, die Stimmung war prächtig, und das (gesponserte) Bier floss in Strömen. Und zwar in so breiten Strömen, dass die versammelte Gemeinde die Bar ratzekahl leertrank. Die Caterer wollten es nicht glauben und vermuteten einen Messfehler. Aber gegen 23 Uhr war tatsächlich kein Bier mehr da. Für die passende Musik sorgte DJ JayKay, man hatte Spaß, und später mischten sich auch noch Betreuerlegende Aleks Spengler und Knipser Frank Mayer unters Volk. Auch dass bereits Putzkolonnen die Lounge beackerten, konnten die Feierwütigen nicht vertreiben. Es war ein Erlebnis.

In der vierten Folge wird es um die Zeit vom Nichtaufstieg 2008 bis zum Abstieg 2013 gehen. Und hier gibt’s die erste und die zweite Folge meiner F95-Memoiren.

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