Hannover vs F95 2:2 – Dem Druck nicht standgehalten

Das aktuelle Team der glorreichen Fortuna kam nach einer 2:0-Halbzeitführung über ein Unentschieden gegen Hannover 96 nicht hinaus.

Bericht · Bis zur Halbzeitpause und noch eine Weile darüber hinaus herrschte unter den F95-Fans in der Retematäng das gute Gefühl vor, dass die Rotweißen den Auswärtssieg nachhause schaukeln würden – zu sicher und effizient waren sie aufgetreten, zu perfekt stand die Defensive und zu sehr hatten sie alles im Griff. Aber wir wissen ja inzwischen, dass der zur Fortuna passende römische Gott der doppelköpfige Janus ist und nicht die wunderhübsche Fortuna. Nur war es dies Mal nicht so, dass unsere Jungs in Hälfte 2 nur scheiße gespielt hätten – sie haben einfach nur dem Druck der 96er nicht standgehalten. [Lesezeit ca. 8 min]

Trainer Thioune war nach dem Schlusspfiff so erregt, dass er sich mit dem hervorragend gepfiffen habenden Schiri Robert Hartmann anlegte und sich eine gelbe Karte einfing. Es ist aber auch zum Mäusemelken! Da hat seine Truppe knapp 60 Minuten alles im Griff, dann wechselt der Hanoi-Coach zwei Kicker ein, stellt minimal um, sodass seine Schützlinge mehr Offensivdruck erzeugen, und – schon wird’s wieder eng für die F95-Balltreter.

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Da hätten auch Auswechslungen als Reaktion wohl wenig verändert. Wobei Thiounes Startaufstellung eine Überraschung bot: Duffy Daferner als einzige Spitze, nicht Vince Vermeij, nicht Marlon Mustapha. Die Leistung der Glubb-Leihgabe ist nicht einfach zu beurteilen; klar ist lediglich, dass er als Knipser gar nichts taugt. Was aber auch daran liegt, dass er gestern auch durchgehend einen sogenannten „falschen Neuner“ gegeben hat. Also eine hängende Spitze, die den Gegner im vorderen Drittel durcheinanderbringt und idealerweise auch mal die Außenstürmer einsetzt. Kann gut sein, dass genau das auf Duffys Aufgabenzettel stand. Ist ja auch dann eine sinnvolle Taktik, wenn eine Mannschaft eher zurückhaltend auftritt und auf Konter lauert.

Der Ergebene ist nach wie vor und nach dem Bisschen, was er von Marlon Mustapha erlebt hat, der Ansicht, dass der Mann vom italienischen Zweitligisten exakt diese Aufgabe besser erfüllen könnte. Vince Vermeij legt sein Spiel als Mittelstürmer anders an, und wenn der endlich mal wieder Buden macht, wird der auch wieder sehr wertvoll. Für Daferner sieht der Ergebene schwarz und kann sich nicht vorstellen, dass er über das Leihende im kommenden Juni hinaus noch das F95-Logo auf dem Hemd tragen wird.

Es war also wieder ein 4-3-3. Und wieder mit der Spielidee, dass die beiden Außenverteidiger mit den vor ihnen angeordneten Außenstürmern schienenmäßig kooperieren und dass diese die Freiheit haben, bei sich bietenden Gelegenheit nach innen zu ziehen – beide Tore für die glorreiche Fortuna durch Chris Tzolis, das griechische Schlitzohr, fielen in solchen Narrenfreiheitssituationen. Wobei das 1:0 schön war, aber das 2:0 genial herausgespielt. Dazu später mehr.

Eine Halbzeit lang tat der blutjunge Joshy Quarshie als Innenverteidiger tadellos seinen Dienst. Und in der zweiten Halbzeit war er mehr oder weniger indirekt an beiden Gegentreffern der Hausherren beteiligt. Verdammt, der 1,96-Bube ist 19! Der war noch nie irgendwo Stammspieler, der hat noch nie so viel Verantwortung getragen wie aktuell, der kann gar nicht anders als gelegentlich Fehler zu machen. Blöd nur, dass Fehler eines Innenverteidigers nicht selten zu Treffern führen. Hach, was sehnt sich der Ergebene nach Jamil Siebert!

Kommen wir aber zurück zum Wirken der IV in den ersten 45 Minuten. Das war einfach klasse, wobei Quarshie und Jordy de Wijs die gefährlichsten Hanoi-Angreifer, Nielsen und Tresoldi, beinahe in Manndeckung nahmen und sie so praktisch wirkungslos machten. Dass die Gastgeber nach der Einwechslung von Voglsammer und Oudenne so viel Druck aufbauen konnten, hatte auch damit zu tun, dass Joshy und Jordy nun zwei weitere gefährliche Jungs abzudecken hatten. Euer von Herzen ergebener Berichterstatter hatte so um die 65. Minute herum die Idee, auf Dreierkette umzustellen, also ein 3-5-2 aufzubauen, womit man den beiden neuen Mittelfeldkollegen vielleicht den Zahn hätte ziehen können.

Umgestellt wurde nicht. Und in der 73. Minute gab es zwei Wechsel, die nicht nur der Ergebene nicht verstanden hat. Weder Duffy Daferner noch Felix Klaus schienen angeschlagen oder ausgelaugt, wobei der Felix gestern nicht seinen besten Tag hatte und über sehr weite Strecken unsichtbar blieb. An seiner Stelle Jona Niemiec auf die Wiese zu holen, ergab auf den ersten Blick Sinn. Konnten die Coaches ja nicht ahnen, dass Jona einen noch schlechteren Tag in den Cornflakes gefunden hatte und die bisher schlechteste Leistung im F95-Dress bot.

Und wenn Thioune & Co. was in der Spitze ändern wollten, dann hätte unbedingt Marlon Mustapha reingemusst. Allein schon, weil der emotional sehr viel heller brennt als Vince und Duffy. Überhaupt: Alterfahrene Fußballjournalisten meinen gesehen zu haben, dass F95 irgendwann in den „Verwaltungsmodus“ umgeschaltet hätte. Das sieht der Ergebene überhaupt nicht so. Ihm kam es vor, als wäre irgendwann die Kerze verloschen, deren Feuer in den ersten 60 Minuten für Dampf unter dem Kessel gesorgt hatte. Sie waren alle nicht mehr so richtig gierig auf diesen eminent wichtigen Auswärtssieg.

Finde den Fehler: Menschen machen Fehler. Schreiber:innen sind Menschen, machen also Fehler. Und Schreiber ohne großes Team hinter sich – wie der Ergebene – machen natürlich auch Fehler. Deshalb unsere Bitte an alle: Wer einen Fehler im Text entdeckt, meldet ihn uns auf einem der bekannten Wege – z.B. per Mail an kontakt@fortuna-punkte.de oder über das Kontaktformular. Wir versprechen, falls wirklich etwas Falsches im Beitrag stand, bedanken wir uns nicht nur, sondern korrigieren es umgehend. Schönen Dank im Voraus!

Perfekt beobachten konnte man das an Ao Tanaka, der bis dahin erneut bester Fortune auf dem Platz war, der wieder zahllose Bälle eroberte, der wieder fast jeden Ball verteidigte, der alles sah, was auf dem Platz los war und so gut wie jedes Mal die richtige Lösung fand. Euer Ergebener kann es gar nicht oft genug schreiben: Allein schon, dass Ao sich nach einer Balleroberung nicht gleich nach hinten umdreht und zur IV zurückgibt, sondern sich sofort mit dem Gesicht Richtung gegnerisches Tor ausrichtet, hebt ihn über die meisten seiner Kollegen südlich der Offensivlinie ab. Wir werden ihn sehr vermissen.

Gestern war es aber so, dass Tanaka-san auf einmal unsichtbar wurde, kaum noch Ballkontakte hatte, dass also Yannik Engelhardt eher auf Ìsak Jóhannesson ablegte oder auf Nico Gavory am linken Flügel. Das kreative Mittelfeld wurde so halbiert. Und weil Zimbo Zimmermann wenig Offensivdrang zeigte, nahm die Zahl der offensiven Optionen stetig ab.

Kommen wir zu den Toren der Partie. Der Ergebene muss zugeben, dass ihm das Entstehen des 1:0 nicht mehr ganz präsent ist. Jedenfalls kam die Pille linksaußen zu Chris Tzolis, der nach innen zog und wieder (War es schon zum vierten Mal so?) von da aus auf den rechten oberen Torwinkel zielte. Dieses Mal ging das Ding mit gütiger Hilfe eines abfälschenden Hannoveraners rein. Dass es dazu kommen konnte, lag daran, dass sich die Fortuna über Engelhardt und Tanaka aus dem Pressing befreien konnten – ein Konter im engeren Sinn war das aber nicht.

Das war dann beim 2:0 der Fall. Da liefen wirklich alle Fortuna-Angreifer exakt richtig und in bestmöglicher Geschwindigkeit. Der Steckpass von Tanaka auf Tzolis war aus purem Zucker, und Chris schob eiskalt ins Netz hinter dem 96-Keeper Zieler. Da jubelte die Retematäng, und die Fans dort waren sich einig, dass die Defensive perfekt stand und den Hannoveranern einfach nichts einfiel. Und dass bei zeitweise 70 Prozent Ballbesitz.

Statt aber nach der zweiten Bude in der 18. Minute nachzusetzen, zogen sich due Rotweißen zurück; wohl in der Hoffnung, dass der Gegner ewig so weiterspielen könnte, ohne selbst einzulochen. Das ging dann ja auch bis zur 63. Minute gut. Vielleicht hatten die F95-Coaches und -Spieler nicht gemerkt, dass die 96er mit dem unbändigen Willen, zumindest auszugleichen, aus der Kabine gekommen waren. Vielleicht waren sie der Meinung, ihr solides Verteidigen würde reichen.

Da waren die Hausherren anderer Meinung. Natürlich haben die Spieler während der Partie den Tabellenstand nicht im Kopf. Vorher und hinterher dürfte ihnen klarwerden, was das Ergebnis für die tabellarische Zukunft bedeutet. Beide hätten mit einem Sieg dem HSV auf dem Relegationsplatz Angst machen können. Zumal Fürth ja beim KSC eine Klatsche bezogen hat. Daran denken sie nicht, die Künstler in den kurzen Hosen, wenn sie überhaupt denken, während der Ball rollt, dann dass sie gewinnen wollen. Und es scheint, dass am Ende die Truppe das Näschen vorn hat, dass es doller will, das Gewinnen.

Vermutlich hätte ein 3:0 den Hannoveranern den Mut genommen. Aber, mal ehrlich, ernsthafte Chancen auf einen dritten Treffer gab es kaum, und wenn eine Situation in die richtige Richtung ging, wurde sie versemmelt – Namen muss man da nicht nennen. Aber immer noch stand die Defensive. Immer noch bissen sich die 96er die Zähne aus, holten zwar Ecke um Ecke heraus, produzierten auch Torschüsse, aber darunter wenig Chancen. Und wenn etwas in Richtung Treffer ging, war da ja noch Flo Kastenmeier, der es über die Zeit auf drei, vier waschechte Paraden brachte.

Gut, dass niemand auf die Idee kam, ihm das erste Gegentor anzukreiden. Da gab es nach einer Ecke Tumult im fortunistischen Strafraum, und der Herr Nielsen durfte aus recht kurzer Entfernung aufs Tor köpfen. Kastenmeier kann das Ding noch abwehren, aber nach vorne links. Seine Kollegen sind desorientiert, und der Hannoveraner Voglsammer kann das Ei aus nächster Nähe in die Maschen treiben. Spätestens jetzt hätte sich irgendwas tun müssen bei den Fortunen. Zumal die Hausherren jetzt noch mehr Gas gaben als zuvor. Der Druck nahm so sehr zu, dass jedem Dampfkessel die Nähte geplatzt wären, und Entlastung fand kaum statt.

Und trotzdem war das 2:2 ein Glückstreffer, denn der recht scharf geschossene Ball von außerhalb des Sechzehners wäre wohl in Kastenmeiers Armen gelandet, weil der ganz richtig auf seiner Linie stand. Aber dann hielt ausgerechnet Ao Tanaka eine Gräte in den Schuss, sodass die Pille eben nicht auf Flo zu flog, sondern ins andere Toreck und damit in die Maschen. Leider war es Joshy Quarshie, der nach einer Ecke klären wollte und das Ei dem späteren Torschützen vor die Füße köpfte. Pech oder Versagen? Das ist hier die Frage…

Leider war es derselbe Joshy, der beim 1:2 unter dem Ei durchtauchte, das Nielsen dann aufs Tor wuchtete. Muss man einfach sagen. Das Blöde ist, dass er über die gesamte Spielzeit gerechnet jede Menge ordentlicher Klärungsaktionen hatte, mehr jedenfalls als sein Spannmann Jordy, der – vielleicht als Folge seiner leichten Verletzung – durchweg mit gebremstem Schaum agierte und folgerichtig in der 85. Minute durch Tim Oberdorf ersetzt wurde; ERST in der 85. Minute, könnte man auch sagen. Mit gebremstem Schaum arbeitete auch Zimbo Zimmermann, der angesichts der taktischen Idee auch viel mehr mit dem Verteidigen zu tun hatte als er es mag. Defensiv hatte Nico Gavory auf der anderen Seite weniger zu tun, was er in gewohnter Manier dazu nutzte, das eine oder andere Mal das fortunistische Spiel nach vorne zu treiben.

Die Schwachstellen des aktuellen Kaders sind ganz eindeutig die Innenverteidigung und die Sturmspitze. Während sich das erstgenannte Problem mildern wird, wenn Jamil Siebert und Andre Hoffmann wieder an Bord sind, ist klar; zumal dann auch wieder sinnvoll über die Verteidigung mit einer Dreierkette nachgedacht werden kann. Ob eine Doppelspitze mit Marlon Mustapha die erstgenannte Schwierigkeit verringern würde, kann keiner sagen. Wir ahnen ja alle, dass Vince Vermeij wieder zum Knipser werden könnte, wenn ihm endlich mal wieder eine Bude gelingt.

Ignoriert man die Tabellensituation, ist ein Remis bei den starken Hannoveranern ein Erfolg. Ignoriert man zudem, dass die Fortuna bis etwa zur 60. Minute Chef um Ring war und mit 2:0 führte, könnte man über das Ergebnis lächeln. Aber, Weggucken war noch nie ein gutes Mittel rund um sportliche Erfolge. Also müssen die Coaches mit der Mannschaft erneut wieder in eine tiefe Analyse einsteigen. Und irgendwie müsste irgendwer es hinkriegen, den Kickern bis zum Heimspiel das beizubiegen, was Spochtrepochtern gern Gier und Galligkeit nennen.

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